14.02.2023

Briefkopf des Hauptbevollmächtigten ohne zusätzlichen Hinweis auf Vertretungsverhältnis

Der BGH hat sich vorliegend mit der Frage befasst, wann das Handeln eines Rechtsanwalts als Vertreter des hauptbevollmächtigten Rechtsanwalts hinreichend deutlich erkennbar ist. Konkret ging es dabei um die Verwendung des Briefkopfs des Hauptbevollmächtigten ohne zusätzlichen Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis.

BGH v. 20.12.2022 - VI ZR 279/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin legte gegen das Urteil des AG durch ihren Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt M form- und fristgerecht Berufung ein. Der Schriftsatz, mit dem die Berufung begründet wurde, enthält den Briefkopf des Prozessbevollmächtigten ("M Rechtsanwaltskanzlei") und führt neben diesem den weiteren Rechtsanwalt J auf. Unterzeichnet ist der Schriftsatz von Rechtsanwalt B. Darunter befindet sich der maschinenschriftliche Zusatz "B Rechtsanwalt".

Das LG verwarf die Berufung der Klägerin. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das LG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Berufungsbegründung den Formanforderungen nicht genügt.

Die Berufungsbegründungsschrift muss als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) von einem Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§ 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5 ZPO). Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht das LG davon aus, dass Rechtsanwalt B für den Inhalt der Rechtsmittelbegründung die Verantwortung übernommen haben muss und nicht bloßer Erklärungsbote gewesen sein darf. Die Annahme des LG, dies sei im Streitfall nicht erkennbar, ist hingegen unzutreffend. Denn es spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner sich den Inhalt des Schreibens zu eigen gemacht hat, dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig wird. Diese Vermutung ist hier nicht erschüttert; insbesondere hat Rechtsanwalt B nicht lediglich "i.A." unterzeichnet.

Liegt eine Erklärung des Unterzeichners vor, kommt es darauf an, ob er als Unterbevollmächtigter im Namen des hauptbevollmächtigten Rechtsanwalts aufgetreten ist oder eine Erklärung im eigenen Namen abgegeben hat. Ein Handeln als Vertreter ist dann anzunehmen, wenn sich neben der Unterschrift der Zusatz "i.V." oder der Zusatz "für" den Hauptbevollmächtigten befindet. Zwingend ist die Verwendung solcher Zusätze aber nicht. Es reicht aus, wenn sich das Handeln als Vertreter für das Gericht aus den Umständen hinreichend deutlich erkennbar ergibt. Dies ist hier vor dem Hintergrund, dass Rechtsanwalt B die Berufungsbegründung auf dem Briefkopf der von der Klägerin mandatierten Kanzlei M verfasst hat, der Fall.

Dass Rechtsanwalt B, obwohl das Mandat für die Berufung ausweislich der Berufungsschrift der Kanzlei M erteilt war, die Berufungsbegründung - ungeachtet der Benutzung des Briefbogens der Kanzlei M - nicht für diese als Unterbevollmächtigter, sondern - trotz fehlender Mandatierung - im eigenen Namen abgeben wollte, ist fernliegend. Ein solches Auslegungsergebnis würde ihm den Willen zu einer eindeutig unzulässigen Prozesshandlung unterstellen und damit gegen den Auslegungsgrundsatz verstoßen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
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Rechtsprechung:
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