Feststellung der Identität zwischen dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger und dem im Vollstreckungsbescheid genannten Titelgläubiger
BGH v. 17.1.2024 - VII ZB 54/21Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts C. vom 17.1.2005 über eine Teilhauptforderung i.H.v. 525 €. Der Vollstreckungsbescheid weist als Anspruchsinhaberin die "Q. AG" aus. Ausweislich eines Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts F. entstand die Gläubigerin durch formwechselnde Umwandlung der "Q. AG" in die "Q. GmbH" gemäß Umwandlungsbeschluss vom 13.12.2005.
Die Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich angeblicher Forderungen des Schuldners gegen eine Bank. Zu diesem Antrag trägt die Gläubigerin vor: Die in dem Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung gegen den Schuldner habe sie an die G. F. AG in E. abgetreten. Diese habe die Forderung an die C. E. Limited in I. abgetreten, die wiederum die Forderung an sie zurückabgetreten habe. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch Beschluss des Amtsgericht - Insolvenzgericht - E. vom 1.9.2009 habe der Insolvenzverwalter bestätigt, dass sich die Forderung gegen den Schuldner in ihrem freien Vermögen befinde. Eine Titelumschreibung auf einen neuen Gläubiger sei nicht erfolgt.
Das AG - Vollstreckungsgericht - wies den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück. Aufgrund der von der Gläubigerin dargelegten Ringabtretung bestünden Zweifel an der Parteiidentität. Die von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde blieb vor dem LG ohne Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht zurückgewiesen werden.
Zutreffend geht das LG davon aus, dass die formwechselnde Umwandlung der Q. AG in die Q. GmbH (§ 226, §§ 238 ff. UmwG) die Identität der Gläubigerin unberührt gelassen hat. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung, dass es an der Vollstreckungsvoraussetzung des § 750 Abs. 1 Satz 1 bereits deshalb fehlt, weil die Gläubigerin die zu vollstreckende Forderung abgetreten hatte und aufgrund einer Rückabtretung wieder Inhaberin der Forderung geworden ist.
Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. Diese Vorschrift findet auf Vollstreckungsbescheide mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass diese einer Vollstreckungsklausel nur bedürfen, wenn für einen anderen als den in dem Bescheid bezeichneten Gläubiger oder gegen einen anderen als den in dem Bescheid bezeichneten Schuldner vollstreckt werden soll (§ 794 Abs. 1 Nr. 4, § 795 Satz 1, § 796 Abs. 1 ZPO).
Die Feststellung der Identität zwischen dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger und dem im Vollstreckungsbescheid genannten Titelgläubiger hat nach dem Grundsatz des formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahrens aufgrund eines formalen Vergleichs zu erfolgen. Demgegenüber hat das Vollstreckungsorgan nicht zu prüfen, wer materiell-rechtlich Inhaber des titulierten Anspruches ist. Die Abtretung des titulierten Anspruchs ändert diese vollstreckungsrechtliche Lage nicht. Der im Titel genannte Gläubiger behält das Recht zur Zwangsvollstreckung, bis es aufgrund einer Klauselerteilung an den neuen Gläubiger auf diesen übergegangen oder die Zwangsvollstreckung durch den ursprünglichen Gläubiger nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt worden ist.
Es ist daher festzustellen, dass die den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragende Gläubigerin identisch mit der im Vollstreckungsbescheid ausgewiesenen Titelgläubigerin ist. Einer weiteren Prüfung bedarf es trotz der von der Gläubigerin dargelegten Abtretungen und der Rückabtretung an sie daher nicht. Sollte - entgegen dem Vortrag der Gläubigerin - zugunsten der Abtretungsempfänger eine Vollstreckungsklausel nach § 796 Abs. 1, § 727 ZPO erteilt worden sein, ist der Schuldner vor einer doppelten Zwangsvollstreckung dadurch hinreichend geschützt, dass er die Zwangsvollstreckung des ursprünglichen Gläubigers nach § 794 Abs. 1 Nr. 4, § 795 Satz 1, § 767 Abs. 1 ZPO für unzulässig erklären lassen kann.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung (siehe Leitsätze):
Gesetzliche Prozessstandschaft: Auswirkungen der Abtretung rechtshängiger Ansprüche durch eine Partei kraft Amtes auf das Vollstreckungsverfahren
BGH vom 02.02.2017 - I ZR 146/16
MDR 2017, 542
Kommentierung | ZPO
Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
Seibel in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023
Kommentierung | ZPO
§ 794 Weitere Vollstreckungstitel
Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023
Kommentierung | ZPO
795 Anwendung der allgemeinen Vorschriften auf die weiteren Vollstreckungstitel
Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023
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