Corona-Impfung: Erweiterte Darlegungslast bei Ansprüchen aus § 84 Abs.1 S.1 AMG
OLG Koblenz v. 18.12.2024 - 5 U 168/24Die Klägerin hatte sich am 29.4.2021, 11.6.2021 und 25.1.2022 mit dem von der Beklagten hergestellten Impfstoff "Comirnaty" (BNT162b2) gegen das SARS-CoV-2-Virus impfen lassen. Sie hat vorgetragen, dass sie seit den Impfungen an Müdigkeit, Erschöpfung, hohem Blutdruck, Schwindel, Erbrechen, Druck im Kopf sowie Lähmungserscheinungen leide. Etwa einen Monat nach der 3. Impfung sei es zu einem Vorfall gekommen, bei dem sie nicht mehr aus eigener Kraft aus ihrem Keller in ihre Wohnung gelangt sei. Sie machte gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens sowie auf Auskunftserteilung wegen des behaupteten Impfschadens geltend. Das Schmerzensgeld sollte mind. 150.000 € betragen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. § 84 Abs. 1 AMG sei zwar anwendbar, die Klägerin habe aber zu einer kausalen Rechtsgutsverletzung i.S.d. § 84 Abs. 1 AMG nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen
Die Gründe:
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit die Klägerin behauptet hatte, es handle sich bei "Comirnaty" nicht um einen Impfstoff, sondern um ein Gentherapeutikum, auf welche das Gentechnikgesetz (GenTG) anzuwenden sei, ist diese Auffassung unzutreffend. Aufgrund der Klarstellung unter Ziff. 2.1 des Anhangs der Richtlinie 2009/120/EG vom 14.9.2009 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG scheidet eine Einstufung von "Comirnaty" als Gentherapeutikum bereits deshalb aus, weil es sich um einen Impfstoff gegen Infektionskrankheiten handelt. Ob dieser auch deshalb kein Gentherapeutikum darstellt, weil der Impfstoff gerade nicht eine Nukleinsäuresequenz im menschlichen Körper "reguliert, repariert, ersetzt, hinzufügt oder entfernt", sondern die DNA des Patienten unverändert lässt, weil es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht in das Genom von Körperzellen und Keimbahnzellen eingebaut wird, muss deshalb nicht entschieden werden.
Wie das LG zutreffend angenommen hat, sind die Voraussetzungen einer Haftung aus der einschlägigen Vorschrift des § 84 Abs.1 S.1 AMG nicht gegeben. Die Kausalität zwischen den Impfungen der Klägerin mit dem Impfstoff "Comirnaty" und dem von ihr geltend gemachten Gesundheitsschaden (Müdigkeit, Erschöpfung, hoher Blutdruck, Schwindel, Erbrechen, Druck im Kopf sowie Lähmungserscheinungen) war im Grundsatz von ihr als Anspruchsstellerin zu beweisen. Ihr kam hierbei aber gem. § 84 Abs. 2 AMG eine Kausalitätsvermutung zugute, wenn das Arzneimittel geeignet wäre, den Schaden zu verursachen. Da vorliegend eine Eignung des Impfstoffs, die von der Klägerin behaupteten Beschwerden auszulösen, von der Beklagten substantiiert bestritten worden war, musste die Klägerin zunächst substantiiert hierzu vortragen, wobei ihr eine erweiterte Darlegungslast zukam Hierzu gehört neben dem Vortrag zu dem behaupteten nach einer Impfung eingetretenen Gesundheitsschaden auch der Vortrag zu Vor- und Begleiterkrankungen.
Insofern hat das LG unter beanstandungsfreier Würdigung des Vortrags der Klägerin und der von ihr vorgelegten Krankenunterlagen richtigerweise angenommen, dass der Vortrag der Klägerin gemessen an der ihr obliegenden erweiterten Darlegungslast unzureichend und widersprüchlich und damit unsubstantiiert war. Denn ergeben sich aus vorgelegten Krankenunterlagen über ärztliche Behandlungen nach einer Impfung eindeutige Hinweise auf gravierende Erkrankungen vor der Impfung, dann obliegt es dem Geschädigten auch zu diesen Vorerkrankungen vorzutragen und Krankenunterlagen vorzulegen. Fehlt solcher Vortrag vollständig oder steht er zu den vorgelegten Unterlagen nach der Impfung in Widerspruch, ist der Vortrag des Geschädigten zur Eignung des Arzneimittels, den Gesundheitsschaden zu verursachen, unsubstantiiert.
Aufsatz
Rüdiger Martis / Martina Winkhart-Martis
Arzthaftungsrecht: Aktuelle Rechtsprechung zur Aufklärung des Patienten
MDR 2024, 412
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