14.02.2022

Das Duzen unter Parteifreunden muss geduldet werden

Wenn jemand in eine Gewerkschaft oder in eine politische Partei in Deutschland eintritt, muss er sich insofern in der Regel auch gefallen lassen, dass er dann von seinen Parteigenossinnen und Parteigenossen geduzt wird.

AG Brandenburg v. 28.12.2021 - 31 C 148/21
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist wie der Antragsgegner Mitglied in derselben politischen Partei. Dort wollte der Antragsteller vom Antragsgegner nicht mehr mit "Du" angesprochen werden. Er entschied sich auf Unterlassung zu klagen und beantragte für das Verfahren Prozesskostenhilfe.

Das AG hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Die Gründe:
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint zudem auch mutwillig.

Die Klage ist bereits unzulässig, weil gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BbgSchlG die Erhebung einer Klage in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, vor den Amtsgerichten erst dann zulässig ist, nachdem von einer der in § 3 BbgSchlG genannten Gütestellen zuvor versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Dies ist hier aber gerade nicht erfolgt.

Dem Antragsteller steht gegenüber dem Antragsgegner im Übrigen zudem auch kein Anspruch zu, es zu unterlassen, ihn als Mitglied derselben Partei mit "Du" anzusprechen. Zwar ist ihm noch darin zu folgen, dass im deutschen Kulturkreis ein Selbstbestimmungsrecht des (erwachsenen) Individuums anzuerkennen ist, zu wählen, in welcher Weise es angeredet werden will. Denn bekanntermaßen existieren zwei mögliche Anredeformen in Deutschland, das "Du" und das "Sie", die in der Regel mit der Anrede beim Vornamen oder Nachnamen korrespondieren. Es mag auch sein, dass sich ein Bürger nicht gefallen lassen muss, sich von Amtsträgern duzen zu lassen, wenn dies als Verletzung der Personenwürde des solcherart Angsprochenen angesehen und daher als Verstoß gegen Art. 1 GG gewertet werden könnte. Eine solche Frage stellt sich hier jedoch nicht. Denn das Selbstbestimmungsrecht hat relativ enge Grenzen; es ist eingebettet in diejenigen Gebräuche, die im jeweiligen Beziehungskreis des Betroffenen üblich sind.

Bei der Auslegung der Anrede "Du" ist von deren objektivem Sinngehalt (Erklärungsinhalt) auszugehen, wie ihn ein unbefangener verständiger Dritter verstehen musste. So duzen sich Studenten in Deutschland untereinander oft. Insoweit ist das Anredeselbstbestimmungsrecht auch kein absolutes Recht. Das "Solidaritäts-Du" hat sich insbesondere aus der französischen Revolutionen heraus auch bis auf die heutigen Gewerkschafts- und Parteitage sowie Vereins-Sitzungen durchgesetzt. Infolgedessen muss sich jemand, der in eine Gewerkschaft oder - wie hier - in eine politische Partei eintritt, üblicherweise gefallen lassen, dass er auch von seinen Parteigenossinnen und Parteigenossen geduzt wird.

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