Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung in einem auf Zuweisung eines Schulplatzes gerichteten verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren
BVerfG v. 27.1.2025 - 1 BvR 2184/24Die Beschwerdeführerin begehrte nach ihrer im Wege des Familiennachzugs erfolgten Einreise nach Deutschland für ihre beiden Kinder die Aufnahme in die Vorbereitungsklasse einer Schule für Kinder mit geringen oder keinen Deutschkenntnissen. Nachdem sie die Auskunft erhielt, dass ein Schulplatz frühestens mit Beginn des nächsten Schuljahres zugeteilt werden könne, beantragte sie die Zuweisung eines Schulplatzes im Wege der einstweiligen Anordnung.
Das VG lehnte den Antrag ab. Zwar bestehe ein verfassungsrechtlicher Anspruch der beiden Kinder auf Zuweisung eines Schulplatzes. Der Zeitraum bis zu einer Zuteilung könne jedoch insbesondere aus Gründen fehlender Kapazität verlängert werden. In Sachsen müssten Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen zunächst eine Vorbereitungsklasse besuchen, bis eine Beschulung in einer regulären Klasse möglich sei. Ein entsprechender Platz stehe derzeit nicht zur Verfügung.
Nachdem beide Kinder einen Schulplatz an einer Schule in freier Trägerschaft erlangen konnten, wurde der Rechtsstreit im Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt; das OVG hat den Beteiligten die Kosten je zur Hälfte auferlegt. Diese Kostenentscheidung entspreche billigem Ermessen, weil es offen sei, ob der Freistaat Sachsen die zur Erfüllung des Rechts auf schulische Bildung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 GG erforderlichen Bildungsleistungen wegen aktuell unüberwindlicher personeller, sächlicher oder organisatorischer Zwänge tatsächlich nicht habe erbringen können.
Die Beschwerdeführerin rügt, diese Kostenentscheidung beruhe auf einer das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Missdeutung des Rechts auf schulische Bildung. Ihre Verfassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg.
Die Gründe:
Die Beschwerdeführerin hat eine Verletzung von Grundrechten nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Sie hat nicht dargelegt, dass die Entscheidung des OVG auf einer das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Missdeutung des Rechts auf schulische Bildung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 GG beruht.
Aus dem Recht auf schulische Bildung folgt ein Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf Einhaltung eines nach allgemeiner Auffassung für ihre chancengleiche Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit unverzichtbaren Mindeststandards von Bildungsangeboten an staatlichen Schulen. Der Mindeststandard ist jedenfalls dann unterschritten, wenn den Schülerinnen und Schülern über einen längeren Zeitraum überhaupt kein Unterricht angeboten wird. Der Anspruch auf Wahrung des Mindeststandards besteht jedoch nicht, soweit er wegen aktuell unüberwindlicher personeller, sächlicher oder organisatorischer Zwänge tatsächlich nicht erfüllt werden kann; der Staat ist indes verpflichtet, die möglichen Vorkehrungen zur Wahrung des Mindeststandards zu treffen.
Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, dass das OVG diese Aussagen bei seiner Entscheidung in krasser Weise missdeutet hat. Das OVG hat weder ein Unterschreiten des Mindeststandards im Falle der Kinder der Beschwerdeführerin bezweifelt noch darauf abgestellt, dass die zur Wahrung des Mindeststandards notwendigen Mittel anderweitig hätten verwendet werden dürfen. Vielmehr hat es als nicht geklärt angesehen, ob Vorbereitungsklassen wegen aktuell unüberwindlicher personeller, sächlicher oder organisatorischer Zwänge nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung gestellt werden konnten.
Die Beschwerdeführerin hat nicht substantiiert geltend gemacht, dass diese Annahme des OVG die Grenze zur Willkür überschreitet. Sie setzt sich nicht mit der Frage auseinander, welche Bedeutung der sächsischen Konzeption zur schulischen Integration der Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen für die Ausschöpfung der vorhandenen Kapazitäten zukommt. Auch hatte der Freistaat Sachsen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren u.a. vorgetragen, dass die Anzahl der im Laufe eines Kalenderjahres einwandernden bzw. geflüchteten Kinder nicht prognostizierbar sei und zudem der Bedarf an konkreten Schulplätzen auch erst dann ermittelt werden könne, wenn diese die Erstaufnahmeeinrichtung verließen und eine ausländerrechtliche Zuweisung in eine bestimmte Gemeinde erhielten.
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