28.11.2022

Entschädigungsanspruch nach verweigerter Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio

Gemäß §§ 21 Abs. 2, 19 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG ist es u.a. unzulässig, Personen in Bezug auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft zu benachteiligen. Ist eine hiernach unzulässige Benachteiligung erfolgt, so kann der Benachteiligte gem. § 21 Abs. 2 AGG den Ersatz des ihm hierdurch entstandenen Schadens verlangen; wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann er eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

AG Neumünster v. 18.11.2022 - 39 C 305/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war im Juni 2021 in dem von der Beklagten betriebenen Fitnessstudio vorstellig geworden und wollte sich dort als Mitglied anmelden. Sie stellte sich einer Mitarbeiterin mit ihrem Nachnamen vor, der als ein Familienname deutscher Sinti verbreitet und bekannt ist. Einer der Trainer erklärte der Klägerin, er habe wegen ihrer Aufnahme zunächst Rücksprache halten müssen. Leider sei die Aufnahme nicht möglich, denn die aktuelle Corona-Verordnung erlaube nur eine begrenzte Mitgliederzahl. Im selben Zeitraum warb die Beklagte auf Plakaten, in der Presse und im Internet intensiv für ein dreiwöchiges kostenloses Probetraining.

Die Klägerin verließ das Studio zunächst und erkundigte sich unmittelbar danach telefonisch bei mehreren anderen Fitnessstudios, ob sie dort aufgenommen werden könne. Weil diese ihr allesamt Aufnahmebereitschaft signalisierten und auf ihre Nachfrage mitteilten, dass die aktuelle Corona-Landesverordnung keine Obergrenze für Mitglieder in Fitnessstudios aufstelle, begab sie sich abermals in die Räumlichkeiten der Beklagten. Doch der Mitarbeiter der Beklagten blieb bei der Auskunft, dass ihre Aufnahme nicht möglich sei.

Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass die Beklagte in der Vergangenheit bereits Verwandte, die ihren Familiennamen tragen, als Mitglieder abgelehnt hatte, wandte sie sich an den Antidiskriminierungsverband. Außerdem bat sie zwei Freundinnen, um Aufnahme im Fitnessstudio der Beklagten nachzusuchen; beiden wurde die Aufnahme ohne jede Einschränkung angeboten. Die Klägerin aber erhielt jedoch die Antwort der Beklagten dahin, dass diese wegen der pandemiebedingten Einschränkung ihrer Trainingskapazitäten derzeit nur Haushaltsangehörige ihrer Mitglieder als Neumitglieder aufnehme. Mit dem Angebot des kostenfreien Probetrainings wolle die Beklagte derzeit keine Neumitglieder werben.

Die Klägerin warf der Beklagten eine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßende Benachteiligung ihrer Person vor und verlangte eine Entschädigungszahlung i.H.v. 1.000 €. Das AG gab der Klage vollumfänglich statt.

Die Gründe:
Der Entschädigungsanspruch ergab sich aus §§ 21 Abs. 2, 19 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG.

Danach ist es u.a. unzulässig, Personen in Bezug auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft zu benachteiligen. Ist eine hiernach unzulässige Benachteiligung erfolgt, so kann der Benachteiligte gem. § 21 Abs. 2 AGG den Ersatz des ihm hierdurch entstandenen Schadens verlangen; wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann er eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Diese Anspruchsvoraussetzungen lagen im Streitfall vor. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG der Öffentlichkeit Güter und Dienstleistungen anbietet, und unter Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhaltes bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Klägerin der Zugang hierzu allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit verwehrt worden ist. Ausführungen der Beklagten über die Beschränkung der Trainingskapazitäten und die Schwierigkeiten, zahlenden Mitgliedern adäquate Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, vermochten die Ablehnung der Klägerin vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zeitgleich intensive Werbung betrieb und - unstreitig - zwei Freundinnen der Klägerin die Aufnahme unkompliziert anbot, nicht plausibel zu erklären. Dass es sich nach der Darstellung der Beklagten bei dem Angebot des kostenlosen Probetrainings nicht um Mitgliederwerbung gehandelt haben soll, schien abwegig.

Die Verletzung ihres Achtungsanspruchs begründete einen Anspruch auf eine Entschädigung, die sowohl dem Ausmaß der Kränkung als auch der gesellschaftlichen Stellung des beklagten Unternehmens und dem Verschulden der Handelnden Rechnung trug. Um die Genugtuungsfunktion und den ebenfalls mit dem Entschädigungsanspruch verfolgten Präventionszweck hinsichtlich weiterer Benachteiligungen zu erfüllen, muss die Zahlung für beide Seiten spürbar sein; die von der Klägerin erhobene Forderung erschien vor diesem Hintergrund moderat und jedenfalls nicht überhöht.

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Aufsatz
Sebastian Longrée / Phil Podann
Fitnessstudioverträge während der COVID‑19-Pandemie
MDR 2022, 798

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