Corona-Pandemie: Keine Vertragsanpassung für unrentable Gastwirtschaft
AG Köln v. 10.2.2022 - 221 C 248/21
Der Sachverhalt:
Der Beklagte betreibt seit 2017 eine Gaststätte in der Kölner Altstadt. Der monatliche Mietzins beträgt insgesamt 2.200 €. Der Beklagte betreibt die Gaststätte im Nebenberuf. Im Hauptberuf ist er im öffentlichen Dienst beschäftigt und verdient netto ca. 2000 €. Im Jahr 2019 hatte der Beklagte keinen Gewinn erwirtschaften können, sondern einen Verlust von rund 7.000 € verbucht. Die Bildung von Sparguthaben oder Rücklagen war nicht möglich.
Das Gaststättengewerbe des Beklagten ist von der Corona-Pandemie betroffen. Im Zeitraum 2.11.2020 bis 30.6.2021 ("zweiter Lockdown") musste der Beklagte das Ladenlokal schließen und hatte keinerlei Umsatz. Ein Außerhausbetrieb war ihm nicht möglich, weil er keine Küche betreibt, sondern eine reine Schankwirtschaft. Auf Staatshilfen hat der Beklagte keinen Anspruch, da er das Lokal im Nebenerwerb betreibt und daher die Voraussetzung für die Förderung nicht erfüllt.
Am 3.2.21 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er werde nur noch 1/3 der Nettomiete, nämlich 533,33 €, zahlen. Am 18.2.2021 konkretisierte er dies und teilte mit, er habe im Februar 2021 die ursprüngliche Miete von 2.200 € bezahlt. Die zu viel gezahlten 1066,66 € verrechne er mit der Miete für März 2021 und werde daher für März nur noch 66,67 € bezahlen.
Die Klägerin machte die Zahlung der restlichen Miete für die Monate Februar bis April 2021 i.H.v. je 1.133,33 € geltend. Das AG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Die Klage ist in voller Höhe aus § 535 Abs. 2 BGB begründet.
Eine Anpassung des Vertrags gem. § 313 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht. Zwar besteht entgegen der missverständlichen Formulierung des Gesetzestextes Einigkeit darüber, dass die durch die Grundlagenstörung benachteiligte Partei ihre Rechte aus § 313 BGB auch im Wege einer Einrede gegen eine Inanspruchnahme aus dem für sie unzumutbar gewordenen Vertrag geltend machen kann. Die Anpassung eines Vertrags ist der Vermieterseite allerdings nur zumutbar, wenn sie das wirtschaftliche Überleben des Mieters sichert. Denn an einem wirtschaftlich solventen Mieter hat auch der Vermieter als dessen Vertragspartner ein Interesse.
Das aber wiederum setzt voraus, dass das Geschäft des Mieters an sich wettbewerbsfähig und in der Lage ist, Gewinne zu erwirtschaften. Wenn das - wie hier - nicht der Fall ist, sondern der Mieter schon vor der Coronakrise Verluste eingefahren hat, dann muss er diese auch dann alleine tragen, wenn sie durch die Coronakrise noch verstärkt werden. Denn der Vermieter hat kein Interesse an einem Mieter, der Verluste generiert, weil dadurch das Risiko einer Illiquidität bzw. Insolvenz erhöht wird. Es ist ihm nicht zumutbar zu einem solchen Zuschussgeschäft einen Beitrag zu leisten.
Insoweit muss aber vermieden werden, dass Betriebe durch Subventionen künstlich am Leben erhalten werden, ohne dass ihr Geschäft überlebensfähig ist. Es besteht dann die Gefahr, dass sog. "Zombieunternehmen" entstehen. Das ist schädlich, weil sie zu den wirklich leistungsfähigen Unternehmen in einen Wettbewerb treten sowie weil durch ihre Präsenz Weiterentwicklungen verhindert, Kapital gebunden und Fachpersonal in maroden Strukturen gehalten würden. Außerdem ist damit zu rechnen, dass das Geschäft nach dem Ende der Subventionierung in absehbarer Zeit aufgegeben wird und die steuerliche Subvention ihren Zweck verfehlt.
Das Geschäftsmodell des Beklagten hatte sich bereits im Jahr 2019 als nicht tragfähig erwiesen. Es wäre bereits 2019 mehr als 18% größerer Umsatz erforderlich gewesen, um wenigstens eine ausgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung zu haben. Bei dieser Sachlage würde eine Vertragsanpassung in Form einer verminderten Miete dazu führen, dass die Klägerin gezwungen würde, das nicht nachhaltige betriebene Geschäft des Beklagten zu subventionieren. Dieses Ergebnis hält das Gericht selbst dann nicht für richtig, wenn der Beklagte, wie es unstreitig ist, von der Corona-Pandemie massiv betroffen ist. Es ist der Klägerin nicht zumutbar.
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Justiz NRW
Der Beklagte betreibt seit 2017 eine Gaststätte in der Kölner Altstadt. Der monatliche Mietzins beträgt insgesamt 2.200 €. Der Beklagte betreibt die Gaststätte im Nebenberuf. Im Hauptberuf ist er im öffentlichen Dienst beschäftigt und verdient netto ca. 2000 €. Im Jahr 2019 hatte der Beklagte keinen Gewinn erwirtschaften können, sondern einen Verlust von rund 7.000 € verbucht. Die Bildung von Sparguthaben oder Rücklagen war nicht möglich.
Das Gaststättengewerbe des Beklagten ist von der Corona-Pandemie betroffen. Im Zeitraum 2.11.2020 bis 30.6.2021 ("zweiter Lockdown") musste der Beklagte das Ladenlokal schließen und hatte keinerlei Umsatz. Ein Außerhausbetrieb war ihm nicht möglich, weil er keine Küche betreibt, sondern eine reine Schankwirtschaft. Auf Staatshilfen hat der Beklagte keinen Anspruch, da er das Lokal im Nebenerwerb betreibt und daher die Voraussetzung für die Förderung nicht erfüllt.
Am 3.2.21 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er werde nur noch 1/3 der Nettomiete, nämlich 533,33 €, zahlen. Am 18.2.2021 konkretisierte er dies und teilte mit, er habe im Februar 2021 die ursprüngliche Miete von 2.200 € bezahlt. Die zu viel gezahlten 1066,66 € verrechne er mit der Miete für März 2021 und werde daher für März nur noch 66,67 € bezahlen.
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Die Klage ist in voller Höhe aus § 535 Abs. 2 BGB begründet.
Eine Anpassung des Vertrags gem. § 313 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht. Zwar besteht entgegen der missverständlichen Formulierung des Gesetzestextes Einigkeit darüber, dass die durch die Grundlagenstörung benachteiligte Partei ihre Rechte aus § 313 BGB auch im Wege einer Einrede gegen eine Inanspruchnahme aus dem für sie unzumutbar gewordenen Vertrag geltend machen kann. Die Anpassung eines Vertrags ist der Vermieterseite allerdings nur zumutbar, wenn sie das wirtschaftliche Überleben des Mieters sichert. Denn an einem wirtschaftlich solventen Mieter hat auch der Vermieter als dessen Vertragspartner ein Interesse.
Das aber wiederum setzt voraus, dass das Geschäft des Mieters an sich wettbewerbsfähig und in der Lage ist, Gewinne zu erwirtschaften. Wenn das - wie hier - nicht der Fall ist, sondern der Mieter schon vor der Coronakrise Verluste eingefahren hat, dann muss er diese auch dann alleine tragen, wenn sie durch die Coronakrise noch verstärkt werden. Denn der Vermieter hat kein Interesse an einem Mieter, der Verluste generiert, weil dadurch das Risiko einer Illiquidität bzw. Insolvenz erhöht wird. Es ist ihm nicht zumutbar zu einem solchen Zuschussgeschäft einen Beitrag zu leisten.
Insoweit muss aber vermieden werden, dass Betriebe durch Subventionen künstlich am Leben erhalten werden, ohne dass ihr Geschäft überlebensfähig ist. Es besteht dann die Gefahr, dass sog. "Zombieunternehmen" entstehen. Das ist schädlich, weil sie zu den wirklich leistungsfähigen Unternehmen in einen Wettbewerb treten sowie weil durch ihre Präsenz Weiterentwicklungen verhindert, Kapital gebunden und Fachpersonal in maroden Strukturen gehalten würden. Außerdem ist damit zu rechnen, dass das Geschäft nach dem Ende der Subventionierung in absehbarer Zeit aufgegeben wird und die steuerliche Subvention ihren Zweck verfehlt.
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