Corona-Maßnahmen an Schulen: Familiengerichte nicht zuständig
BGH v. 6.10.2021 - XII ARZ 35/21
Der Sachverhalt:
Die 15-jährige Tochter der Beteiligten besucht eine Gesamtschule. Mit einem an das AG - Familiengericht - gerichteten Schreiben hat die Beteiligte darum nachgesucht, ein Verfahren nach § 1666 BGB zu eröffnen und gegenüber den Lehrkräften und der Schulleitung einstweilig anzuordnen, die schulintern getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), insbesondere die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Abstandsgebote und gesundheitliche Testungen, vorläufig auszusetzten.
Das Familiengericht erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht hat die ihm übersandten Verfahrensakten an das Familiengericht "zuständigkeitshalber zurückgesandt" und dabei den Rechtsstandpunkt eingenommen, dass das Familiengericht zuständig und die Verweisung an das Verwaltungsgericht wegen eines groben Verfahrensverstoßes nicht bindend sei. Daraufhin hat das Familiengericht die Sache dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Der BGH entschied, dass das familiengerichtliche Verfahren ohne Rechtswegverweisung einzustellen ist.
Die Gründe:
Über einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet dasjenige oberste Bundesgericht, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird, im vorliegenden Fall somit der BGH.
Das Familiengericht hat bei einer Gefährdung des Kindeswohls von Amts wegen die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Dabei kann das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen (§ 1666 Abs. 1, 4 BGB).
Damit ist jedoch keine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber schulischen Behörden verbunden. Im Rahmen des schulischen Sonderrechtsverhältnisses sind die zuständigen Behörden ihrerseits an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns - auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen - obliegt hierbei allein den Verwaltungsgerichten.
Eine Rechtswegverweisung des Familiengerichts an das Verwaltungsgericht kommt jedoch wegen unüberwindbar verschiedener Prozessgrundsätze des von Amts wegen zu betreibenden familiengerichtlichen Verfahrens einerseits und des Klage- bzw. Antragsverfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits nicht in Betracht. Das familiengerichtliche Verfahren war deshalb ohne Rechtswegverweisung einzustellen.
BGH PM Nr. 196 vom 27.10.2021
Die 15-jährige Tochter der Beteiligten besucht eine Gesamtschule. Mit einem an das AG - Familiengericht - gerichteten Schreiben hat die Beteiligte darum nachgesucht, ein Verfahren nach § 1666 BGB zu eröffnen und gegenüber den Lehrkräften und der Schulleitung einstweilig anzuordnen, die schulintern getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), insbesondere die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Abstandsgebote und gesundheitliche Testungen, vorläufig auszusetzten.
Das Familiengericht erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht hat die ihm übersandten Verfahrensakten an das Familiengericht "zuständigkeitshalber zurückgesandt" und dabei den Rechtsstandpunkt eingenommen, dass das Familiengericht zuständig und die Verweisung an das Verwaltungsgericht wegen eines groben Verfahrensverstoßes nicht bindend sei. Daraufhin hat das Familiengericht die Sache dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Der BGH entschied, dass das familiengerichtliche Verfahren ohne Rechtswegverweisung einzustellen ist.
Die Gründe:
Über einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet dasjenige oberste Bundesgericht, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird, im vorliegenden Fall somit der BGH.
Das Familiengericht hat bei einer Gefährdung des Kindeswohls von Amts wegen die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Dabei kann das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen (§ 1666 Abs. 1, 4 BGB).
Damit ist jedoch keine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber schulischen Behörden verbunden. Im Rahmen des schulischen Sonderrechtsverhältnisses sind die zuständigen Behörden ihrerseits an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns - auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen - obliegt hierbei allein den Verwaltungsgerichten.
Eine Rechtswegverweisung des Familiengerichts an das Verwaltungsgericht kommt jedoch wegen unüberwindbar verschiedener Prozessgrundsätze des von Amts wegen zu betreibenden familiengerichtlichen Verfahrens einerseits und des Klage- bzw. Antragsverfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits nicht in Betracht. Das familiengerichtliche Verfahren war deshalb ohne Rechtswegverweisung einzustellen.