Ersatzvornahme: Vertragliches Mitbenutzungsrecht Dritter an zu beseitigendem Objekt hindert Vollstreckung
BGH v. 6.3.2025 - I ZB 38/24
Der Sachverhalt:
Die Schuldnerin ist rechtskräftig zur Beseitigung baulicher Maßnahmen auf einem mit einer Reitanlage bebauten Grundstück und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verurteilt. Die Gläubiger begehren die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil im Wege der Ersatzvornahme nebst Zahlung eines Kostenvorschusses in Bezug auf bestimmte Teile der Gesamtanlage, nämlich die Reithalle, den Reitplatz, die Führanlage außen sowie das Nebengebäude, in dem sich ein Heu-, Futter- und Strohlager befindet. Zu der Reitanlage gehören Pferdeboxen, die gegen Entgelt an Dritte zum Einstellen von Pferden überlassen sind. In den entsprechenden Verträgen ist ein Mitbenutzungsrecht der Einsteller u.a. an den Teilen der Gesamtanlage vereinbart, hinsichtlich derer die Gläubiger die Zwangsvollstreckung begehren.
Das AG gab den Anträgen der Gläubiger statt; das LG wies sie zurück. Die Rechtsbeschwerde der Gläubiger hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO hat das LG jedenfalls dem Ergebnis nach zu Recht verneint.
Nach § 887 Abs. 1 ZPO ist für den Fall, dass der Schuldner die Verpflichtung nicht erfüllt, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen. Nach § 887 Abs. 2 ZPO kann der Gläubiger beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden. Bei der von der Schuldnerin vorzunehmenden Beseitigung baulicher Maßnahmen handelt es sich um eine vertretbare Handlung, die grundsätzlich der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO unterliegt. Das geschuldete Verhalten kann von einem Dritten anstelle der Schuldnerin vorgenommen werden, ohne dass es den Gläubigern darauf ankommt, dass die Beseitigung gerade von der Schuldnerin selbst vorgenommen wird.
Etwas anderes gilt, wenn der Vollstreckungsschuldner das zu beseitigende Objekt an einen Dritten vermietet hat oder die Vollstreckung aus sonstigen Gründen von der Mitwirkung oder Zustimmung eines Dritten abhängt, gegen den sich der Leistungstitel nicht richtet. Die Zwangsvollstreckung ist bei einer derartigen Fallgestaltung nur dann möglich, wenn der Dritte sein Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt oder der Vollstreckungsgläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen den Dritten erwirkt. Fehlt es daran, scheidet eine Vollstreckung nach § 887 ZPO aus und die Zwangsvollstreckung ist nach § 888 Abs. 1 ZPO durchzuführen.
Das LG hat diese Maßstäbe zutreffend zugrunde gelegt und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO jedenfalls im Ergebnis zu Recht verneint. Die abzureißenden Bauwerke sind hier zwar nicht an die Einsteller vermietet. In den Verträgen über die Überlassung der Pferdeboxen ist zu ihren Gunsten aber ausdrücklich ein Mitbenutzungsrecht an den von der begehrten Zwangsvollstreckung betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen (Reithalle, Reitplatz, Führanlage außen und Nebengebäude) vorgesehen. Die Einsteller verfügen auch über eigene, als Schlüssel fungierende Transponder hierfür.
Bereits das den Einstellern vertraglich eingeräumte Mitbenutzungsrecht an den Gemeinschaftseinrichtungen führt dazu, dass die Vollstreckung von der Zustimmung eines Dritten abhängt. Den Entzug eines Mitbenutzungsrechts muss ein Mieter nicht dulden. Eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO wäre dementsprechend nur dann möglich, wenn die Einsteller ihr Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt oder die Gläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen sie erwirkt hätten. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO scheidet aus, weil die Gläubiger diese nicht (hilfsweise) beantragt haben.
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Die Schuldnerin ist rechtskräftig zur Beseitigung baulicher Maßnahmen auf einem mit einer Reitanlage bebauten Grundstück und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verurteilt. Die Gläubiger begehren die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil im Wege der Ersatzvornahme nebst Zahlung eines Kostenvorschusses in Bezug auf bestimmte Teile der Gesamtanlage, nämlich die Reithalle, den Reitplatz, die Führanlage außen sowie das Nebengebäude, in dem sich ein Heu-, Futter- und Strohlager befindet. Zu der Reitanlage gehören Pferdeboxen, die gegen Entgelt an Dritte zum Einstellen von Pferden überlassen sind. In den entsprechenden Verträgen ist ein Mitbenutzungsrecht der Einsteller u.a. an den Teilen der Gesamtanlage vereinbart, hinsichtlich derer die Gläubiger die Zwangsvollstreckung begehren.
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Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO hat das LG jedenfalls dem Ergebnis nach zu Recht verneint.
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Etwas anderes gilt, wenn der Vollstreckungsschuldner das zu beseitigende Objekt an einen Dritten vermietet hat oder die Vollstreckung aus sonstigen Gründen von der Mitwirkung oder Zustimmung eines Dritten abhängt, gegen den sich der Leistungstitel nicht richtet. Die Zwangsvollstreckung ist bei einer derartigen Fallgestaltung nur dann möglich, wenn der Dritte sein Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt oder der Vollstreckungsgläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen den Dritten erwirkt. Fehlt es daran, scheidet eine Vollstreckung nach § 887 ZPO aus und die Zwangsvollstreckung ist nach § 888 Abs. 1 ZPO durchzuführen.
Das LG hat diese Maßstäbe zutreffend zugrunde gelegt und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO jedenfalls im Ergebnis zu Recht verneint. Die abzureißenden Bauwerke sind hier zwar nicht an die Einsteller vermietet. In den Verträgen über die Überlassung der Pferdeboxen ist zu ihren Gunsten aber ausdrücklich ein Mitbenutzungsrecht an den von der begehrten Zwangsvollstreckung betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen (Reithalle, Reitplatz, Führanlage außen und Nebengebäude) vorgesehen. Die Einsteller verfügen auch über eigene, als Schlüssel fungierende Transponder hierfür.
Bereits das den Einstellern vertraglich eingeräumte Mitbenutzungsrecht an den Gemeinschaftseinrichtungen führt dazu, dass die Vollstreckung von der Zustimmung eines Dritten abhängt. Den Entzug eines Mitbenutzungsrechts muss ein Mieter nicht dulden. Eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO wäre dementsprechend nur dann möglich, wenn die Einsteller ihr Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt oder die Gläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen sie erwirkt hätten. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Eine Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO scheidet aus, weil die Gläubiger diese nicht (hilfsweise) beantragt haben.
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