Ein kombinierter Ehe- und Erbvertrag kann von den Eheleuten später nicht mehr herausgefordert werden
OLG Frankfurt a.M. v. 19.9.2023 - 21 W 63/23
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind verheiratet. Sie schlossen 2011 einen notariellen Vertrag. Mit diesem änderten sie zum einen ihren 1988 aufgesetzten Ehevertrag ab und errichteten zum anderen einen Erbvertrag (sog. kombinierter Ehe- und Erbvertrag). Die Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung. 2018 errichteten sie mit notarieller Urkunde ein gemeinschaftliches Testament und widerriefen den 2011 beurkundeten Erbvertrag. An den Erklärungen zum Ehevertrag aus dem Jahr 2011 sollte sich dagegen nichts ändern. Auch diese Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung.
2018 und 2019 begehrten sie erfolglos die Herausgabe der Urkunden. Daraufhin hoben sie mit notarieller Urkunde 2022 die Verträge von 2011 und 2018 auf und beantragten erneut die Rückgabe der Urkunden. Das Nachlassgericht wies beide Anträge zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte teilweise Erfolg, soweit es die Herausgabe des gemeinschaftlichen Testaments betrifft.
Allerdings - so das OLG - könnten die Beteiligten nicht die Herausgabe des kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus dem Jahr 2011 verlangen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Der gesetzliche Herausgabeanspruch nach § 2256 Abs. 2 BGB für Testamente ist nach dem eindeutigen Willen des Reformgesetzgebers für Erbverträge eingeschränkt. Soweit ein Erbvertrag neben der Verfügung von Todes wegen weitere Regelungen enthält, ist eine Herausgabe ausgeschlossen (§ 2300 Abs. 2 BGB). Die herausverlangte Urkunde der Eheleute aus dem Jahr 2011 umfasst neben dem Erbvertrag auch Regelungen zum Ehevertrag. Damit unterfällt sie nicht dem Herausgabeanspruch. Da es sich um ein rein formelles Verfahren handelt, kommt es trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung nicht auf die Unwirksamkeit des Erbvertrages an.
Der Anwendungsbereich des Rückgabeanspruchs ist auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu erweitern. Zwar liegt im Hinblick auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrechtseingriff vor. Die Testierenden haben selbst bei sehr persönlichen Inhalten nicht mehr die Möglichkeit, eine Eröffnung des Erbvertrags zu verhindern und müssen die Bekanntgabe eines mittlerweile geänderten Willens in Kauf nehmen. Dieser Eingriff ist aber unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt. Die Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit bei kombinierten Erbverträgen dient dem Schutz der die ehevertraglichen Regelungen enthaltenen Originalurkunde vor Verlust. Da ein Ehevertrag typischerweise Regelungen enthält, die zu Lebzeiten maßgeblich sind, besteht ein besonderes Interesse am Erhalt der Urkunde. Im Übrigen haben die Eheleute sich freiwillig dafür entschieden, den kombinierten Ehe- und Erbvertrag in die amtliche Verwahrung zu geben.
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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 56 vom 25.9.2023
Die Beteiligten sind verheiratet. Sie schlossen 2011 einen notariellen Vertrag. Mit diesem änderten sie zum einen ihren 1988 aufgesetzten Ehevertrag ab und errichteten zum anderen einen Erbvertrag (sog. kombinierter Ehe- und Erbvertrag). Die Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung. 2018 errichteten sie mit notarieller Urkunde ein gemeinschaftliches Testament und widerriefen den 2011 beurkundeten Erbvertrag. An den Erklärungen zum Ehevertrag aus dem Jahr 2011 sollte sich dagegen nichts ändern. Auch diese Urkunde gaben sie in amtliche Verwahrung.
2018 und 2019 begehrten sie erfolglos die Herausgabe der Urkunden. Daraufhin hoben sie mit notarieller Urkunde 2022 die Verträge von 2011 und 2018 auf und beantragten erneut die Rückgabe der Urkunden. Das Nachlassgericht wies beide Anträge zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte teilweise Erfolg, soweit es die Herausgabe des gemeinschaftlichen Testaments betrifft.
Allerdings - so das OLG - könnten die Beteiligten nicht die Herausgabe des kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus dem Jahr 2011 verlangen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Der gesetzliche Herausgabeanspruch nach § 2256 Abs. 2 BGB für Testamente ist nach dem eindeutigen Willen des Reformgesetzgebers für Erbverträge eingeschränkt. Soweit ein Erbvertrag neben der Verfügung von Todes wegen weitere Regelungen enthält, ist eine Herausgabe ausgeschlossen (§ 2300 Abs. 2 BGB). Die herausverlangte Urkunde der Eheleute aus dem Jahr 2011 umfasst neben dem Erbvertrag auch Regelungen zum Ehevertrag. Damit unterfällt sie nicht dem Herausgabeanspruch. Da es sich um ein rein formelles Verfahren handelt, kommt es trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung nicht auf die Unwirksamkeit des Erbvertrages an.
Der Anwendungsbereich des Rückgabeanspruchs ist auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu erweitern. Zwar liegt im Hinblick auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrechtseingriff vor. Die Testierenden haben selbst bei sehr persönlichen Inhalten nicht mehr die Möglichkeit, eine Eröffnung des Erbvertrags zu verhindern und müssen die Bekanntgabe eines mittlerweile geänderten Willens in Kauf nehmen. Dieser Eingriff ist aber unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm gerechtfertigt. Die Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit bei kombinierten Erbverträgen dient dem Schutz der die ehevertraglichen Regelungen enthaltenen Originalurkunde vor Verlust. Da ein Ehevertrag typischerweise Regelungen enthält, die zu Lebzeiten maßgeblich sind, besteht ein besonderes Interesse am Erhalt der Urkunde. Im Übrigen haben die Eheleute sich freiwillig dafür entschieden, den kombinierten Ehe- und Erbvertrag in die amtliche Verwahrung zu geben.
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