20.03.2025

Economy statt First Class: Zum Anspruch aus Art. 10 FluggastrechteVO wegen Herabstufung

Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO findet bei einer aus mehreren Flügen bestehenden Beförderung nur auf diejenigen Flüge Anwendung, auf denen der Fluggast in eine niedrigere Klasse verlegt worden ist, nicht hingegen auf andere Flüge, zu denen der Flugschein den Fluggast ebenfalls berechtigt. Schuldner eines Anspruchs aus Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO ist nur dasjenige Luftfahrtunternehmen, das den von der Herabstufung betroffenen Flug durchführt.

BGH v. 5.11.2024 - X ZR 10/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung wegen einer Herabstufung nach Art. 10 FluggastrechteVO in Anspruch. Der Kläger buchte bei der D. L. Flüge von München über Warschau, Frankfurt und Newark nach Orlando und von Orlando über Chicago, Zürich und Warschau nach München. Der Flug von Orlando nach Chicago sollte von U. ausgeführt werden, der Flug von Chicago nach Zürich von der Beklagten. Für beide Flüge war der Kläger in der First Class gebucht.

Wegen Verspätung des vorgesehenen Flugs von Orlando nach Chicago nahm U. eine Umbuchung vor und beförderte den Kläger von Orlando über Newark nach Zürich. Auf der Teilstrecke von Orlando nach Newark wurde der Kläger in der Economy Class befördert, auf der Teilstrecke von Newark nach Zürich in der Business Class. Der ursprünglich gebuchte Flug von Chicago nach Zürich fand planmäßig statt.

AG und LG wiesen die auf Zahlung von rd. 1.100 € gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat die Beklagte zu Recht als nicht passivlegitimiert angesehen.

Nach Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO hat ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einen bestimmten Prozentsatz des Preises des Flugscheins zu ersetzen, wenn es einen Fluggast in eine niedrigere Klasse verlegt als diejenige, für die der Flugschein erworben wurde. Nach der vom LG zitierten Rechtsprechung des EuGH findet Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO bei einer aus mehreren Flügen bestehenden Beförderung nur auf diejenigen Flüge Anwendung, auf denen der Fluggast in eine niedrigere Klasse verlegt worden ist, nicht hingegen auf andere Flüge, zu denen der Flugschein den Fluggast ebenfalls berechtigt. Die nach Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO auszugleichende Unannehmlichkeit besteht nämlich darin, dass dem Fluggast nicht der Komfort geboten wird, der der auf seinem Flugschein angegebenen Klasse entspricht. Maßgeblich hierfür ist jeweils ein bestimmter Flug, nicht hingegen die Beförderung des Fluggasts insgesamt.

Hieraus hat das LG zu Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass Schuldner eines Anspruchs aus Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO nur dasjenige Luftfahrtunternehmen ist, das den von der Herabstufung betroffenen Flug durchführt. Nach Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen zur teilweisen Erstattung des Preises verpflichtet, wenn es einen Fluggast in eine niedrigere Klasse verlegt. Da die Frage, ob ein solcher Anspruch gegeben ist, nach der aufgezeigten Rechtsprechung des EuGH für jede Teilstrecke gesondert zu beurteilen ist, kommt als Schuldner nur das ausführende Luftfahrtunternehmen für die jeweilige Teilstrecke in Betracht. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH zu Ausgleichsansprüchen nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 FluggastrechteVO im Falle einer einheitlichen Buchung keine abweichende Beurteilung.

Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung stellt im Zusammenhang mit Ausgleichsansprüchen wegen Annullierung oder Verspätung ein Flug mit einmaligem oder mehrmaligem Umsteigen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, eine Gesamtheit dar, so dass die Anwendbarkeit der Verordnung unter Berücksichtigung des ersten Abflugorts und des Endziels des Flugs zu beurteilen ist. Wie der EuGH ausgeführt hat, gilt dies jedoch nur für die Zwecke des Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 FluggastrechteVO. Im Zusammenhang mit Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO sind die einzelnen Teilstrecken hingegen auch im Falle einer einheitlichen Buchung jeweils gesondert zu betrachten. Dies ist konsequent, weil für einen Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 FluggastrechteVO die Verspätung am Endziel von entscheidender Bedeutung ist, während Art. 10 Abs. 2 FluggastrechteVO nur den Ausgleich von Unannehmlichkeiten auf den jeweils betroffenen Teilstrecken vorsieht.

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Aufsatz
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO in den Jahren 2023/24
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2024, 1209

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