22.07.2022

Der auf einen bekannten Sprachassistenten lautende Vorname eines Mädchens darf geändert werden

Eine Klägerin, deren Vorname mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten identisch ist, hat einen Anspruch auf Änderung ihres Vornamens.

VG Göttingen v. 21.6.2022 - 4 A 79/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrte die Änderung ihres Namens durch Hinzufügen eines zweiten Vornamens. Dies begründeten die Eltern der Klägerin damit, dass ihre Tochter aufgrund der Namensidentität ihres Vornamens mit dem Namen eines bekannten Sprachassistenten erheblich unter Mobbing und Hänseleien leide. Immer wieder würden andere Personen der Klägerin Befehle erteilen, da der Name sofort mit dem Namen des Sprachassistenten in Verbindung gebracht werde. Dies verunsichere und belaste die Klägerin seelisch sehr.

Die beklagte Stadt hielt dagegen, dass ein wichtiger Grund für die Namensänderung i.S.d. § 3 Abs. 1 NamÄndG nicht vorliege. Die seelische Belastung der Klägerin sei nicht durch ärztliche oder psychologische Gutachten belegt. Der Namensänderungswunsch beruhe vielmehr auf nachträglicher Reue der Eltern an der früheren Namensgebung und auf Mobbingbefürchtungen. Ein Produktname könne nicht automatisch zu einem Anspruch der vielen Inhaber gleichlautender Vornamen auf Namensänderung führen. Mit einiger Fantasie könne jeder Name ins Lächerliche gezogen werden.

In der mündlichen Verhandlung kam die Kammer zu der Überzeugung, dass die seelische Belastung der Klägerin ein wichtiger Grund für die Namensänderung i.S.d. § 3 Abs. 1 NamÄndG darstellt. Gegen die Entscheidung kann die Beklagte innerhalb eines Monats einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG stellen.

Die Gründe:
In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung dann vorliegt, wenn die privaten Interessen an der Namensänderung die öffentlichen Interessen an der Namensbeibehaltung überwiegen.

Auch eine seelische Belastung kann als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist. Dabei muss die seelische Belastung nicht den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreicht haben.

Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor. Die Eltern haben in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Vorfälle beschrieben, bei welchen die Klägerin aufgrund ihres Vornamens belästigt wurde. Dabei ist nachvollziehbar, dass es aufgrund dieser Vorfälle zu einer seelischen Belastung gekommen ist, der die Klägerin aufgrund ihres jungen Alters nichts entgegensetzen kann. Insgesamt ist zu erwarten, dass die Hänseleien auch in Zukunft weiter andauern werden.

Die Bekanntheit des Sprachassistenten und die Tatsache, dass es sich bei dem Namen des Sprachassistenten nicht nur um eine reine Produktbezeichnung handelt, sondern um das "Schlüsselwort" zur Nutzung des Geräts, führen dazu, dass der Name des Sprachassistenten in einem besonders herausragenden Maße missbrauchsgeeignet ist. Hier geht es um ein Gerät, dem durch die Voranstellung des Produktnamens Befehle erteilt werden. Der Name ist nicht bloß dazu geeignet, einen Wortwitz zu bilden, sondern lädt vielmehr dazu ein, beleidigende und erniedrigende Befehle an Personen mit dem gleichen Namen zu erteilen.

Im Ergebnis geht die Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin aus. Im vorliegenden Fall geht es nur um die Änderung eines Vornamens. Da der Familienname im weitergehenden Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient als der Vorname, kommt den öffentlichen Interessen bei der Änderung des Vornamens im Vergleich zu der Änderung eines Familiennamens ein geringeres Gewicht zu. Die Klägerin hat im Vorschulalter bisher nicht erheblich am Rechtsverkehr teilgenommen. Außerdem bleibt durch die Hinzufügung lediglich eines zweiten Vornamens ein gewisser "Wiedererkennungswert" beim Namen der Klägerin erhalten.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Entwicklungen im Statusrecht 2021
Wolfgang Keuter, FamRZ 2022, 237

Aufsatz:
Die öffentlich-rechtliche Namensänderung aufgrund einer seelischen Belastungslage
Oliver Horsky / Dorothee Fährmann, RpflStud 2021, 24

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VG Göttingen PM vom 21.7.2022
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