22.09.2022

Eine Mutter und zwei Väter - Strafbarkeit nach § 271 StGB?

Der Gesetzgeber hat das Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Vaterschaft gesehen und hingenommen. Mit den Anfechtungsmöglichkeiten sind ausreichend Instrumente bereitgestellt. Die familienrechtliche Vaterschaft schlägt auch auf das Strafrecht durch.

AG Aschersleben v. 15.8.2022 - 6 Ds 535 Js 15302/21
Der Sachverhalt:
Die Geburt der Tochter der Angeschuldigten A. war im Geburtenregister des Standesamtes eingetragen worden, während die Angabe eines Vaters nicht erfolgte. Am 16.3.2021 erscheinen die Angeschuldigte A. und der Angeschuldigte B. in eben diesem Standesamt und beantragten die Vaterschaftsanerkennung des Angeschuldigten B. Hierzu gab dieser eine Vaterschaftsanerkennung ab. Die Mutter, die Angeschuldigte A., stimmte dieser Anerkennung zu. Beide versicherten auf dem Formular das "keine Vaterschaft eines anderen Mannes zu dem Kind besteht." Beide wurden auch noch einmal von der Standesbeamtin belehrt, dass keine weitere Vaterschaft bestehen dürfe. Daraufhin wurde eine neue Geburtsurkunde ausgestellt, die den Angeschuldigten B. als Vater auswies.

Die ausstellende Standesbeamtin erhielt drei Tage später die Information eines anderen Landkreises, dass bereits eine weitere Vaterschaftsanerkennung vom 19.1.2021 durch C. vorläge. Ein Vaterschaftstest wies letztlich C. als genetischen Vater aus. Der Vaterschaftsanerkennung des C. widersprach die Angeschuldigte A. jedoch am 23.2.2021.

Die Staatsanwaltschaft warf den Angeschuldigten mit der Anklage strafbares Verhalten nach  § 271 StGB vor. Das AG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens allerdings aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Die Gründe:
Das vorgeworfene Verhalten war nicht nach § 271 StGB strafbar.

Danach macht sich strafbar wer bewirkt, dass Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind.

Die Vaterschaftsanerkennung des Angeschuldigten B. und die Zustimmung hierzu durch die Angeschuldigte A. waren richtig, denn es lagen weder eine vorrangige Vaterschaft nach § 1594 Abs. 2 BGB noch Unwirksamkeitsgründe nach § 1598 BGB vor. Auch fehlte es an den Voraussetzungen des § 1599 BGB. Die Vaterschaftsanerkennung des C. war wegen der fehlenden Zustimmung der Angeschuldigten A. nicht wirksam, § 1595 BGB. C. ist damit rechtlich nicht Vater des Kindes geworden. Es "besteht" i.S.d. § 1594 Abs. 2 BGB damit keine Vaterschaft eines anderen Mannes. Auf die genetische Vaterschaft kommt es dabei nicht an.

Die Anerkennungserklärung des Angeschuldigten B. ist damit wirksam geworden. Seine rechtliche Vaterschaft mag nach § 1600 BGB durch den genetischen Vater anfechtbar sein. Mangels "rechtskräftiger" - das meint ausschließlich die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft; da Bescheide von Behörden allenfalls bestandskräftig, aber nicht rechtskräftig werden - Feststellung, dass der Angeschuldigte B. nicht der Vater ist, ist seine Anerkennung auch nicht nach § 1599 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Gesetzgeber hat dieses Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Vaterschaft gesehen und hingenommen. Mit den Anfechtungsmöglichkeiten sind ausreichend Instrumente bereitgestellt. Da die familienrechtliche Vaterschaft auch auf das Strafrecht durchschlägt, lag eine Strafbarkeit hier nicht vor.

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