Bindungswirkung eines Vergleichs für Rechtsnachfolger bei Veräußerung eines Grundstücks während des Rechtsstreits
BGH 14.9.2018, V ZR 267/17Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Beklagte erhob 2011 Klage gegen den Ehemann der jetzigen Klägerin als damaligen Eigentümer des benachbarten Grundstücks wegen der Blendwirkung der auf dem Hausdach angebrachten Photovoltaikanlage. 2013 übertrug der Ehemann das Grundstück im Wege der Schenkung auf die Klägerin und behielt sich den Nießbrauch vor.
Der Rechtsstreit, in dem der Eigentumsübergang nicht offenbart wurde, endete schließlich mit einem in Anwesenheit der Klägerin geschlossenen Prozessvergleich. Der Ehemann verpflichtete sich dazu, bestimmte Teile der Solarmodule zu entfernen und nicht durch andere Module zu ersetzen. Da er dieser Verpflichtung nicht nachkam, wurde der Beklagte durch Beschluss zur Ersatzvornahme ermächtigt.
Die Klägerin ging dagegen vor und wollte die Zwangsvollstreckung in die Solarmodule im Wege der Drittwiderspruchsklage für unzulässig erklären lassen. Dazu berief sie sich auf ihr Eigentum an dem Grundstück und an der Photovoltaikanlage. Das LG wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision der Klägerin blieb ebenso erfolglos.
Die Gründe:
Da die Klägerin das Alleineigentum an dem Grundstück nach Rechtshängigkeit erlangt hat, richtet sich der Erfolg ihrer Drittwiderspruchsklage danach, ob sie den von ihrem Ehemann geschlossenen Vergleich gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO gegen sich gelten lassen muss und dem Beklagte infolgedessen gem. §§ 795, 727 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des gerichtlichen Vergleichs gegen sie erteilt werden könnte.
Gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO hat eine nach Rechtshängigkeit erfolgte Veräußerung der in Streit befangenen Sache keinen Einfluss auf den Prozess. Nach der BGH-Rechtsprechung ist diese Vorschrift auch dann anzuwenden, wenn - wie hier - ein Grundstück, von dem Einwirkungen auf ein Nachbargrundstück ausgehen, während des Rechtsstreits über die Abwehr dieser Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 906 BGB veräußert wird. Da die Klägerin als Rechtsnachfolgerin den Rechtsstreit nicht in entsprechender Anwendung von § 266 Abs. 1 ZPO übernommen hat, ist dieser durch ihren Ehemann im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft gem. § 265 Abs. 2 ZPO weiter geführt worden. Wäre ein Urteil gegen den Ehemann ergangen, hätte sich dessen Rechtskraft gem. § 325 ZPO auf die Klägerin erstreckt.
Der zwischen dem Rechtsvorgänger und dem Prozessgegner geschlossene Prozessvergleich bindet den Rechtsnachfolger aber nur, wenn und soweit der Inhalt des Vergleichs auch Ergebnis des Urteils in dem anhängigen Prozess sein könnte und sich die Rechtskraft eines solchen Urteils auf den Rechtsnachfolger erstreckt hätte. Unter diesen Voraussetzungen kann dem Prozessgegner gem. §§ 795, 727 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den Rechtsnachfolger des Veräußerers erteilt werden. Dies ist hier der Fall.
Eine Gegenansicht, wonach § 265 ZPO keine materiell-rechtlichen Wirkungen hat, ist abzulehnen, da ein Prozessvergleich eine Einheit aus Prozesshandlung und Rechtsgeschäft bildet und das Gesetz dem Veräußerer eine umfassende gesetzliche Prozessstandschaft ermöglicht. Die Ausnahme des § 325 Abs. 2 ZPO zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers findet im Streitfall keine Anwendung, da diese Möglichkeit nur bei einem doppelt gutgläubigen Erwerb von einem Nichtberechtigten in Betracht kommt. Die im Streitfall vorliegende Konstellation ist damit nicht vergleichbar.
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