13.04.2023

Corona-Hochzeit auf Sylt: Testung aller Gäste kann Mangel darstellen

Der Rhythmus einer Hochzeitsveranstaltung ist auf Bedürfnisse wie üblichen Hunger und übliche Essenszeiten abgestimmt und soll zu etwas anderem dienen als sich auf Covid testen lassen zu müssen. Die auf einer Hochzeitsfeier vom Veranstalter verlangte Covid-Testung aller Hochzeitsgäste infolge eines positiven Corona-Tests des Brautvaters kann zu einem zur Minderung berechtigenden Mangel führen.

AG München v. 23.1.2023 - 132 C 12148/22
Der Sachverhalt:
Die Beklagten hatten für ihre Hochzeitsfeier Ende Juni 2022 eine von der Klägerin geführte Gaststätte auf Sylt gebucht. Am Tag der Hochzeit wurde der Vater der Braut positiv auf Covid getestet. Da allen Beteiligten die Wichtigkeit der Teilnahme des Brautvaters klar war, suchte man zusammen mit den Geschäftsführern der Klägerin nach gemeinsamen Lösungen. Der Vater der Braut konnte schließlich insoweit an der Feier teilnehmen, dass er sich im Außenbereich des Restaurants, der an den eigentlichen Feierraum angrenzte und über Fenster einsehbar war, aufhalten durfte.

Aufgrund des positiven Corona-Tests des Brautvaters forderten die Geschäftsführer von dem Hochzeitspaar jedoch, dass sich vor Einlass in den Innenbereich des Restaurants auch alle übrigen 76 Gäste ebenfalls auf Covid testen müssten. Um die Feier hieran nicht scheitern zu lassen, akzeptierten die Beklagten die Forderung. Sämtliche Gäste wurden anschließend mit von der Klägerin zur Verfügung gestellten Testkits auf Covid getestet. Da hierbei auch der Corona-Schnelltest des Vaters des Bräutigams positiv ausgefallen war, musste sich dieser ebenfalls zum Vater der Braut in den Außenbereich begeben.

Durch die Testung aller Gäste verzögerte sich der Beginn des Abendessens von 19.30 Uhr auf mindestens 21.30 Uhr. Die Feier fand damit erheblich länger als geplant im Außenbereich des Restaurants statt, ohne Sitzgelegenheiten und ohne Abendessen. Die Testung aller Gäste führte zu deutlichen Spannungen, weil diese als nicht veranlasst und aufgenötigt wahrgenommen wurden. Zwei der Gäste waren erst durch Intervention der Brautfamilie dazu bewegt worden, überhaupt einen Schnelltest durchführen zu lassen. Die Spannungen setzten sich in einer Auseinandersetzung über die Bezahlung fort: Während die Beklagten insbesondere aufgrund der unberechtigten Covid-Testung einen Abzug von 20 % auf den Rechnungsbetrag von 20.185 € vornahmen, verlangte die Klägerin vollständige Zahlung.

Die Beklagten trugen insbesondere vor, das Verlangen einer Testung aller Gäste sei vertragswidrig und willkürlich gewesen. Zudem habe sich dadurch der Stehempfang verlängert, was die Klägerin genutzt habe, um den Gästen ausschließlich Champagner anzubieten. Selbst halb volle Champagner-Gläser seien aufgefüllt worden. Dies sei arglistig erfolgt, um den Umsatz des Abends über das kostenträchtigste Getränk gewinnträchtig zu steigern.

Das AG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines ausstehenden Teilbetrages i.H.v. 810,50 €. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die auf der Hochzeitsfeier von der Klägerin verlangte Covid-Testung aller Hochzeitsgäste infolge eines positiven Corona-Tests des Brautvaters hat zu einem zur Minderung berechtigenden Mangel geführt. Die Klägerin kann von den Beklagten daher nur 85 % des dem Grunde nach gerechtfertigten Zahlbetrags von 20.185 € verlangen.

Eine erhebliche und nicht mehr rechtlich gerechtfertigte Störung lag darin, die Durchführung einer Testung bei allen anderen Gästen zur Bedingung dazu zu machen, erst danach den vorgesehenen Ablauf der Feier stattfinden zu lassen. Eine gesetzliche Verpflichtung, sich vor Besuch einer Veranstaltung zu testen und den Test dann zur Veranstaltung vorzuweisen, gab es nicht, weder unter dem Aspekt des Besuchs einer Gaststätte noch unter dem Aspekt der Teilnahme an einer Veranstaltung. Denn nach dem Winter 2021/2022 gab es keine gesetzliche Verpflichtung mehr, die bei der Durchführung von privaten Veranstaltungen vorherige Testung vorsahen. Nach geltender Rechtslage waren selbst Kontaktpersonen eines Infizierten nicht einmal mehr zur Isolation verpflichtet und auch eine Pflicht zur Testung bestand für sie nicht.

Auch vertraglich hatte die Klägerin kein Recht, die eigene Leistung von vorheriger Testung abhängig zu machen. Es war vielmehr die Drohung, man würde sonst die gesamte Feier nicht stattfinden lassen, die zu einem Nachgeben der Beklagten als dem kleineren Übel geführt hatte. Auch unter Gesichtspunkten einer Störung der Geschäftsgrundlage war eine Testung nicht zu fordern. Bei Corona handelte es sich um eine Erkrankung, mit deren weiterer Virulenz schon Anfang 2022 zu rechnen war. Sie war kein unvorhergesehener Gesichtspunkt mehr, der einen Vertrag in dessen Grundlage stören würde. Das Risiko einer Infektion mit Corona bei zwischenmenschlichem Kontakt war bekanntes Risiko und es hätte als bekanntes Risiko beiden Seiten freigestanden, das Risiko einer Ansteckung zu thematisieren und vertraglich den Umgang mit diesem Risiko zu regeln.

Durch die Forderung solcher Testung störte die Klägerin die Hochzeitsfeier erheblich. Der enge Familienkreis des Hochzeitspaares musste sich um die Organisation und Testung aller Gäste kümmern. Gäste, die sich nicht bereitfinden wollten, mussten überredet werden. Durch den geforderten Ablauf verzögerte sich auch der Beginn des Essens auf eine Zeit, die den Bereich bloßer Unannehmlichkeit weit überschritten hatte, weil der Rhythmus einer Hochzeitsveranstaltung auf Bedürfnisse wie üblichen Hunger und übliche Essenszeiten abgestimmt ist und zu etwas anderem dienen soll als sich auf Covid testen lassen zu müssen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Rainer Burbulla
Gewerberaummiete - Die Entwicklungen der Rechtsprechung im 1. Halbjahr 2022
MDR 2023, 12

Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht:
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht finden Praktiker im Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht. Jetzt neu: Mit den Inhalten der Neuauflage Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020. 4 Wochen gratis nutzen!
AG München - PM v. 11.4.2023
Zurück