Eigenbedarfskündigung: Unterbliebene Besichtigung der Wohnung als gewichtiges Indiz
AG Hamburg v. 30.11.2022 - 49 C 441/21
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war Mieter einer 6-Zimmer-Wohnung der Kläger in Hamburg. Der Netto - Kaltmietzins betrug zuletzt monatlich 2.620 €. Mit Schreiben vom 15.12.2020 kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für ihren Sohn, der 23 Jahre alt sei, Student einer Hochschule in der Hamburger Innenstadt und die Wohnung gemeinsam mit vier Freunden beziehen wolle, um dort eine Wohngemeinschaft zu gründen. Im Folgenden wurde angegeben, welche Zimmer von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft, wenn auch ohne Angabe des jeweils einzelnen Mitglieds, genutzt werden sollten und welches Zimmer als Gemeinschaftszimmer dienen sollte. Es fand kein Besichtigungstermin statt.
Der Beklagte widersprach der Kündigung. Er behauptete, die Kläger hätten das Objekt als reines Anlageobjekt erworben. Er bewohne die Wohnung im Rahmen seiner Familiensituation mit seinen drei Töchtern, von denen die beiden älteren jeweils Anfang 20 seien und die jüngste 11 Jahre alt sei. Letztlich behauptete der Beklagte, dass die Kündigung Ausdruck einer Fehlkalkulation sei im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung.
Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen.
Die Gründe:
Ein Räumungsanspruch der Kläger nach den §§ 546, 573 Abs. 1,2 Ziffer 2 BGB bestand nicht. Vorliegend war der von den Klägern behauptete Eigenbedarf ihres Sohnes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zum Zeitpunkt der Kündigung und auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend verfestigt gewesen.
Der Sohn hatte zwar insoweit bekundet, dass er beabsichtige, die Wohnung mit mehreren Freunden zusammen zu beziehen. Allerdings war über die Mietzinshöhe offensichtlich noch nicht gesprochen worden. Hinzu kam, dass weder der Zeuge noch die vermeintlichen weiteren Wohninteressenten die Wohnung jemals angeschaut hatten. Es bestand insoweit auch keinerlei Klarheit, wer welches Zimmer nutzen sollte. Ebenso wenig bestand Klarheit darüber, ob die Personen unter Berücksichtigung ihrer gegenwärtig bestehenden Lebensverhältnisse überhaupt beabsichtigen, in die Wohnung einzuziehen. Auch ladungsfähige Anschriften waren binnen der hierfür gesetzten Frist von den Klägern nicht genannt worden.
Es handelte sich demnach nicht mehr als um eine ernsthaft in Erwägung gezogene aber dennoch noch lose Lebensplanung. Dies spiegelte sich in zutreffender Weise in den Ausführungen der Kläger wider, nachdem die potentiellen Untermieter sich derzeit anderweitig orientiert hätten und gegebenenfalls auf den ursprünglichen Plan zurückkommen würden, wenn die Wohnung dann nun endlich zur Verfügung stehe und ein Umzug in die aktuell bestehenden Lebensumstände passe. Die Überlegung, ob eine Wohnung letztlich genutzt werden soll ist jedoch eine solche, die bei der Eigenbedarfskündigung vorauszusetzen ist und deren Entscheidung nicht erst nach Räumung der Wohnung zu erfolgen hat.
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Landesrecht Hamburg
Der Beklagte war Mieter einer 6-Zimmer-Wohnung der Kläger in Hamburg. Der Netto - Kaltmietzins betrug zuletzt monatlich 2.620 €. Mit Schreiben vom 15.12.2020 kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für ihren Sohn, der 23 Jahre alt sei, Student einer Hochschule in der Hamburger Innenstadt und die Wohnung gemeinsam mit vier Freunden beziehen wolle, um dort eine Wohngemeinschaft zu gründen. Im Folgenden wurde angegeben, welche Zimmer von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft, wenn auch ohne Angabe des jeweils einzelnen Mitglieds, genutzt werden sollten und welches Zimmer als Gemeinschaftszimmer dienen sollte. Es fand kein Besichtigungstermin statt.
Der Beklagte widersprach der Kündigung. Er behauptete, die Kläger hätten das Objekt als reines Anlageobjekt erworben. Er bewohne die Wohnung im Rahmen seiner Familiensituation mit seinen drei Töchtern, von denen die beiden älteren jeweils Anfang 20 seien und die jüngste 11 Jahre alt sei. Letztlich behauptete der Beklagte, dass die Kündigung Ausdruck einer Fehlkalkulation sei im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung.
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Der Sohn hatte zwar insoweit bekundet, dass er beabsichtige, die Wohnung mit mehreren Freunden zusammen zu beziehen. Allerdings war über die Mietzinshöhe offensichtlich noch nicht gesprochen worden. Hinzu kam, dass weder der Zeuge noch die vermeintlichen weiteren Wohninteressenten die Wohnung jemals angeschaut hatten. Es bestand insoweit auch keinerlei Klarheit, wer welches Zimmer nutzen sollte. Ebenso wenig bestand Klarheit darüber, ob die Personen unter Berücksichtigung ihrer gegenwärtig bestehenden Lebensverhältnisse überhaupt beabsichtigen, in die Wohnung einzuziehen. Auch ladungsfähige Anschriften waren binnen der hierfür gesetzten Frist von den Klägern nicht genannt worden.
Es handelte sich demnach nicht mehr als um eine ernsthaft in Erwägung gezogene aber dennoch noch lose Lebensplanung. Dies spiegelte sich in zutreffender Weise in den Ausführungen der Kläger wider, nachdem die potentiellen Untermieter sich derzeit anderweitig orientiert hätten und gegebenenfalls auf den ursprünglichen Plan zurückkommen würden, wenn die Wohnung dann nun endlich zur Verfügung stehe und ein Umzug in die aktuell bestehenden Lebensumstände passe. Die Überlegung, ob eine Wohnung letztlich genutzt werden soll ist jedoch eine solche, die bei der Eigenbedarfskündigung vorauszusetzen ist und deren Entscheidung nicht erst nach Räumung der Wohnung zu erfolgen hat.
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