03.04.2018

Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am Gemeinschaftseigentum unterliegt nicht dem Vorbefassungsgebot

Die Durchführung eines gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am Gemeinschaftseigentum setzt nicht voraus, dass der Antragsteller sich zuvor um eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Mängeln bemüht hat.

BGH 14.3.2018, V ZB 131/17
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Über der Wohnung der Antragsteller befindet sich das Dachgeschoss, welches nachträglich ausgebaut wurde. Von dem Bauträger beauftragte Messungen kamen hinsichtlich der Frage, ob bei dem Ausbau die Anforderungen an die Trittschalldämmung eingehalten wurden, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auf einer Eigentümerversammlung wurde der von den Antragstellern eingebrachte Antrag, den Bauträger wegen etwaiger Mängel des Dachgeschossausbaus in Anspruch zu nehmen, abgelehnt. Der weitere Antrag, zur Vorbereitung dieser Ansprüche ein Gutachten einzuholen, wurde nicht zur Abstimmung gebracht.

Die Antragsteller beantragten daher im Wege eines selbstständigen Beweisverfahrens die sachverständige Feststellung von Mängeln des Trittschallschutzes gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern, um diese sodann ggf. auf Beseitigung von Mängeln in Anspruch zu nehmen.

Das AG verwarf den Antrag als unzulässig. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das LG zurück. Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der Beschlüsse des AG und des LG sowie zur Zurückverweisung der Sache an das AG zur erneuten Entscheidung über den Antrag.

Die Gründe:
Die Durchführung eines gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am Gemeinschaftseigentum setzt nicht voraus, dass der antragstellende Wohnungseigentümer sich zuvor um eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln bemüht hat.

Entgegen der Ansicht des LG fehlt es dem Antragsteller nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn er sich nicht zuvor um eine Beschlussfassung bemüht hat. Der Grundsatz, dass für die Beschlussfassung der ordnungsgemäßen Verwaltung gem. § 21 Abs. 1 und 3, § 23 Abs. 1 WEG die Eigentümerversammlung zuständig ist, gilt nicht für den gegen Antrag eines Wohnungseigentümers auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am Gemeinschaftseigentum. Eine Vorbefassung der Wohnungseigentümer ist in diesem Fall nicht erforderlich. Denn nach § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO reicht es für die Beantragung eines Sachverständigengutachtens aus, wenn die Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass die Ursache des Mangels festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist dabei bereits anzunehmen, wenn die Feststellung - wie hier - der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Es kann nur in völlig eindeutigen Fällen verneint werden. Ansonsten würde die Funktion des Verfahrens, die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten, erheblich entwertet werden.

Das rechtliche Interesse ist bei unterbliebener Vorbefassung auch nicht aus wohnungseigentumsrechtlichen Erwägungen zu verneinen. Zwar gehört zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG und auch die Vorbereitung der erforderlichen Maßnahmen. Aber ein Antrag auf gerichtliche Beweiserhebung erschöpft sich weder in der Vorbereitung einer Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme noch wird durch das Beweisverfahren die Entscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Art und Weise und den Umfang der Maßnahme vorweggenommen. Die Befugnisse der Wohnungseigentümer werden nicht beeinträchtigt. Das selbstständige Beweisverfahren hat lediglich die Aufklärung von Tatsachen zum Gegenstand. Es dient der Vermeidung eines Rechtsstreits und steht nach § 493 Abs. 1 ZPO einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich. Es dient der Sicherung von Beweismitteln. Dies alles lässt sich mit einem Privatgutachten nicht gleichermaßen bewirken. Es gewährleistet zudem eine höhere Akzeptanz des Ergebnisses als bei Einholung eines privaten Gutachtens.

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