Corona-Virus: Streit um die Impfung der gemeinsamen Kinder
OLG Brandenburg v. 5.7.2022 - 13 UF 42/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute und die Eltern der hier betroffenen 15-jährigen J. und des nahezu neunjährigen P. Die beiden Kinder haben ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt der Mutter und nehmen im 14-tägigen Rhythmus Wochenendumgang mit dem Vater wahr. Sie verbringen auch die Hälfte der Ferienzeit bei ihm.
Die Eltern sind nicht einig über die Frage, ob die gemeinsamen Kinder gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft werden sollen oder nicht. Die Mutter hat vorgetragen, die Kinder selbst wollten beide geimpft werden. Sie wolle mit ihrer Zustimmung zu einer Impfung den Schutz der Kinder gewährleisten und dass sie bei einer Erkrankung keinen schweren Verlauf erlitten und gegebenenfalls Folgeschäden abgewendet würden. Die Kinder litten sehr unter den Einschränkungen, denen sie ausgesetzt seien. Die Tochter werde in der Schule oft angesprochen, weil sie nicht geimpft sei.
Die Mutter hat beantragt, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung der Kinder gegen das Corona-Virus zu übertragen und den Antrag des Vaters, ihm die entsprechende Entscheidungsbefugnis allein zuzuweisen, abzuweisen. Das AG hat den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt und sie sowie die übrigen Beteiligten und den Verfahrensbeistand und die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes in einem Termin persönlich angehört. Daraufhin hat es der Mutter die Entscheidungsbefugnis über die Frage der Impfung gegen das Corona-Virus für beide Kinder übertragen und den entsprechenden Antrag des Vaters abgewiesen.
Das OLG hat die Entscheidung bestätigt.
Die Gründe:
Das AG hat die Entscheidungsbefugnis über die Frage, ob die Zustimmung zur Impfung der Kinder gegen das Corona-Virus SARS CoV-2 erteilt werden kann, gem. § 1628 S. 1 BGB zu Recht auf die Mutter übertragen.
Maßstab für die Entscheidung des Gerichts ist das Wohl des Kindes. Dies ergibt sich aus der Generalklausel des § 1697a BGB. Für die Entscheidung ist gem. § 1697a BGB maßgebend, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, wobei das Gericht nicht anstelle der Eltern eine eigene Sachentscheidung zu treffen hat. An diesem Maßstab sind die Vorstellungen der Eltern zu messen. Beide Eltern haben - insoweit übereinstimmend geäußert - durch ihre jeweilige Entscheidung die Kinder vor Schaden bewahren zu wollen.
Die Mutter will durch die Impfung Schaden abwenden, der den Kindern durch eine Erkrankung, durch drohende Isolation bei möglichen künftig zu erwartenden Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen für ungeimpfte Kinder und Jugendliche und durch sozialen Druck aus dem persönlichen Umfeld drohen könnte, welches sich ausschließlich bzw. vorwiegend aus geimpften Personen zusammensetze. Der Vater will die Kinder vor Schäden bewahren, die ihnen infolge unerwünschter Impfwirkungen drohen könnten und die aus seiner Sicht nicht im Verhältnis zu den tatsächlich aus einer Infektion resultierenden Gefahren stünden.
Nach Abwägung der von den Eltern jeweils als Begründung für ihre zu treffende Entscheidung angeführten Gründe bietet die Mutter die bessere Gewähr, ihre Entscheidung auf valide Tatsachen zu stützen und konkret am Wohl der beiden hier betroffenen Kinder zu orientieren als der Vater. Im Rahmen der nach § 1697a BGB vorzunehmenden Kindeswohlprüfung ist auch der Kindeswille beachtlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden kann.
Auch die Rücksichtnahme auf den Willen der Jugendlichen bei sorgerechtlichen Entscheidungen spricht im vorliegenden Fall für die bessere Entscheidungskompetenz der Mutter. Denn Teil der elterlichen Sorge ist es nach § 1626 Abs. 2 BGB auch, dass die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen sollen. Dass der Vater dem Impfwunsch seiner heranwachsenden Tochter angemessenen Wert beimisst und hinreichende Beachtung schenkt, lässt seine grundsätzliche Ablehnung der Corona-Schutzimpfung für die Kinder nicht erkennen.
Mehr zum Thema:
Den Volltext der Entscheidung finden Sie in der Datenbank Otto Schmidt online.
Aktionsmodul Familienrecht
Online-Unterhaltsrechner. Mit den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle 2022! Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB Familien-Rechtsberater von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Brandenburg
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute und die Eltern der hier betroffenen 15-jährigen J. und des nahezu neunjährigen P. Die beiden Kinder haben ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt der Mutter und nehmen im 14-tägigen Rhythmus Wochenendumgang mit dem Vater wahr. Sie verbringen auch die Hälfte der Ferienzeit bei ihm.
Die Eltern sind nicht einig über die Frage, ob die gemeinsamen Kinder gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 geimpft werden sollen oder nicht. Die Mutter hat vorgetragen, die Kinder selbst wollten beide geimpft werden. Sie wolle mit ihrer Zustimmung zu einer Impfung den Schutz der Kinder gewährleisten und dass sie bei einer Erkrankung keinen schweren Verlauf erlitten und gegebenenfalls Folgeschäden abgewendet würden. Die Kinder litten sehr unter den Einschränkungen, denen sie ausgesetzt seien. Die Tochter werde in der Schule oft angesprochen, weil sie nicht geimpft sei.
Die Mutter hat beantragt, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung der Kinder gegen das Corona-Virus zu übertragen und den Antrag des Vaters, ihm die entsprechende Entscheidungsbefugnis allein zuzuweisen, abzuweisen. Das AG hat den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt und sie sowie die übrigen Beteiligten und den Verfahrensbeistand und die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes in einem Termin persönlich angehört. Daraufhin hat es der Mutter die Entscheidungsbefugnis über die Frage der Impfung gegen das Corona-Virus für beide Kinder übertragen und den entsprechenden Antrag des Vaters abgewiesen.
Das OLG hat die Entscheidung bestätigt.
Die Gründe:
Das AG hat die Entscheidungsbefugnis über die Frage, ob die Zustimmung zur Impfung der Kinder gegen das Corona-Virus SARS CoV-2 erteilt werden kann, gem. § 1628 S. 1 BGB zu Recht auf die Mutter übertragen.
Maßstab für die Entscheidung des Gerichts ist das Wohl des Kindes. Dies ergibt sich aus der Generalklausel des § 1697a BGB. Für die Entscheidung ist gem. § 1697a BGB maßgebend, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, wobei das Gericht nicht anstelle der Eltern eine eigene Sachentscheidung zu treffen hat. An diesem Maßstab sind die Vorstellungen der Eltern zu messen. Beide Eltern haben - insoweit übereinstimmend geäußert - durch ihre jeweilige Entscheidung die Kinder vor Schaden bewahren zu wollen.
Die Mutter will durch die Impfung Schaden abwenden, der den Kindern durch eine Erkrankung, durch drohende Isolation bei möglichen künftig zu erwartenden Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen für ungeimpfte Kinder und Jugendliche und durch sozialen Druck aus dem persönlichen Umfeld drohen könnte, welches sich ausschließlich bzw. vorwiegend aus geimpften Personen zusammensetze. Der Vater will die Kinder vor Schäden bewahren, die ihnen infolge unerwünschter Impfwirkungen drohen könnten und die aus seiner Sicht nicht im Verhältnis zu den tatsächlich aus einer Infektion resultierenden Gefahren stünden.
Nach Abwägung der von den Eltern jeweils als Begründung für ihre zu treffende Entscheidung angeführten Gründe bietet die Mutter die bessere Gewähr, ihre Entscheidung auf valide Tatsachen zu stützen und konkret am Wohl der beiden hier betroffenen Kinder zu orientieren als der Vater. Im Rahmen der nach § 1697a BGB vorzunehmenden Kindeswohlprüfung ist auch der Kindeswille beachtlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden kann.
Auch die Rücksichtnahme auf den Willen der Jugendlichen bei sorgerechtlichen Entscheidungen spricht im vorliegenden Fall für die bessere Entscheidungskompetenz der Mutter. Denn Teil der elterlichen Sorge ist es nach § 1626 Abs. 2 BGB auch, dass die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen sollen. Dass der Vater dem Impfwunsch seiner heranwachsenden Tochter angemessenen Wert beimisst und hinreichende Beachtung schenkt, lässt seine grundsätzliche Ablehnung der Corona-Schutzimpfung für die Kinder nicht erkennen.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie in der Datenbank Otto Schmidt online.
Aktionsmodul Familienrecht
Online-Unterhaltsrechner. Mit den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle 2022! Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB Familien-Rechtsberater von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!