27.08.2024

Entschädigung aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB umfasst bei lediglich fiktiver Abrechnung keine Umsatzsteuer

Der Entschädigungsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB umfasst bei lediglich fiktiver Abrechnung keine Umsatzsteuer, da keine Gründe dafür ersichtlich sind, in Fällen der Kompensation nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung über die insoweit für Schadensersatzansprüche geltenden Regeln hinaus eine (noch) gar nicht eingetretene Vermögenseinbuße in Gestalt der erst bei tatsächlicher Beseitigung der Beeinträchtigung anfallenden Umsatzsteuer auszugleichen.

OLG Zweibrücken v. 20.8.2024 - 8 U 47/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. In unmittelbarer Nachbarschaft der Grenze der beiden Grundstücke steht auf dem Grundstück der Beklagten eine Eiche, deren Äste auf das Grundstück der Kläger ragen. Ferner wachsen die Seitenwurzeln der Eiche in das Grundstück der Kläger hinein und drücken auf die auf der Grundstücksgrenze der Parteien errichtete Garage der Kläger, wodurch an dieser Risse entstanden sind. Die Kläger machten in der Hauptsache einerseits Sanierungskosten für die Mauerrisse i.H.v. 9.044 € brutto (= 7.600,00 € netto) sowie andererseits einen Anspruch auf Beseitigung des Überhangs der auf dem Beklagtengrundstück befindlichen Eiche geltend.

Die Beklagten machten geltend, dass es sich bei der Eiche um ein ortsbildprägendes Naturdenkmal handele. Weiter sei davon auszugehen, dass die Äste schon 50 Jahre auf das Grundstück der Kläger ragten. Die Kläger haben vorgetragen, bei der Eiche handele es sich nicht um ein Naturdenkmal. Es sei zu betonen, dass das Kappen und Ausgraben der oberflächennahen Wurzeln die Eiche in ihrer Standfestigkeit und Vitalität nicht beeinträchtige. Der derzeitige Zustand, der infolge des Wachstums des Baumes eingetreten sei, bestehe erst seit kürzerem. Auch der beanspruchte Rückschnitt der Äste zeitige keine negativen Folgen für den Baum.

Das LG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert.

Die Gründe:
Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da das angegriffene Urteil insoweit auf einer Rechtsverletzung beruhte (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), als auch die Umsatzsteuer zugesprochen worden ist, obwohl der Kläger seinen Entschädigungsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB lediglich fiktiv abgerechnet hatte.

Der Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB umfasst bei einer sog. fiktiven Abrechnung nicht die Umsatzsteuer. Im Ausgangspunkt ist insofern festzuhalten, dass der Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gemäß ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen ist; die §§ 249 ff. BGB sind nicht anzuwenden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 - V ZR 230/12). Im Rahmen der Enteignungsentschädigung kann bei Substanzschäden der Anspruch den vollen Schaden abdecken, d. h. insbesondere die Beseitigungskosten (BGH, Urt. v. 04.07.1997 - V ZR 48/96).


Hiervon ausgehend sind jedoch - da bereits bei einem Schadensersatzanspruch die Regelung des § 249 Abs. 2 S.2 BGB gilt, d.h. die Umsatzsteuer nur zu ersetzen ist, wenn sie angefallen ist - keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, bei einem nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessenden Anspruch - über die insoweit beim Schadensersatz geltenden Grundsätze hinausgehend - auch bei fiktiver Geltendmachung der Beseitigungskosten die Umsatzsteuer zuzusprechen, da die Entschädigung - im Unterschied zum Schadensersatz - die durch die zu duldende Einwirkung eingetretene Vermögenseinbuße beseitigen soll (vgl. BGH, Urt. v. 23. 7. 2010 - V ZR 142/09. Eine solche Vermögenseinbuße ist jedoch bei fiktiver Geltendmachung der Beseitigungskosten in Bezug auf die Umsatzsteuer gerade (noch) nicht eingetreten.

Dementsprechend hat etwa auch das OLG Koblenz (Urt. v. 24.2.2011 - 5 U 1146/10) bezogen auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entschieden, dass bei einem gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu leistenden Ausgleichsbetrag die darauf entfallende Umsatzsteuer vor dem Hintergrund des allgemeinen ersatzrechtlichen Leitgedankens, wonach eine Überkompensation tunlichst zu vermeiden ist, außer Betracht bleiben müsse. Dies sei erst dann anders zu beurteilen, wenn die Sanierung tatsächlich erfolgt sei. Übereinstimmend damit hat auch das OLG Hamm im Zusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch entschieden, dass die anfallende Umsatzsteuer erst ersetzt dann verlangt werden kann, wenn die Arbeiten tatsächlich durchgeführt worden seien (Urt. v. 4.2.2022 - 11 U 96/21).

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. Recherchieren Sie hier mit den führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Topaktuelle Werke: Zöller ZPO mit Online-Aktualisierungen zur Videokonferenztechnik, weitere Digitalisierung, KapMuG. Vorwerk Das Prozessformularbuch, Erman BGB uvm. Inklusive LAWLIFT Dokumentautomation Zivilprozessrecht und Beiträge zum Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Rheinland-Pfalz
Zurück