Das Anerkenntnis ohne besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen und die Rechtsfolgen
OLG Brandenburg v. 23.6.2021 - 13 UF 83/19
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten hatten sich 2004 kennen gelernt und sind ein Paar geworden. Am 5.7.2007 haben sie gemeinsam einen Mietvertrag über eine zur Wohnung unterzeichnet. Zum 1.8.2007 zog jedenfalls die Antragstellerin mit ihren beiden damals noch minderjährigen Kindern in die Wohnung ein und blieb dort bis zum 31.5.2013 wohnen. Die Mietverbindlichkeiten und sonstigen Lebenshaltungskosten hat sie allein beglichen.
Am 10.4.2013 haben die Beteiligten erneut gemeinsam als Mieter einen Mietvertrag über eine Wohnung unterschrieben. Die Wohnung wurde am 28.5.2013 an beide Beteiligte übergeben. Erstmals am 4.3.2015 hat der Antragsgegner an die Antragstellerin einen Betrag von 250 € mit dem Verwendungszweck "laufende Kosten" überwiesen. Ab diesem Zeitpunkt hat er bis einschließlich Mai 2017 monatliche Zahlungen in dieser Höhe, sowie zwei weitere Zahlungen i.H.v. je 1.000 € am 18.9. und am 1.12.2015, insgesamt 8.750 €, an die Antragstellerin geleistet. Am 5.8.2016 hat der Antragsgegner die Beziehung zur Antragstellerin beendet.
Die Antragstellerin hat behauptet, die Beteiligten hätten in der ersten angemieteten Wohnung ihre nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet. Sie hätten vor Abschluss des Mietvertrags vereinbart, die Mietkosten und Lebenshaltungskosten hälftig zu teilen. Der Antragsgegner hat behauptet, er hätte mit der Antragstellerin nie in einer ehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Es habe sich zwischen ihnen, die zu Beginn der Beziehung jeweils mit anderen Partnern verheiratet gewesen seien, eine Liebesbeziehung entwickelt. Er habe den neuen Mietvertrag für die Wohnung, die die Antragstellerin mit ihren Kindern bewohnt hat, mit unterschrieben, weil die Antragstellerin befürchtet habe, der neue Vermieter würde ihre Bonität anzweifeln. In die Wohnung sei er aber nie eingezogen.
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner im Hinblick auf seinen Anteil an der Miete zwischen 2007 und 2016 eine Forderungsaufstellung von rund 32.325 € übersandt. Die im Zeitraum von März 2015 bis August 2016 geleisteten Zahlungen waren darin berücksichtigt. Der Antragsgegner leistete keine Zahlung. Durch verschiedene elektronische Kurznachrichten hat er die Antragstellerin um Zahlungsaufschub gebeten. Mit handschriftlich unterzeichnetem Schreiben vom 24.11.2016 hat er der Anwältin der Antragstellerin gegenüber erklärt:
"(...) hiermit bestätige ich Ihnen die Kostenzusammenstellung über 32.325 € aus Ihrem Schreiben vom 17.9.2016.
(...) Wie bereits im Schriftverkehr per SMS dargelegt, kann ich ab Anfang März 2017 auf finanzielle Mittel zurückgreifen. Sobald mir diese zur Verfügung stehen werde ich die Überweisung auf Ihr Konto vornehmen. Diese erfolgt dann umgehend bis spätestens zum 10.3.2017."
Das AG der Antragstellerin 26.325 € zuerkannt, weil der Antragsgegner die Forderung der Antragstellerin durch sein Schreiben vom 24.11.2016 zweifelsfrei i.S.d. §§ 780 ff. BGB anerkannt habe. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG den Beschluss abgeändert und den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin 3.791 € zu zahlen.
Die Gründe:
Die vom Antragsgegner am 24.11.2016 abgegebene schriftliche Erklärung ist rechtlich nicht als abstraktes Schuldversprechen i.D.d. §§ 780, 781 BGB zu qualifizieren, also als ein einseitig verpflichtender abstrakter Schuldvertrag, der auf das Bestehen eines Schuldverhältnisses gerichtet ist, wobei das Schuldanerkenntnis nach dem Willen der Beteiligten die Verpflichtung selbstständig begründen soll. Das bedeutet, dass die Verpflichtung von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen abgelöst und allein auf den Leistungswillen des Versprechenden gegründet sein soll, sodass der Gläubiger sich zur Begründung seines Anspruchs nur auf das Versprechen oder Anerkenntnis zu berufen braucht.
Daran fehlt es hier. Die Erklärung vom 24.11.2016 bezieht sich ausdrücklich auf das Schreiben der Antragstellerin vom 17.9.2016, in dem sie die Grundlage ihrer Ansprüche und seiner Schuld aus ihrer Sicht dargelegt hat. Dem ist der Antragsgegner mit seiner Erklärung nicht entgegengetreten. Dass er eine von diesem Schuldgrund unabhängige Verpflichtung schaffen wollte, liegt indes fern und wurde von der Antragstellerin auch nie behauptet.
Es handelt sich auch nicht um ein - im BGB nicht geregeltes - kausales (auch deklaratorisches) Anerkenntnis, das bezwecken würde, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen, und das dem anerkennenden Schuldner Einwendungen gegen seine Schuld in einem jeweils näher zu ermittelnden Umfang abschnitte. Es ist weder vorgetragen noch soweit ersichtlich, dass der Antragsgegner oder die Antragstellerin im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung über die Verpflichtung des Antragsgegners aus dem Gesamtschuldverhältnis oder die Richtigkeit der Höhe der von der Antragstellerin aufgemachten Rechnung oder rechtlich erhebliche Punkte des Schuldverhältnisses uneins oder im Zweifel waren. Ungewissheit bestand auf Seiten der Antragstellerin lediglich hinsichtlich der inneren Tatsache der Zahlungsbereitschaft des Antragsgegners. Diese Ungewissheit wollte der Antragsgegner grundsätzlich ausräumen, wobei es ihm auf einen Zahlungsaufschub ankam.
Neben dem "abstrakten" Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und dem im BGB nicht geregelten bestätigenden (vertraglichen) Schuldanerkenntnis im vorbezeichneten Sinne gibt es - praktisch bedeutsam - noch einen dritten Grundtatbestand, nämlich ein Anerkenntnis, das keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners verkörpert, das der Schuldner vielmehr zu dem Zweck abgibt, dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch etwa von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder dem Gläubiger den Beweis zu erleichtern. Die Beteiligten treffen damit keine rechtsgeschäftliche Regelung, und zwar auch dann nicht, wenn das Anerkenntnis vom Gegner "akzeptiert" worden ist. Vielmehr ist das einseitige Anerkenntnis nicht Willens-, sondern bloße Wissenserklärung bzw. Vorstellungsäußerung: Der Schuldner will sich nicht verpflichten, sondern bekundet seine Überzeugung vom Bestehen seiner Verpflichtung oder vom Vorliegen bestimmter Tatsachen; eine (neue) rechtliche Bindung geht er damit nicht ein, er will auch keine Meinungsverschiedenheit über das Schuldverhältnis dem Streit entziehen. Daraus folgt, dass das einseitige Anerkenntnis jederzeit widerruflich ist, ohne dass etwa eine Irrtumsanfechtung gem. § 119 BGB oder eine Kondiktion erforderlich wäre.
Um ein solches einseitiges nichtrechtsgeschäftliches Anerkenntnis handelt es sich hier. Inhaltlich nimmt es Bezug auf das Schreiben der Antragstellerin vom 17.9.2016, in dem diese den vom Antragsgegner zu tragenden Anteil an den Mietkosten für die beiden gemeinsam angemieteten Wohnungen ausgerechnet und dessen Zahlung verlangt hatte. Insofern hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner lediglich einen Anspruch auf Gesamtschuldnerinnenausgleich, § 426 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB. Der Anspruch besteht nur im Hinblick auf Forderungen, die seit dem 1.1.2013 entstanden sind. Der auf Forderungen bis zum 31.12.2012 bezogene Verjährungseinwand greift durch.
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Den Volltext der Entscheidung finden Sie in der Datenbank Otto Schmidt online.
Landesrecht Brandenburg
Die Beteiligten hatten sich 2004 kennen gelernt und sind ein Paar geworden. Am 5.7.2007 haben sie gemeinsam einen Mietvertrag über eine zur Wohnung unterzeichnet. Zum 1.8.2007 zog jedenfalls die Antragstellerin mit ihren beiden damals noch minderjährigen Kindern in die Wohnung ein und blieb dort bis zum 31.5.2013 wohnen. Die Mietverbindlichkeiten und sonstigen Lebenshaltungskosten hat sie allein beglichen.
Am 10.4.2013 haben die Beteiligten erneut gemeinsam als Mieter einen Mietvertrag über eine Wohnung unterschrieben. Die Wohnung wurde am 28.5.2013 an beide Beteiligte übergeben. Erstmals am 4.3.2015 hat der Antragsgegner an die Antragstellerin einen Betrag von 250 € mit dem Verwendungszweck "laufende Kosten" überwiesen. Ab diesem Zeitpunkt hat er bis einschließlich Mai 2017 monatliche Zahlungen in dieser Höhe, sowie zwei weitere Zahlungen i.H.v. je 1.000 € am 18.9. und am 1.12.2015, insgesamt 8.750 €, an die Antragstellerin geleistet. Am 5.8.2016 hat der Antragsgegner die Beziehung zur Antragstellerin beendet.
Die Antragstellerin hat behauptet, die Beteiligten hätten in der ersten angemieteten Wohnung ihre nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet. Sie hätten vor Abschluss des Mietvertrags vereinbart, die Mietkosten und Lebenshaltungskosten hälftig zu teilen. Der Antragsgegner hat behauptet, er hätte mit der Antragstellerin nie in einer ehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Es habe sich zwischen ihnen, die zu Beginn der Beziehung jeweils mit anderen Partnern verheiratet gewesen seien, eine Liebesbeziehung entwickelt. Er habe den neuen Mietvertrag für die Wohnung, die die Antragstellerin mit ihren Kindern bewohnt hat, mit unterschrieben, weil die Antragstellerin befürchtet habe, der neue Vermieter würde ihre Bonität anzweifeln. In die Wohnung sei er aber nie eingezogen.
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner im Hinblick auf seinen Anteil an der Miete zwischen 2007 und 2016 eine Forderungsaufstellung von rund 32.325 € übersandt. Die im Zeitraum von März 2015 bis August 2016 geleisteten Zahlungen waren darin berücksichtigt. Der Antragsgegner leistete keine Zahlung. Durch verschiedene elektronische Kurznachrichten hat er die Antragstellerin um Zahlungsaufschub gebeten. Mit handschriftlich unterzeichnetem Schreiben vom 24.11.2016 hat er der Anwältin der Antragstellerin gegenüber erklärt:
"(...) hiermit bestätige ich Ihnen die Kostenzusammenstellung über 32.325 € aus Ihrem Schreiben vom 17.9.2016.
(...) Wie bereits im Schriftverkehr per SMS dargelegt, kann ich ab Anfang März 2017 auf finanzielle Mittel zurückgreifen. Sobald mir diese zur Verfügung stehen werde ich die Überweisung auf Ihr Konto vornehmen. Diese erfolgt dann umgehend bis spätestens zum 10.3.2017."
Das AG der Antragstellerin 26.325 € zuerkannt, weil der Antragsgegner die Forderung der Antragstellerin durch sein Schreiben vom 24.11.2016 zweifelsfrei i.S.d. §§ 780 ff. BGB anerkannt habe. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG den Beschluss abgeändert und den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin 3.791 € zu zahlen.
Die Gründe:
Die vom Antragsgegner am 24.11.2016 abgegebene schriftliche Erklärung ist rechtlich nicht als abstraktes Schuldversprechen i.D.d. §§ 780, 781 BGB zu qualifizieren, also als ein einseitig verpflichtender abstrakter Schuldvertrag, der auf das Bestehen eines Schuldverhältnisses gerichtet ist, wobei das Schuldanerkenntnis nach dem Willen der Beteiligten die Verpflichtung selbstständig begründen soll. Das bedeutet, dass die Verpflichtung von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen abgelöst und allein auf den Leistungswillen des Versprechenden gegründet sein soll, sodass der Gläubiger sich zur Begründung seines Anspruchs nur auf das Versprechen oder Anerkenntnis zu berufen braucht.
Daran fehlt es hier. Die Erklärung vom 24.11.2016 bezieht sich ausdrücklich auf das Schreiben der Antragstellerin vom 17.9.2016, in dem sie die Grundlage ihrer Ansprüche und seiner Schuld aus ihrer Sicht dargelegt hat. Dem ist der Antragsgegner mit seiner Erklärung nicht entgegengetreten. Dass er eine von diesem Schuldgrund unabhängige Verpflichtung schaffen wollte, liegt indes fern und wurde von der Antragstellerin auch nie behauptet.
Es handelt sich auch nicht um ein - im BGB nicht geregeltes - kausales (auch deklaratorisches) Anerkenntnis, das bezwecken würde, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen, und das dem anerkennenden Schuldner Einwendungen gegen seine Schuld in einem jeweils näher zu ermittelnden Umfang abschnitte. Es ist weder vorgetragen noch soweit ersichtlich, dass der Antragsgegner oder die Antragstellerin im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung über die Verpflichtung des Antragsgegners aus dem Gesamtschuldverhältnis oder die Richtigkeit der Höhe der von der Antragstellerin aufgemachten Rechnung oder rechtlich erhebliche Punkte des Schuldverhältnisses uneins oder im Zweifel waren. Ungewissheit bestand auf Seiten der Antragstellerin lediglich hinsichtlich der inneren Tatsache der Zahlungsbereitschaft des Antragsgegners. Diese Ungewissheit wollte der Antragsgegner grundsätzlich ausräumen, wobei es ihm auf einen Zahlungsaufschub ankam.
Neben dem "abstrakten" Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und dem im BGB nicht geregelten bestätigenden (vertraglichen) Schuldanerkenntnis im vorbezeichneten Sinne gibt es - praktisch bedeutsam - noch einen dritten Grundtatbestand, nämlich ein Anerkenntnis, das keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners verkörpert, das der Schuldner vielmehr zu dem Zweck abgibt, dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch etwa von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder dem Gläubiger den Beweis zu erleichtern. Die Beteiligten treffen damit keine rechtsgeschäftliche Regelung, und zwar auch dann nicht, wenn das Anerkenntnis vom Gegner "akzeptiert" worden ist. Vielmehr ist das einseitige Anerkenntnis nicht Willens-, sondern bloße Wissenserklärung bzw. Vorstellungsäußerung: Der Schuldner will sich nicht verpflichten, sondern bekundet seine Überzeugung vom Bestehen seiner Verpflichtung oder vom Vorliegen bestimmter Tatsachen; eine (neue) rechtliche Bindung geht er damit nicht ein, er will auch keine Meinungsverschiedenheit über das Schuldverhältnis dem Streit entziehen. Daraus folgt, dass das einseitige Anerkenntnis jederzeit widerruflich ist, ohne dass etwa eine Irrtumsanfechtung gem. § 119 BGB oder eine Kondiktion erforderlich wäre.
Um ein solches einseitiges nichtrechtsgeschäftliches Anerkenntnis handelt es sich hier. Inhaltlich nimmt es Bezug auf das Schreiben der Antragstellerin vom 17.9.2016, in dem diese den vom Antragsgegner zu tragenden Anteil an den Mietkosten für die beiden gemeinsam angemieteten Wohnungen ausgerechnet und dessen Zahlung verlangt hatte. Insofern hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner lediglich einen Anspruch auf Gesamtschuldnerinnenausgleich, § 426 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB. Der Anspruch besteht nur im Hinblick auf Forderungen, die seit dem 1.1.2013 entstanden sind. Der auf Forderungen bis zum 31.12.2012 bezogene Verjährungseinwand greift durch.
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