20.09.2021

Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zur Beendigung eines Mietverhältnisses

Die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB ist nicht auf den Fall beschränkt, dass der Gläubiger seine Ansprüche gegen den Nachlass sogleich gerichtlich geltend machen möchte. Vielmehr ist anerkannt, dass es genügt, wenn der Prozessweg nur notfalls beschritten, zuvor aber mit dem Gegner gütlich verhandelt und er zur außergerichtlichen Erfüllung der Ansprüche des Antragstellers bewegt werden soll.

OLG Brandenburg v. 13.4.2021 - 3 W 35/21
Der Sachverhalt:
Die verwitwete und kinderlose Erblasserin war Mieterin einer Wohnung der Antragstellerin. Mit Antrag vom 29.10.2020 hat die Antragstellerin die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zur Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung beantragt und sich darauf berufen, dass die ihnen bekannten Erben die Erbschaft nach eigener Auskunft ausgeschlagen hätten und weitere Erben nicht bekannt seien.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB sei, dass die Erben unbekannt seien und sicherungsbedürftiger Nachlass vorhanden sei. Vorliegend seien die Erben nicht unbekannt, da jedenfalls die drei postalisch bekannten Erben über ihr Ausschlagungsrecht in Kenntnis gesetzt worden seien und die Frist verstrichen sei. Zudem sei nicht bekannt, ob ein sicherungsbedürftiger Nachlass vorhanden sei. Ein Antrag nach § 1961 BGB sei nicht gestellt worden.

Die Antragstellerin blieb bei ihrer Ansicht, die Voraussetzungen des § 1961 BGB lägen vor. Die Erben seien nicht bekannt. Als Erben kämen Brüder sowie Nichten und Neffen der Erblasserin in Betracht, deren Namen und Anschriften ihr - jedenfalls teilweise - unbekannt seien. Die Kündigung habe gegenüber allen Miterben zu erfolgen. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Vor dem OLG war die Beschwerde dann in der Sache erfolgreich.

Die Gründe:
Es kommt nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 1960 BGB gegeben sind. Denn die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 1961 BGB eine Nachlasspflegschaft anzuordnen ist, sind erfüllt.

Nach der zwingenden Regelung des § 1961 BGB hat das Nachlassgericht in den Fällen des §1960 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, und ein Nachlassgläubiger die Bestellung zum Zwecke der Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beantragt hat. Die Erben des Erblassers sind derzeit unbekannt. Die Erbenermittlung seitens des Nachlassgerichts ist nach dessen eigenen Mitteilungen an die Antragstellerin nicht abgeschlossen. Es sind weitere Ermittlungen notwendig.

Ferner hat die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Vermieterin die Bestellung eines Nachlasspflegers "zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet", beantragt. Denn es geht ihr, wie bereits aus dem ursprünglichen Antrag auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 1961 BGB ersichtlich ist, darum, ihren Anspruch auf Rückgabe der Mietsache gem. § 546 Abs. 1 BGB gegen den Nachlass durchzusetzen. Dies entspricht dem Zweck des § 1961 BGB. Dabei ist die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB nicht auf den Fall beschränkt, dass der Gläubiger seine Ansprüche gegen den Nachlass sogleich gerichtlich geltend machen möchte. Vielmehr ist anerkannt, dass es genügt, wenn der Prozessweg nur notfalls beschritten, zuvor aber mit dem Gegner gütlich verhandelt und er zur außergerichtlichen Erfüllung der Ansprüche des Antragstellers bewegt werden soll.

Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts steht der Anordnung auch nicht entgegen, dass kein sicherungsbedürftiger Nachlass existiert oder der Nachlass aller Voraussicht nach dürftig ist. Der Senat folgt der Auffassung des OLG München (Beschl. v. 20.3.2012, 31 Wx 81/12) und des OLG Zweibrücken (Beschl. v. 7.5.2015, 8 W 49/15). Beide weisen zutreffend darauf hin, dass die Anordnung der Nachlasspflegschaft unabhängig von diesen Umständen bei Vorliegen der Voraussetzungen des §1961 BGB zwingend zu erfolgen hat.
Landesrecht Brandenburg
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