Europäischer Zahlungsbefehl: Unterbrechung nationaler Verfahrensfristen wegen Covid-19
EuGH v. 15.9.2022 - C-18/21
Der Sachverhalt:
Der österreichische Oberste Gerichtshof hat in einem Rechtsstreit zwischen der Uniqa Versicherungen AG und einem deutschen Staatsangehörigen zu entscheiden, ob Letzterer rechtzeitig Einspruch gegen einen von Uniqa beantragten und ihm zugestellten Europäischen Zahlungsbefehl eingelegt hat.
Nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens beträgt die Einspruchsfrist 30 Tage ab Zustellung. Streitig ist, ob dieses Frist in Anwendung des österreichischen COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes vom 21.3.2020 unterbrochen wurde. Danach wurden in Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen alle verfahrensrechtlichen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis nach dem 21.3.2020 eintrat oder die bis dahin noch nicht abgelaufen waren, bis zum Ablauf des 30.4.2020 unterbrochen und begannen mit 1.5.2020 neu zu laufen.
Der österreichische Oberste Gerichtshof hat hierzu den EuGH um Auslegung der Verordnung ersucht.
Die Gründe:
Die Art. 16, 20 und 26 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens sind dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung, die anlässlich des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie erlassen wurde und durch die die Verfahrensfristen in Zivilsachen für etwa fünf Wochen unterbrochen wurden, auf die dem Antragsgegner in Art. 16 Abs. 2 dieser Verordnung eingeräumte Frist von 30 Tagen zur Einlegung eines Einspruchs gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl nicht entgegenstehen.
Im Rahmen der Prüfung, ob die streitige österreichische Regelung den Effektivitätsgrundsatz wahrt (also die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert), ist u.a. festzustellen, dass diese Regelung in keiner Weise die durch die Verordnung harmonisierten Aspekte beeinträchtigt hat. Sie hat lediglich eine auf etwa fünf Wochen beschränkte Unterbrechung vorgesehen, die dem Zeitraum entsprach, in dem die gerichtliche Tätigkeit aufgrund strenger Ausgangsbeschränkungen, die bundesweit wegen der Covid-19-Pandemie verhängt worden waren, stark beeinträchtigt war. Durch diese Regelung wurden auch keine Einspruchsfristen verlängert, die vor deren Inkrafttreten abgelaufen waren. Vorbehaltlich der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof scheint es diese nationale Verfahrensregelung somit ermöglicht zu haben, die Beitreibung der Forderungen nur um einige Wochen zu verzögern und zugleich die tatsächliche Aufrechterhaltung des in der Verordnung vorgesehenen Einspruchsrechts zu gewährleisten, das für das vom Unionsgesetzgeber angestrebte Gleichgewicht wesentlich ist.
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Nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens beträgt die Einspruchsfrist 30 Tage ab Zustellung. Streitig ist, ob dieses Frist in Anwendung des österreichischen COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes vom 21.3.2020 unterbrochen wurde. Danach wurden in Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen alle verfahrensrechtlichen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis nach dem 21.3.2020 eintrat oder die bis dahin noch nicht abgelaufen waren, bis zum Ablauf des 30.4.2020 unterbrochen und begannen mit 1.5.2020 neu zu laufen.
Der österreichische Oberste Gerichtshof hat hierzu den EuGH um Auslegung der Verordnung ersucht.
Die Gründe:
Die Art. 16, 20 und 26 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens sind dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung, die anlässlich des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie erlassen wurde und durch die die Verfahrensfristen in Zivilsachen für etwa fünf Wochen unterbrochen wurden, auf die dem Antragsgegner in Art. 16 Abs. 2 dieser Verordnung eingeräumte Frist von 30 Tagen zur Einlegung eines Einspruchs gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl nicht entgegenstehen.
Im Rahmen der Prüfung, ob die streitige österreichische Regelung den Effektivitätsgrundsatz wahrt (also die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert), ist u.a. festzustellen, dass diese Regelung in keiner Weise die durch die Verordnung harmonisierten Aspekte beeinträchtigt hat. Sie hat lediglich eine auf etwa fünf Wochen beschränkte Unterbrechung vorgesehen, die dem Zeitraum entsprach, in dem die gerichtliche Tätigkeit aufgrund strenger Ausgangsbeschränkungen, die bundesweit wegen der Covid-19-Pandemie verhängt worden waren, stark beeinträchtigt war. Durch diese Regelung wurden auch keine Einspruchsfristen verlängert, die vor deren Inkrafttreten abgelaufen waren. Vorbehaltlich der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof scheint es diese nationale Verfahrensregelung somit ermöglicht zu haben, die Beitreibung der Forderungen nur um einige Wochen zu verzögern und zugleich die tatsächliche Aufrechterhaltung des in der Verordnung vorgesehenen Einspruchsrechts zu gewährleisten, das für das vom Unionsgesetzgeber angestrebte Gleichgewicht wesentlich ist.
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