25.01.2023

Ehe oder Scheinehe?

Die bloße Zahlung eines monatlichen Betrages an die Antragstellerin begründet an sich bereits keinen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine solche setzt vielmehr die wechselseitige Übernahme persönlicher Verantwortung voraus.

AG Frankenthal v. 27.12.2022 - 71 F 11/22
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten hatten 2020 in Deutschland geheiratet. Die Antragstellerin ist deutsche Staatsangehörige, der Antragsgegner ist türkischer Staatsangehöriger. Aus der Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen. Die Antragstellerin ist allerdings Mutter einer minderjährigen Tochter. Sie begehrte die Aufhebung der Ehe gem. § 1314 Nr. 5 BGB. Es handele sich um eine Scheinehe. Sie behauptete, zu keinem Zeitpunkt mit dem Antragsgegner eine gemeinsame Ehewohnung innegehabt zu haben. Vielmehr habe die Antragstellerin mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten in ihrer Wohnung gewohnt. Die Ehe mit dem Antragsgegner sei derart zustande gekommen, dass der Onkel des Antragsgegners, und gleichzeitig Chef ihres ehemaligen Lebensgefährten, auf sie zugekommen sei, mit der Bitte, den Antragsgegner für monatlich 500 € zu heiraten, damit dieser eine Aufenthaltserlaubnis erhalte.

Der Antragsgegner meinte, dass keine Scheinehe zwischen den Beteiligten vorgelegen habe. Er habe nicht in der gemeinsamen Wohnung leben können, da er die Asylunterkunft nicht habe verlassen dürfen. Später sei er aber zur Antragstellerin gezogen. Die monatlichen 500 € seien sein Anteil am Haushaltsgeld gewesen. Die Antragstellerin stelle den Antrag auf Eheaufhebung nur, da sie von ihrer Familie unter Druck gesetzt werde. Da die Familie von Anfang an gegen die Ehe gewesen sei, solle die Aufhebung der Ehe der Wiederherstellung der Familienehre dienen.

Das AG - Familiengericht - hat die Ehe aufgehoben. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Gem. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gem. § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollen. Der Gesetzgeber hat mit der Abfassung des § 1353 Abs. 1 BGB klargestellt, dass die Ehe eine Verantwortungsgemeinschaft ist. Der Kernbereich der ehelichen Lebensgemeinschaft wird auf solche Pflichten beschränkt, die sich auf gegenseitige eheliche Verantwortung der Ehegatten füreinander zurückführen lassen. Demnach sind Beistand, Hilfe, Fürsorge und Rücksichtnahme in personaler und vermögensrechtlicher Hinsicht die als solche unabdingbaren, der Verfügungsgewalt der Ehegatten entzogenen Mindestinhalte einer ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl. BGH, FamRZ 2002, 317).

Entscheidend ist, ob die angestrebten Beziehungen bei einer Gesamtbetrachtung der Vorstellungen des Paares und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als gegenseitige Übernahme von Verantwortung zu bewerten ist. Die Beziehungen der Ehegatten dürfen und werden in aller Regel über Beistand, Fürsorge und Rücksichtnahme hinausgehen, sie dürfen aber nicht hinter den genannten Anforderungen zurückbleiben. Auch wird man es nicht genügen lassen können, dass ein Ehegatte dem anderen in finanzieller Hinsicht Beistand leistet, aber keinerlei Verantwortung im personalen Bereich übernehmen will.

Im vorliegenden Fall ergab sich bereits aus den Ausführungen der Beteiligten, zum Zweck der Eheschließung, dass keine Verpflichtungen gem. § 1353 Abs. 1 BGB begründet werden sollten; dies weder aus Sicht der Antragstellerin, noch aus Sicht des Antragsgegners. Unstreitig zwischen den Beteiligten war zudem, dass der Antragsgegner monatlich Zahlungen an die Antragstellerin geleistet hat. Selbst wenn dieses Geld aus Sicht des Antragsgegners als Haushaltsgeld für die Antragstellerin bestimmt gewesen sein sollte, so reichte es gerade nicht aus, dass ein Ehegatte dem anderen in finanzieller Hinsicht Beistand leistet, aber keinerlei Verantwortung im personalen Bereich übernehmen will.

Auf weiteres Nachfragen erklärte der Antragsgegner zu dem Kind der Antragstellerin, dieses nicht näher zu kennen, was ebenso eine Beziehung der Beteiligten auf Basis von Beistand, Hilfe, Fürsorge und Rücksichtnahme ausschloss. Aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass die Ehe der Beteiligten zu dem Zweck geschlossen worden war, dass der Antragsgegner einen Aufenthaltstitel erlangte. Hierfür sprachen die damaligen Lebensumstände und Gesamtumstände der Beteiligten.

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