Eltern müssen grds. keine Zweitausbildung bezahlen
OLG Hamm 15.5.2018, 7 UF 18/18Die Antragsgegner sind Eltern einer 1991 geborenen Tochter. Sie werden vom antragstellenden Land auf Zahlung von rückständigen Ausbildungsunterhalt i.H.v. rd. 6.400 € für den Zeitraum Oktober 2015 bis September 2016 in Anspruch genommen. In Höhe dieses Betrages bewilligte das Land der Tochter für ein Studium Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Die Tochter der Antragsgegner hatte sich in der neunten Schulklasse im Alter von 15 Jahren entschieden, den Beruf der Bühnentänzerin zu erlernen. Nach bestandener Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst absolvierte sie eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes. Im Sommer 2007 schloss sie diese Vorbereitungszeit ab und erwarb die mittlere Reife. Anschließend begann sie nach erneutem Auswahlverfahren mit dem Studiengang Tanz. Das Studium schloss sie 2011 mit dem Diplom für Tanz ab. In der Folgezeit fand sie trotz zahlreicher europaweiter Bewerbungen keine Anstellung als Tänzerin. Aufgrund dessen nahm sie 2012/2013 die Schulausbildung wieder auf, erwarb die allgemeine Hochschulreife und begann 2015/16 Psychologie zu studieren. Für dieses Studium erhielt sie die streitgegenständlichen BAföG-Leistungen.
Das antragstellende Land ist der Auffassung, dass die Antragsgegner ihrer Tochter für den in Rede stehenden Zeitraum zum Unterhalt verpflichtet seien und daher die Zahlungen zu erstatten hätten. Das AG verpflichtete die Antragsgegner antragsgemäß zur Unterhaltszahlung. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg.
Die Gründe:
Die Eltern schulden für das Hochschulstudium ihrer Tochter keinen Ausbildungsunterhalt. Ein Anspruch auf Zahlung rückständigen Unterhalts aus übergegangenem Recht nach den §§ 1601 ff., 1610 Abs. 2 BGB, 37 Abs. 1 BAföG besteht daher nicht.
Eltern schulden ihrem Kind grundsätzlich eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung bereits gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr dazu verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen davon sind nur unter besonderen Umständen gegeben, etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Des Weiteren kommt eine Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung als eine im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Erstausbildung stehende Weiterbildung anzusehen ist und von vorneherein angestrebt gewesen ist oder wenn während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wird.
Im Streitfall hatten die Eltern ihrer Tochter bereits die Erstausbildung zur Bühnentänzerin finanziert. Ausbildungsunterhalt für eine weitere Zweitausbildung schuldeten sie nicht. Ausnahmen sind nicht ersichtlich. Das Studium der Psychologie stellt keine Weiterbildung dar, die im Zusammenhang mit der ersten Ausbildung steht. Zudem war nicht von vornherein der weitere Besuch einer allgemeinbildenden Schule mit Abschluss angestrebt. Des Weiteren ist nicht zu erkennen, dass die Ausbildung zur Tänzerin nicht den damaligen Neigungen und Fähigkeiten der Tochter entsprochen hat. Die Tochter hat schon seit ihrem fünften Lebensjahr Ballett getanzt. Sie hat die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst bestanden und eine einjährige Vorbereitungszeit absolviert. Anschließend hat sie an einem erneuten Auswahlverfahren mit Erfolg teilgenommen und sie ist zum Studium Tanz zugelassen worden. Dieses hat sie mit einem Diplom abgeschlossen. Der Umstand, dass sie lediglich einen befriedigenden Notendurchschnitt erzielt hat, ändert nichts an dieser Einschätzung. Ebenso der Umstand, dass sie keine Anstellung gefunden hat, denn dies ist auf eine verschlechterte Arbeitsmarktsituation zurückzuführen.
Das Risiko der Nichtbeschäftigung ihres Kindes nach Abschluss der geschuldeten Erstausbildung haben unterhaltspflichtige Eltern jedoch grundsätzlich nicht zu tragen. Ihnen fällt das allgemeine Arbeitsplatzrisiko nicht zur Last. Ein Volljähriger, der nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitslos ist, trifft die Verpflichtung selbst für seinen Unterhalt zu sorgen und jede Arbeitsstelle, auch außerhalb des erlernten Berufs, anzunehmen.
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