20.08.2024

Bruchteils-Grundstück: Zwangsversteigerung ohne erforderliche Einzelausbietung sämtlicher Miteigentumsanteile

Die Rechtsbeeinträchtigung des anwesenden Schuldners durch den Zuschlag eines im Bruchteilseigentum stehenden Grundstücks in der Zwangsversteigerung ohne die erforderliche Einzelausbietung sämtlicher Miteigentumsanteile entfällt gem. § 84 Abs. 1 Alt. 1 ZVG nur dann, wenn im Einzelfall aufgrund konkreter Umstände sicher feststeht, dass bei Einzelausgeboten kein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre als bei der durchgeführten Gesamtausbietung; allein der Umstand, dass einzelne Miteigentumsanteile in der Regel schwerer veräußerlich sind als das Gesamtgrundstück, entbindet nicht von dem gesetzlich vorgesehenen Erfordernis einer Einzelausbietung.

BGH v. 6.6.2024 - V ZB 31/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligte zu 3) (Gläubigerin) betreibt aus einer Grundschuld die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses näher bezeichneten Grundstücks, das im hälftigen Miteigentum des Beteiligten zu 1) (Schuldner) und der Beteiligten zu 2) steht. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde auf 531.000 € festgesetzt. Am Tag vor dem Versteigerungstermin stellte der Schuldner einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO. In dem Versteigerungstermin am 18.1.2023 wurden die beiden Miteigentumsanteile des Grundstücks nur gemeinsam ausgeboten und das geringste Gebot mit 9.513,52 € festgestellt.

Das AG lehnte den Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners ab und erteilte den Beteiligten zu 5) und 6) den Zuschlag auf deren Meistgebot über 300.000 €. Das LG wies die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden des Schuldners zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss des LG und den Zuschlagsbeschluss des AG auf und versagte den Zuschlag auf das im Zwangsversteigerungstermin abgegebene Meistgebot der Beteiligten zu 5) und 6).

Die Gründe:
Begründet ist nur die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen die Zurückweisung seiner Zuschlagsbeschwerde. Soweit sich der Schuldner gegen die Ablehnung seines Vollstreckungsschutzantrags wendet, bleibt sein Rechtsmittel ohne Erfolg. Entgegen der Ansicht des LG hat das AG den Beteiligten zu 5) und 6) zu Unrecht den Zuschlag erteilt. Die Rechtsbeschwerde führt zur Versagung des Zuschlags (§ 100 Abs. 1 i.V.m. § 83 Nr. 2 ZVG).

Rechtsfehlerhaft ist insbesondere die Annahme des LG, dass der Versagungsgrund des § 83 Nr. 2 ZVG der Erteilung des Zuschlags nicht entgegensteht, weil der Verfahrensmangel nach § 84 Abs. 1 Alt. 1 ZVG geheilt ist. Nach dieser Norm stehen die im § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG bezeichneten Versagungsgründe der Erteilung des Zuschlags nicht entgegen, wenn das Recht des Beteiligten durch den Zuschlag nicht beeinträchtigt wird. Eine Heilung des Verfahrensmangels gem. § 84 Abs. 1 Alt. 1 ZVG erfordert die positive Feststellung, dass das Recht des Beteiligten nicht beeinträchtigt worden ist, weshalb eine Heilung schon bei der Möglichkeit einer Beeinträchtigung ausscheidet.

Die Rechtsbeeinträchtigung des anwesenden Schuldners durch den Zuschlag eines im Bruchteilseigentum stehenden Grundstücks in der Zwangsversteigerung ohne die nach § 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 ZVG erforderliche Einzelausbietung sämtlicher Miteigentumsanteile entfällt nach diesen Grundsätzen gem. § 84 Abs. 1 Alt. 1 ZVG nur dann, wenn im Einzelfall aufgrund konkreter Umstände sicher feststeht, dass bei Einzelausgeboten kein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre als bei der durchgeführten Gesamtausbietung. Solche konkreten Umstände sind hier nicht festgestellt.

Allein der Umstand, dass einzelne Miteigentumsanteile in der Regel schwerer veräußerlich sind als das Gesamtgrundstück, entbindet nicht von dem gesetzlich vorgesehenen Erfordernis einer Einzelausbietung. Das vorrangige Anliegen aller Versteigerungsmodalitäten besteht darin, ein möglichst hohes Meistgebot zu erreichen. Dabei räumt das ZVG der Einzelausbietung insoweit einen Vorrang ein, als es davon ausgeht, bei dieser Art der Versteigerung werde in der Regel das höchste Gebot erzielt. Zwar wird bei einem Gesamtausgebot wirtschaftlich zusammengehörender Einheiten das Bietinteresse zunehmen. Das ändert jedoch nichts daran, dass bei der der Regelung zu Grunde liegenden typisierenden Betrachtung ein bestmöglicher Verwertungserlös regelmäßig nur unter Beibehaltung auch des Einzelausgebots zu erwarten ist.

Die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen die Ablehnung seines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO hat dagegen keinen Erfolg. Seine sofortige Beschwerde gegen den Vollstreckungsschutz versagenden Beschluss des AG vom 18.1.2023 ist bereits unzulässig. Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht nach § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Eine Entscheidung nach § 765a ZPO ist über den Wortlaut von § 95 ZVG hinaus vor der Zuschlagserteilung selbstständig anfechtbar.

Nach dem Schluss der Versteigerung (§ 73 Abs. 2 ZVG) kann ein die Einstellung oder Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens ablehnender Beschluss demgegenüber nicht mehr selbstständig, sondern nur noch mit der sofortigen Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss angefochten werden. Denn gem. § 33 ZVG darf, wenn ein Grund zur Aufhebung oder einstweiligen Einstellung des Verfahrens vorliegt, die Entscheidung von diesem Zeitpunkt an nur durch Versagung des Zuschlags erfolgen. Ein bereits anhängiges Rechtsmittel gegen den ablehnenden Beschluss wird mit der Zuschlagserteilung gegenstandslos.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (vorliegende Entscheidung
Beschluss
BGH vom 06.06.2024 - V ZB 31/23

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