Eigentumswohnung: Instandhaltungsrücklage keine Beschaffenheit der Kaufsache
OLG Koblenz v. 17.5.2023 - 15 U 1098/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Jahr 2019 von dem Beklagten unter "Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte wegen eines Sachmangels" eine Eigentumswohnung gekauft. In § 3 der Urkunde war u.a. geregelt: "Der Anteil an der Instandhaltungsrücklage beträgt nach Angaben zum 10.5.2019 rund 31.530 €, ist im Kaufpreis enthalten und geht mit Besitzübergang über." Auf dem - einzigen - Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft befanden sich damals 52.550 €, wobei der Anteil an der zweigliedrigen Eigentümergemeinschaft rechnerisch einem Betrag von 31.530 € entsprach. Ein Beschluss über die Verwendung des Geldes lag zum Beurkundungszeitpunkt nicht vor.
Die von dem Beklagten beauftragte Maklerin hatte der Klägerin zuvor ein Exposé mit Stand 1.5.2019 übergeben, in dem es auf Seite 10 u.a. hieß:
"Anstehende Investitionen:
Dachsanierung ca. 30.000 €; Rücklagen vorhanden
Reparatur Freitreppe bzw. Geländer Freitreppe; Rücklagen vorhanden.
Rücklagen Hausverwalterkonto:
ca. 50.000,00 € per 08-2017 - derzeit geparkt für o.g. anstehende Investitionen".
Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten u.a. die Zahlung von 31.530 € verlangt. Sie war der Ansicht, sie sei aufgrund des Exposés und des Vertrags davon ausgegangen, dass dieser Betrag als Instandhaltungsrücklage vorhanden sowie beim Verkauf eingepreist worden sei und für die erforderliche Sanierung des Daches zur Verfügung stehe. Tatsächlich handele es sich bei dem auf dem WEG-Konto vorhandenen Betrag nicht um eine Instandhaltungsrücklage, sondern dieser resultiere aus Schadensersatzforderungen gegen Bauunternehmen und werde zur weiteren Schadensbeseitigung benötigt; für die Dachsanierung könne er nicht verwendet werden.
Der Beklagte hielt dagegen, mit dem in der notariellen Urkunde als Instandhaltungsrücklage angegebenen Betrag hätten die Parteien in untechnischer Weise dasjenige Guthaben gemeint, welches sich bei Abschluss des Kaufvertrages auf dem WEG-Konto befunden habe und rein rechnerisch auf den Beklagtenanteil an der Wohnungseigentümergemeinschaft entfallen sei. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass es sich bei der Regelung unter § 3 des Notarvertrages um dieses Guthaben des WEG-Kontos gehandelt habe, das auf die Klägerin habe übertragen werden sollen.
Das LG hat der Klage weitestgehend stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Ein Anspruch der Klägerin gem. §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB in der auf das Rechtsverhältnis der Parteien anwendbaren, vom 1.1.2002 bis 31.12.2021 geltenden Fassung vom 2.1.2002 bestand nicht. Die Parteien hatten in Bezug auf die Instandhaltungsrücklage - entgegen der Auffassung des LG - keine Beschaffenheit der Kaufsache vereinbart.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB konnte hier bei objektiver Betrachtung schon deswegen nicht gesehen werden, weil es sich lediglich um eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung handelte, mit welcher der Verkäufer die Angaben eines Dritten wiedergibt. Seit der Schuldrechtsmodernisierung kommt die Annahme der Vereinbarung einer Beschaffenheit, für deren Fehlen der Verkäufer nach Maßgabe des § 437 BGB haftet, nicht mehr "im Zweifel", sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht. Ein solcher war hier nicht gegeben. Vielmehr sprach bereits die Einschränkung "nach Angaben" erkennbar dafür, dass der Beklagte nicht für die inhaltliche Richtigkeit der Angabe haften wollte.
Gegen die Annahme, der Verkäufer einer Eigentumswohnung wolle die vertragliche Garantie für eine bestimmte Höhe der Instandhaltungsrücklage in einem nach dem angegebenen Stichtag liegenden Beurkundungszeitpunkt oder gar im Zeitpunkt des Gefahrübergangs übernehmen, spricht bei interessengerechter Auslegung auch, dass die anteilige Instandhaltungsrückstellung nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern eines anderen Rechtssubjekts ist, denn Träger des Vermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft einschließlich der gemeinschaftlichen Forderungen und Verbindlichkeiten ist unabhängig von einem Eigentümerwechsel der Verband. Bei der Rücklage handelt es sich mithin um einen Teil des Gemeinschaftsvermögens nach § 9a Abs. 3 WEG. Über einen "Anteil" hieran kann der einzelne Wohnungseigentümer daher nicht verfügen.
Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die Vertragsparteien beim Kauf einer Eigentumswohnung den Kaufpreis regelmäßig unter Berücksichtigung auch der Werthaltigkeit des Gemeinschaftsvermögens - etwa der Höhe der Instandhaltungsrücklagen - bemessen. Der Umstand, dass etwas wertbildender Faktor ist, begründet für sich genommen noch keine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Landesrecht Rheinland-Pfalz
Die Klägerin hatte im Jahr 2019 von dem Beklagten unter "Ausschluss sämtlicher Ansprüche und Rechte wegen eines Sachmangels" eine Eigentumswohnung gekauft. In § 3 der Urkunde war u.a. geregelt: "Der Anteil an der Instandhaltungsrücklage beträgt nach Angaben zum 10.5.2019 rund 31.530 €, ist im Kaufpreis enthalten und geht mit Besitzübergang über." Auf dem - einzigen - Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft befanden sich damals 52.550 €, wobei der Anteil an der zweigliedrigen Eigentümergemeinschaft rechnerisch einem Betrag von 31.530 € entsprach. Ein Beschluss über die Verwendung des Geldes lag zum Beurkundungszeitpunkt nicht vor.
Die von dem Beklagten beauftragte Maklerin hatte der Klägerin zuvor ein Exposé mit Stand 1.5.2019 übergeben, in dem es auf Seite 10 u.a. hieß:
"Anstehende Investitionen:
Dachsanierung ca. 30.000 €; Rücklagen vorhanden
Reparatur Freitreppe bzw. Geländer Freitreppe; Rücklagen vorhanden.
Rücklagen Hausverwalterkonto:
ca. 50.000,00 € per 08-2017 - derzeit geparkt für o.g. anstehende Investitionen".
Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten u.a. die Zahlung von 31.530 € verlangt. Sie war der Ansicht, sie sei aufgrund des Exposés und des Vertrags davon ausgegangen, dass dieser Betrag als Instandhaltungsrücklage vorhanden sowie beim Verkauf eingepreist worden sei und für die erforderliche Sanierung des Daches zur Verfügung stehe. Tatsächlich handele es sich bei dem auf dem WEG-Konto vorhandenen Betrag nicht um eine Instandhaltungsrücklage, sondern dieser resultiere aus Schadensersatzforderungen gegen Bauunternehmen und werde zur weiteren Schadensbeseitigung benötigt; für die Dachsanierung könne er nicht verwendet werden.
Der Beklagte hielt dagegen, mit dem in der notariellen Urkunde als Instandhaltungsrücklage angegebenen Betrag hätten die Parteien in untechnischer Weise dasjenige Guthaben gemeint, welches sich bei Abschluss des Kaufvertrages auf dem WEG-Konto befunden habe und rein rechnerisch auf den Beklagtenanteil an der Wohnungseigentümergemeinschaft entfallen sei. Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass es sich bei der Regelung unter § 3 des Notarvertrages um dieses Guthaben des WEG-Kontos gehandelt habe, das auf die Klägerin habe übertragen werden sollen.
Das LG hat der Klage weitestgehend stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Ein Anspruch der Klägerin gem. §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB in der auf das Rechtsverhältnis der Parteien anwendbaren, vom 1.1.2002 bis 31.12.2021 geltenden Fassung vom 2.1.2002 bestand nicht. Die Parteien hatten in Bezug auf die Instandhaltungsrücklage - entgegen der Auffassung des LG - keine Beschaffenheit der Kaufsache vereinbart.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB konnte hier bei objektiver Betrachtung schon deswegen nicht gesehen werden, weil es sich lediglich um eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung handelte, mit welcher der Verkäufer die Angaben eines Dritten wiedergibt. Seit der Schuldrechtsmodernisierung kommt die Annahme der Vereinbarung einer Beschaffenheit, für deren Fehlen der Verkäufer nach Maßgabe des § 437 BGB haftet, nicht mehr "im Zweifel", sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht. Ein solcher war hier nicht gegeben. Vielmehr sprach bereits die Einschränkung "nach Angaben" erkennbar dafür, dass der Beklagte nicht für die inhaltliche Richtigkeit der Angabe haften wollte.
Gegen die Annahme, der Verkäufer einer Eigentumswohnung wolle die vertragliche Garantie für eine bestimmte Höhe der Instandhaltungsrücklage in einem nach dem angegebenen Stichtag liegenden Beurkundungszeitpunkt oder gar im Zeitpunkt des Gefahrübergangs übernehmen, spricht bei interessengerechter Auslegung auch, dass die anteilige Instandhaltungsrückstellung nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern eines anderen Rechtssubjekts ist, denn Träger des Vermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft einschließlich der gemeinschaftlichen Forderungen und Verbindlichkeiten ist unabhängig von einem Eigentümerwechsel der Verband. Bei der Rücklage handelt es sich mithin um einen Teil des Gemeinschaftsvermögens nach § 9a Abs. 3 WEG. Über einen "Anteil" hieran kann der einzelne Wohnungseigentümer daher nicht verfügen.
Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die Vertragsparteien beim Kauf einer Eigentumswohnung den Kaufpreis regelmäßig unter Berücksichtigung auch der Werthaltigkeit des Gemeinschaftsvermögens - etwa der Höhe der Instandhaltungsrücklagen - bemessen. Der Umstand, dass etwas wertbildender Faktor ist, begründet für sich genommen noch keine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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