10.03.2020

Diesel-Abgasskandal: Subsidiaritätsgrundsatz bei Geltendmachung von Gehörsverstößen

Eine Zulassung der Revision wegen eines dem Berufungsgericht unterlaufenen Gehörsverstoßes kommt nicht in Betracht, wenn es der Beschwerdeführer versäumt hat, im Rahmen der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf einen Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts der nunmehr gerügten Gehörsverletzung entgegenzuwirken. Hierbei ist eine anwaltlich vertretene Partei auch gehalten, das Berufungsgericht auf von ihm bislang nicht beachtete höchstrichterliche Rechtsprechungsgrundsätze hinzuweisen.

BGH v. 28.1.2020 - VIII ZR 57/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Hinblick auf den Diesel-Abgasskandal bei der Daimler AG geltend gemacht, sein Auto verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung. Das OLG sah von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ab, weil der Kläger nicht schlüssig dargetan habe, wie er zu dieser Einschätzung gelangt sei, und weil es an jeglichen Anhaltspunkten für eine Abgasmanipulation fehle. Schließlich führe die im Internet abrufbare Liste der von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes betroffenen Fahrzeuge keine Fahrzeuge des betreffenden Herstellers auf.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Auch die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vor dem BGH blieb ohne Erfolg.

Gründe:
Die Beschwerde blieb erfolglos, weil der erstmals im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geltend gemachten Gehörsverletzung der Grundsatz der Subsidiarität entgegenstand.

Zwar hat der Kläger zu Recht geltend gemacht, dass die angefochtene Entscheidung in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hatte. Denn das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers zum Vorhandensein einer oder mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen zu Unrecht als unbeachtliche Behauptungen "ins Blaue hinein" gewertet und den hierfür angetretenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben, obwohl ein solches Vorgehen im Prozessrecht keine Stütze findet.

Einer Partei ist es grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Unbeachtlich ist eine Behauptung nur dann, wenn sie ohne jeglichen greifbaren Anhaltspunkt willkürlich ins Blaue hinein aufgestellt wird.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Behauptung vorgetragen, indem er auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart hingewiesen hatte, das ergeben habe, dass die Motoren des in seinem Fahrzeug verbauten Typs eine unzulässige Thermosoftware enthielten. Ein Einschreiten des Kraftfahrtbundesamts ist bei dieser Ausgangslage nicht zwingend erforderlich.

Dennoch war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, da der Kläger es versäumt hatte, den Gehörsverstoß bereits im Berufungsverfahren geltend zu machen. Eine Zulassung der Revision wegen eines dem Berufungsgericht unterlaufenen Gehörsverstoßes kommt nicht in Betracht, wenn es der Beschwerdeführer versäumt hat, im Rahmen der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf einen Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts der nunmehr gerügten Gehörsverletzung entgegenzuwirken. Hierbei ist eine anwaltlich vertretene Partei auch gehalten, das Berufungsgericht auf von ihm bislang nicht beachtete höchstrichterliche Rechtsprechungsgrundsätze hinzuweisen.

Im vorliegenden Fall war für den Kläger aus dem gem. § 522 Abs. 2 ZPO erteilten Hinweis ersichtlich, dass das OLG seinen Vortrag für unbeachtlich hielt. Deshalb hätte er das OLG innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beachtlichkeit eines Beweisangebots in solchen Fällen hinweisen müssen.
BGH online
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