13.11.2024

Ersatzflug als zumutbare Maßnahme zur Flugverspätungsbegrenzung

Zu den zumutbaren Maßnahmen i.S.v. Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gehört es, dem Fluggast eine mögliche anderweitige direkte oder indirekte Beförderung mit einem Flug anzubieten, den das betroffene oder ein anderes Luftfahrtunternehmen durchführt und der mit weniger Verspätung als der nächste Flug des betreffenden Luftfahrtunternehmens ankommt, es sei denn, die Durchführung einer solchen anderweitigen Beförderung stellt für das betreffende Unternehmen angesichts seiner Kapazitäten zum maßgeblichen Zeitpunkt ein nicht tragbares Opfer dar (Bestätigung von BGH v. 10.11.2022 - X ZR 97/21; BGH v. 10.10.2023 - X ZR 123/22). Dies gilt auch dann, wenn noch am gleichen Tag eine Ersatzbeförderung durch das Luftfahrtunternehmen selbst möglich ist.

BGH v. 24.9.2024 - X ZR 109/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung in Anspruch. Der Zedent verfügte über eine bestätigte Buchung für einen von der Beklagten durchzuführenden Flug, der planmäßig am 29.7.2019 um 18:55 Uhr (Ortszeit) in Berlin-Tegel starten und um 20:10 Uhr in Düsseldorf landen sollte.

Die Beklagte annullierte sowohl diesen als auch den im Anschluss vorgesehenen und von demselben Flugzeug durchzuführenden (Rück-)Flug von Düsseldorf nach Berlin-Tegel. Sie bot dem Zedenten über den Login-Bereich ihrer Homepage mehrere Flüge ihres Unternehmens als Ersatzbeförderung an, von denen einer noch am selben Tag und die übrigen an den Folgetagen vorgesehen waren. Der Zedent entschied sich für eine Beförderung mit der Bahn.

Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 250 € nebst Zinsen. Das LG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des LG auf und wies die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG zurück.

Die Gründe:
Nach EuGH-Rechtsprechung muss das Luftfahrtunternehmen alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um zu vermeiden, dass es durch außergewöhnliche Umstände genötigt ist, einen Flug zu annullieren, oder dass der Flug nur mit einer großen Verspätung durchgeführt werden kann, deren Folgen für den Fluggast einer Annullierung gleichkommen. Zu den danach gebotenen Maßnahmen gehört es, dem Fluggast eine mögliche anderweitige direkte oder indirekte Beförderung mit einem Flug anzubieten, den das betroffene oder ein anderes Luftfahrtunternehmen durchführt und der mit weniger Verspätung als der nächste Flug des betreffenden Luftfahrtunternehmens ankommt, es sei denn, die Durchführung einer solchen anderweitigen Beförderung stellt für das betreffende Unternehmen angesichts seiner Kapazitäten zum maßgeblichen Zeitpunkt ein nicht tragbares Opfer dar.

Dem Luftfahrtunternehmen obliegt dabei der Nachweis, dass es ihm offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, die betroffenen Passagiere ohne angesichts der Kapazitäten seines Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer durch Maßnahmen wie die Suche nach verfügbaren Sitzplätzen auf etwaigen Flügen von anderen Luftfahrtunternehmen schnellstmöglich anderweitig zu befördern. In Einklang mit dieser Rechtsprechung hat es der Senat bereits in mehreren Entscheidungen als nicht ausreichend angesehen, dass das Luftfahrtunternehmen nur eine Ersatzbeförderung mit eigenen Flügen anbietet.

Das von der Beklagten unterbreitete Angebot genügt den genannten Anforderungen nicht. Die Beklagte hat vorliegend nur eigene Ersatzflüge angeboten. Dies genügt den oben dargelegten Anforderungen nur dann, wenn frühere Möglichkeiten der Ersatzbeförderung mit anderen Luftfahrtunternehmen nicht bestanden haben oder deren Ermittlung oder Nutzung für die Beklagte ein nicht tragbares Opfer dargestellt hätte. Entgegen der Auffassung des LG war ein Angebot von Ersatzbeförderungen mit anderen Luftfahrtunternehmen nicht schon deshalb entbehrlich, weil die Beklagte eine ausreichende Anzahl von Ersatzbeförderungen am Tag des gebuchten Fluges und am Folgetag angeboten hat. Die Pflicht, Möglichkeiten einer Ersatzbeförderung mit anderen Unternehmen anzubieten, besteht auch dann, wenn noch am gleichen Tag eine Ersatzbeförderung durch das Luftfahrtunternehmen selbst möglich ist.

Den angeführten Entscheidungen des EuGH lagen zwar Fälle zugrunde, in denen eine Ersatzbeförderung erst für den Folgetag angeboten worden war. Der EuGH hat jedoch entschieden, dass das Luftfahrtunternehmen nur dann alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt hat, wenn kein Platz auf einem anderen Flug verfügbar ist, der es dem betreffenden Fluggast ermöglicht, mit weniger Verspätung als der nächste Flug des betreffenden Luftfahrtunternehmens an seinem Endziel anzukommen, oder wenn die Durchführung einer solchen anderweitigen Beförderung für das Luftfahrtunternehmen angesichts der Kapazitäten seines Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt ein nicht tragbares Opfer darstellt. Er hat dies nicht auf den Fall beschränkt, dass eigene Flüge erst am Folgetag verfügbar sind.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (siehe Leitsätze)
Zumutbare Maßnahmen zur Flugverspätungsbegrenzung
BGH vom 10.10.2023 - X ZR 123/22
MDR 2024, 18
MDR0062226

Rechtsprechung (siehe Leitsätze)
Ersatzflug nach unwetterbedingter Zerstörung des Flughafens
BGH vom 10.11.2022 - X ZR 97/21
MDR 2023, 88

Aufsatz
Die Entwicklungen des Pauschalreiserechts in den Jahren 2023/24
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2024, 1157

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