Darlehen zur Tarnung einer Schmiergeldzahlung ist sittenwidrig
OLG Schleswig-Holstein v. 7.12.2021 - 7 U 53/19
Der Sachverhalt:
Ab Frühjahr 2014 fanden mehrere Gespräche über einen Immobilienerwerb zwischen dem Steuerberater und heutigen Geschäftsführer der Klägerin sowie dem Zeugen S., einem Kaufmann, statt. Mindestens zwei Firmen des S. wurden seinerzeit von der Klägerin steuerlich beraten. Der S. war damals geschäftsführender Gesellschafter der T. GmbH & Co. KG. Die Firma war damals praktisch zahlungsunfähig. Sowohl für seine Geschäfte als auch privat benötigte S. dringend Geld.
Zu einem Verkauf eines direkt an der Schlei gelegenen und weitgehend unbebauten Grundstücks war S. nur gegen Barzahlung von 50.000 € an ihn persönlich bereit. Diese Forderung sowie die prekäre finanzielle Situation waren damals allseits bekannt. Infolgedessen kam es zwischen der Klägerin und S. zu einer Verständigung über die gewünschte Barzahlung. Im September 2014 kaufte der Geschäftsführer der Klägerin das Teilgrundstück des S. (2.714 m²) für insgesamt 407.100 €.
Drei Tage später vereinbarten die Klägerin als Darlehensgeberin und die Beklagte als Darlehensnehmerin mit privatschriftlicher Urkunde ein bis zum 31.12.2016 befristetes Darlehen über 50.000 €, das mit 3 % jährlich verzinst werden sollte. In der Privaturkunde hat S. durch eigenhändige Unterschrift den Empfang des Bargeldes quittiert. Alle Beteiligten waren damit einverstanden, dass S. das Bargeld erhalten sollte.
Die Klägerin behauptete, ihr Geschäftsführer sei zu Schwarzgeld- oder Schmiergeldzahlungen an den S. nie bereit gewesen, sie habe auch dem S. unmittelbar kein Darlehen geben wollen. Vielmehr sei zwischen den Parteien tatsächlich ein Darlehensvertrag gewollt gewesen und auch abgeschlossen worden. Die Darlehenszahlung sei - jedenfalls bei der Klägerin - bilanztechnisch ordnungsgemäß erfasst und verbucht worden. Die Beklagte war der Ansicht, bei dem Darlehensvertrag aus September 2014 habe es sich um ein nichtiges Scheingeschäft gehandelt.
Das LG hat der Zahlungsklage i.H.v. 50.000 € stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar musste das Berufungsgericht nach erfolgreicher Revision der Klägerin nochmals verhandeln. Es blieb allerdings bei dem klageabweisendem Urteil.
Die Gründe:
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zuzüglich Zinsen aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
Zwar ist der Darlehensbetrag der Beklagten zugeflossen und der Vertrag stellt auch kein nichtiges Scheingeschäft dar. Denn ein bloßes Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen. Wer sich auf die Nichtigkeit beruft, trägt für den Scheincharakter des Geschäfts die Beweislast. Diesen Beweis hat die Beklagte allerdings nicht erbracht. Vielmehr stellte sie selbst die Eingehung einer Darlehensvereinbarung nicht gänzlich in Abrede.
Der Vertrag ist aber wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Ein "Darlehensvertrag", der lediglich eine Schmiergeldzahlung tarnen soll, ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zuwendungen an Geschäftsführer zum Zwecke einer Bevorzugung beim Abschluss von Verträgen verstoßen gegen die einfachsten und grundlegenden Gesetze des geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitte. Es handelt sich um eine zu "missbilligende Kommerzialisierung". Zu missbilligen sind dabei allein schon die Verquickung von eigennützigen Interessen des Geschäftsführers mit denjenigen der von ihm vertretenen Gesellschaft, der darin liegende Missbrauch des dem Vertreter gewährten Vertrauens und die hiervon ausgehenden Gefahren.
Nach diesen Maßstäben liegt hier eine sittenwidrige Schmiergeldzahlung vor. Diese zu tarnen war - neben der vorgenannten Sicherungsfunktion - Sinn und Zweck der Vereinbarung des Darlehensvertrags. Mithin erfasst der Makel der Sittenwidrigkeit der Schmiergeldabrede auch den Darlehensvertrag aus September 2014 mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB. Der Senat ist hier i.S.v. § 286 ZPO vom Vorliegen einer Schmiergeldabrede und -zahlung, die mithilfe des Darlehensvertrags getarnt werden sollte, überzeugt. Grundsätzlich ist die Würdigung, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist, Sache des Tatrichters, der nach § 286 ZPO unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden hat.
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Landesrecht Schleswig-Holstein
Ab Frühjahr 2014 fanden mehrere Gespräche über einen Immobilienerwerb zwischen dem Steuerberater und heutigen Geschäftsführer der Klägerin sowie dem Zeugen S., einem Kaufmann, statt. Mindestens zwei Firmen des S. wurden seinerzeit von der Klägerin steuerlich beraten. Der S. war damals geschäftsführender Gesellschafter der T. GmbH & Co. KG. Die Firma war damals praktisch zahlungsunfähig. Sowohl für seine Geschäfte als auch privat benötigte S. dringend Geld.
Zu einem Verkauf eines direkt an der Schlei gelegenen und weitgehend unbebauten Grundstücks war S. nur gegen Barzahlung von 50.000 € an ihn persönlich bereit. Diese Forderung sowie die prekäre finanzielle Situation waren damals allseits bekannt. Infolgedessen kam es zwischen der Klägerin und S. zu einer Verständigung über die gewünschte Barzahlung. Im September 2014 kaufte der Geschäftsführer der Klägerin das Teilgrundstück des S. (2.714 m²) für insgesamt 407.100 €.
Drei Tage später vereinbarten die Klägerin als Darlehensgeberin und die Beklagte als Darlehensnehmerin mit privatschriftlicher Urkunde ein bis zum 31.12.2016 befristetes Darlehen über 50.000 €, das mit 3 % jährlich verzinst werden sollte. In der Privaturkunde hat S. durch eigenhändige Unterschrift den Empfang des Bargeldes quittiert. Alle Beteiligten waren damit einverstanden, dass S. das Bargeld erhalten sollte.
Die Klägerin behauptete, ihr Geschäftsführer sei zu Schwarzgeld- oder Schmiergeldzahlungen an den S. nie bereit gewesen, sie habe auch dem S. unmittelbar kein Darlehen geben wollen. Vielmehr sei zwischen den Parteien tatsächlich ein Darlehensvertrag gewollt gewesen und auch abgeschlossen worden. Die Darlehenszahlung sei - jedenfalls bei der Klägerin - bilanztechnisch ordnungsgemäß erfasst und verbucht worden. Die Beklagte war der Ansicht, bei dem Darlehensvertrag aus September 2014 habe es sich um ein nichtiges Scheingeschäft gehandelt.
Das LG hat der Zahlungsklage i.H.v. 50.000 € stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar musste das Berufungsgericht nach erfolgreicher Revision der Klägerin nochmals verhandeln. Es blieb allerdings bei dem klageabweisendem Urteil.
Die Gründe:
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zuzüglich Zinsen aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
Zwar ist der Darlehensbetrag der Beklagten zugeflossen und der Vertrag stellt auch kein nichtiges Scheingeschäft dar. Denn ein bloßes Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen. Wer sich auf die Nichtigkeit beruft, trägt für den Scheincharakter des Geschäfts die Beweislast. Diesen Beweis hat die Beklagte allerdings nicht erbracht. Vielmehr stellte sie selbst die Eingehung einer Darlehensvereinbarung nicht gänzlich in Abrede.
Der Vertrag ist aber wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Ein "Darlehensvertrag", der lediglich eine Schmiergeldzahlung tarnen soll, ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zuwendungen an Geschäftsführer zum Zwecke einer Bevorzugung beim Abschluss von Verträgen verstoßen gegen die einfachsten und grundlegenden Gesetze des geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitte. Es handelt sich um eine zu "missbilligende Kommerzialisierung". Zu missbilligen sind dabei allein schon die Verquickung von eigennützigen Interessen des Geschäftsführers mit denjenigen der von ihm vertretenen Gesellschaft, der darin liegende Missbrauch des dem Vertreter gewährten Vertrauens und die hiervon ausgehenden Gefahren.
Nach diesen Maßstäben liegt hier eine sittenwidrige Schmiergeldzahlung vor. Diese zu tarnen war - neben der vorgenannten Sicherungsfunktion - Sinn und Zweck der Vereinbarung des Darlehensvertrags. Mithin erfasst der Makel der Sittenwidrigkeit der Schmiergeldabrede auch den Darlehensvertrag aus September 2014 mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB. Der Senat ist hier i.S.v. § 286 ZPO vom Vorliegen einer Schmiergeldabrede und -zahlung, die mithilfe des Darlehensvertrags getarnt werden sollte, überzeugt. Grundsätzlich ist die Würdigung, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist, Sache des Tatrichters, der nach § 286 ZPO unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden hat.
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