Entschädigung des Reiseveranstalters nach Rücktritt von Pauschalreise wegen bereits im Zeitpunkt der Buchung vorliegender außergewöhnlicher Umstände
BGH v. 19.9.2023 - X ZR 103/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt die Erstattung einer geleisteten Anzahlung nach Rücktritt von einer Pauschalreise. Die Klägerin buchte am 21.9.2020 für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Flugreise mit Hotelaufenthalt in die Dominikanische Republik vom 22.3. bis 12.4.2021 zum Preis von 7.700 €. Sie leistete eine Anzahlung von 1.540 €.
Bereits im Zeitpunkt der Buchung bestand für die Dominikanische Republik eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Diese wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 1.7.2021. Mit Schreiben vom 15.3.2021 stornierte die Klägerin die Reise unter Berufung auf die Risiken der Covid-19-Pandemie. Die Beklagte übersandte der Klägerin eine Stornorechnung über 5.775 € und forderte sie zur Zahlung des nach Anrechnung der Anzahlung verbleibenden Differenzbetrags auf. Die Klägerin kam dem nicht nach und verlangte die vollständige Erstattung der Anzahlung.
AG und LG wiesen die auf Zahlung von 1.540 € und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Die Beklagte hat gem. § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf den Reisepreis verloren, weil die Klägerin nach § 651h Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam vor Reisebeginn von dem Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist. Zu Recht ist das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage dennoch unbegründet ist, weil die Beklagte dem Anspruch auf Erstattung der Anzahlung einen Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten kann. Dieser Anspruch ist im Streitfall nicht nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen.
Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im Streitfall einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand i.S.v. § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt. Unvermeidbar und außergewöhnlich sind Umstände gem. § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist es in der Regel nicht zu beanstanden, dass ein Tatrichter die Covid-19-Pandemie als Umstand bewertet, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen. Dies gilt auch für den im Streitfall maßgeblichen Reisezeitraum im März und April 2021.
Ebenfalls zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass die Qualifikation eines Umstands als außergewöhnlich i.S.v. § 651h Abs. 3 BGB grundsätzlich auch dann möglich ist, wenn dieser Umstand bereits im Zeitpunkt der Buchung vorlag oder absehbar war. Nach dem Wortlaut von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB und Art. 3 Nr. 12 der für die Auslegung dieser Vorschrift maßgeblichen Richtlinie (EU) Nr. 2015/2302 kommt dem Zeitpunkt, zu dem der Umstand vorgelegen hat, keine erkennbare Bedeutung zu. Systematische Gründe, die dazu führen können, dass Umstände, die bereits bei Buchung der Reise vorgelegen haben oder absehbar waren, nicht berücksichtigt werden dürfen, sind nicht ersichtlich. Auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass für die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung besteht, von Bedeutung sein kann, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob solche Risiken generell nur dann zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen können, wenn nach Abschluss des Vertrages eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine erhebliche Beeinträchtigung kann jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn bei Vertragsschluss Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte. Einem Reisenden, der in einer solchen Situation eine Reise bucht, ist es in der Regel zumutbar, die Reise anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen.
Vor diesem Hintergrund ist die Würdigung des LG, dass die im Streitfall vorliegenden Umstände nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung i.S.v. § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie geführt haben, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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Die Klägerin begehrt die Erstattung einer geleisteten Anzahlung nach Rücktritt von einer Pauschalreise. Die Klägerin buchte am 21.9.2020 für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Flugreise mit Hotelaufenthalt in die Dominikanische Republik vom 22.3. bis 12.4.2021 zum Preis von 7.700 €. Sie leistete eine Anzahlung von 1.540 €.
Bereits im Zeitpunkt der Buchung bestand für die Dominikanische Republik eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Diese wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 1.7.2021. Mit Schreiben vom 15.3.2021 stornierte die Klägerin die Reise unter Berufung auf die Risiken der Covid-19-Pandemie. Die Beklagte übersandte der Klägerin eine Stornorechnung über 5.775 € und forderte sie zur Zahlung des nach Anrechnung der Anzahlung verbleibenden Differenzbetrags auf. Die Klägerin kam dem nicht nach und verlangte die vollständige Erstattung der Anzahlung.
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Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im Streitfall einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand i.S.v. § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt. Unvermeidbar und außergewöhnlich sind Umstände gem. § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist es in der Regel nicht zu beanstanden, dass ein Tatrichter die Covid-19-Pandemie als Umstand bewertet, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen. Dies gilt auch für den im Streitfall maßgeblichen Reisezeitraum im März und April 2021.
Ebenfalls zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass die Qualifikation eines Umstands als außergewöhnlich i.S.v. § 651h Abs. 3 BGB grundsätzlich auch dann möglich ist, wenn dieser Umstand bereits im Zeitpunkt der Buchung vorlag oder absehbar war. Nach dem Wortlaut von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB und Art. 3 Nr. 12 der für die Auslegung dieser Vorschrift maßgeblichen Richtlinie (EU) Nr. 2015/2302 kommt dem Zeitpunkt, zu dem der Umstand vorgelegen hat, keine erkennbare Bedeutung zu. Systematische Gründe, die dazu führen können, dass Umstände, die bereits bei Buchung der Reise vorgelegen haben oder absehbar waren, nicht berücksichtigt werden dürfen, sind nicht ersichtlich. Auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass für die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung besteht, von Bedeutung sein kann, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob solche Risiken generell nur dann zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen können, wenn nach Abschluss des Vertrages eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine erhebliche Beeinträchtigung kann jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn bei Vertragsschluss Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte. Einem Reisenden, der in einer solchen Situation eine Reise bucht, ist es in der Regel zumutbar, die Reise anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen.
Vor diesem Hintergrund ist die Würdigung des LG, dass die im Streitfall vorliegenden Umstände nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung i.S.v. § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie geführt haben, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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