Feuchte Wohnung kann auch ohne Schimmel mangelhaft sein
LG Paderborn v. 6.3.2024 - 1 S 72/22
Der Sachverhalt:
Der Beklagte vermietet insgesamt 32 Wohnungen. Die Klägerin ist seit 1.11.2019 Mieterin einer Altbauwohnung des Beklagten im Erdgeschoss. Das Haus wurde ca. 1926 errichtet. Sowohl der Keller des Hauses als auch der zur Wohnung gehörende Kellerraum sind feucht. Ebenfalls besteht Feuchtigkeit in Teilen der Wände der Mietwohnung. Die Feuchtigkeit hatte dort bereits u.a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselndem Putz geführt.
Die Klägerin hielt die Feuchtigkeit in der Wohnung und im Keller für einen Mietmangel, der sie zur Mietminderung von 50 % berechtige. Der Beklagte habe, trotz unverzüglicher Anzeige, keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Feuchtigkeit im Mauerwerk und die zu Grunde liegende Ursache zu beheben. Ihr Lüftungsverhalten sei ordnungsgemäß. Der Beklagte hielt dagegen, ein Mangel der Mietsache liege nicht vor. In der Wohnung bestehe kein Schimmel. Das Haus entspreche dem Baustandard von 1924. Das Lüftverhalten der Klägerin sei zumindest mitursächlich für die Feuchtigkeitserscheinungen. Ferner sei eine Beseitigung der bauseitigen Ursache, soweit eine solche bestehe, jedenfalls unverhältnismäßig.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, Wände mit derart hohen Feuchtewerten, die innenseitig Salzausblühungen aufwiesen, seien im Mietwohnungsbereich nicht hinnehmbar. Aus fachlicher Sicht seien zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Wohnung trockene Wände erforderlich. Dem sei allerdings nicht zu folgen. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Feuchtigkeit an sich die Benutzbarkeit der Wohnung einschränke.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Anders als das AG angenommen hat, steht der Klägerin sowohl gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der von ihr geltend gemachten Feuchteerscheinungen in den betroffenen Wänden in Schlafzimmer, Flur und Wohnzimmer als auch gem. § 536 Abs. 1 BGB ein Feststellungsanspruch hinsichtlich eines auf die Feuchteerscheinungen in der Wohnung gestützten Minderungsrechts von 20 % zu. Zu Recht hat das AG jedoch einen Anspruch auf Beseitigung der im von der Klägerin angemieteten Kellerraum bestehenden Feuchtigkeit in den Wänden verneint.
Die in den genannten Wänden bestehende Feuchtigkeit, die vorliegend u.a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselndem Putz geführt hatte, stellte einen Mangel der Mietwohnung dar, der einen Beseitigungsanspruch der Klägerin zur Folge hat. Dies gilt entgegen der Rechtsauffassung des AG sogar dann, wenn hierdurch der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnung nicht erheblich beeinträchtigt wäre, wobei eine solche erhebliche Beeinträchtigung hier vorliegt. Die Erfüllung des Instandsetzungsanspruchs stellt sich schließlich auch nicht für den Beklagten als wirtschaftlich unzumutbar dar. Der Beklagte ist Vermieter von insgesamt 32 Wohnungen, sodass an seinem Vortrag zum Lebensunterhalt in Bezug auf das streitgegenständliche Mietobjekt doch erhebliche Zweifel bestanden.
Durch die Durchfeuchtung der Wände ist die Tauglichkeit der Mietsache gemindert. Nach der BGH-Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2018 - V ZR 203/17) haben zudem massive Durchfeuchtungen von Innen- und Außenwänden von zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Wohnkomfort, Gesundheit und den optischen Eindruck. Massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände - wie hier - müssten deshalb weder in Wohnungs- noch in Teileigentumseinheiten hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist. Da die Raumluftfeuchte nicht zu hoch ist, war eine Minderungsquote von 20 % - und nicht wie von der Klägerin begehrt von 50 % - auszusprechen.
Im Hinblick auf den von der Klägerin mitgemieteten Kellerraum liegt hingegen kein Mangel, der einen Anspruch gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB begründet. Zwar wurde ein Feuchtewert von 100 % gemessen. Auch seien an der Putzoberfläche bereits Salzausblühungen erkennbar gewesen. Bei den ermittelten Werten handele es sich nach den Darstellungen des Sachverständigen aber um bauzeit- und bauarttypische Werte, die nicht verwunderten, da die Bodenplatten aus dieser Zeit häufig aus Ziegel oder Magerbeton erstellt worden und daher nicht wasserdicht seien. 1926 hätten auch keine verbindlichen Abdichtungsvorschriften vorgelegen. Da insofern bis in die 1960er Jahre keine hochwertigen und dauerhaften Abdichtungssysteme zur Verfügung gestanden hätten, würden die Außenwände dieser Altbaukeller sehr häufig hohe Feuchtewerte aufweisen.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Nutzungsentschädigung: Kein Anspruch bei Annahmeverzug des Vermieters
AG Hamburg v. 29.7.2022 - 48 C 331/21
Ulf P. Börstinghaus, MietRB 2022, 319
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Justiz NRW
Der Beklagte vermietet insgesamt 32 Wohnungen. Die Klägerin ist seit 1.11.2019 Mieterin einer Altbauwohnung des Beklagten im Erdgeschoss. Das Haus wurde ca. 1926 errichtet. Sowohl der Keller des Hauses als auch der zur Wohnung gehörende Kellerraum sind feucht. Ebenfalls besteht Feuchtigkeit in Teilen der Wände der Mietwohnung. Die Feuchtigkeit hatte dort bereits u.a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselndem Putz geführt.
Die Klägerin hielt die Feuchtigkeit in der Wohnung und im Keller für einen Mietmangel, der sie zur Mietminderung von 50 % berechtige. Der Beklagte habe, trotz unverzüglicher Anzeige, keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Feuchtigkeit im Mauerwerk und die zu Grunde liegende Ursache zu beheben. Ihr Lüftungsverhalten sei ordnungsgemäß. Der Beklagte hielt dagegen, ein Mangel der Mietsache liege nicht vor. In der Wohnung bestehe kein Schimmel. Das Haus entspreche dem Baustandard von 1924. Das Lüftverhalten der Klägerin sei zumindest mitursächlich für die Feuchtigkeitserscheinungen. Ferner sei eine Beseitigung der bauseitigen Ursache, soweit eine solche bestehe, jedenfalls unverhältnismäßig.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, Wände mit derart hohen Feuchtewerten, die innenseitig Salzausblühungen aufwiesen, seien im Mietwohnungsbereich nicht hinnehmbar. Aus fachlicher Sicht seien zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Wohnung trockene Wände erforderlich. Dem sei allerdings nicht zu folgen. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Feuchtigkeit an sich die Benutzbarkeit der Wohnung einschränke.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Anders als das AG angenommen hat, steht der Klägerin sowohl gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der von ihr geltend gemachten Feuchteerscheinungen in den betroffenen Wänden in Schlafzimmer, Flur und Wohnzimmer als auch gem. § 536 Abs. 1 BGB ein Feststellungsanspruch hinsichtlich eines auf die Feuchteerscheinungen in der Wohnung gestützten Minderungsrechts von 20 % zu. Zu Recht hat das AG jedoch einen Anspruch auf Beseitigung der im von der Klägerin angemieteten Kellerraum bestehenden Feuchtigkeit in den Wänden verneint.
Die in den genannten Wänden bestehende Feuchtigkeit, die vorliegend u.a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselndem Putz geführt hatte, stellte einen Mangel der Mietwohnung dar, der einen Beseitigungsanspruch der Klägerin zur Folge hat. Dies gilt entgegen der Rechtsauffassung des AG sogar dann, wenn hierdurch der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnung nicht erheblich beeinträchtigt wäre, wobei eine solche erhebliche Beeinträchtigung hier vorliegt. Die Erfüllung des Instandsetzungsanspruchs stellt sich schließlich auch nicht für den Beklagten als wirtschaftlich unzumutbar dar. Der Beklagte ist Vermieter von insgesamt 32 Wohnungen, sodass an seinem Vortrag zum Lebensunterhalt in Bezug auf das streitgegenständliche Mietobjekt doch erhebliche Zweifel bestanden.
Durch die Durchfeuchtung der Wände ist die Tauglichkeit der Mietsache gemindert. Nach der BGH-Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2018 - V ZR 203/17) haben zudem massive Durchfeuchtungen von Innen- und Außenwänden von zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Wohnkomfort, Gesundheit und den optischen Eindruck. Massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände - wie hier - müssten deshalb weder in Wohnungs- noch in Teileigentumseinheiten hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist. Da die Raumluftfeuchte nicht zu hoch ist, war eine Minderungsquote von 20 % - und nicht wie von der Klägerin begehrt von 50 % - auszusprechen.
Im Hinblick auf den von der Klägerin mitgemieteten Kellerraum liegt hingegen kein Mangel, der einen Anspruch gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB begründet. Zwar wurde ein Feuchtewert von 100 % gemessen. Auch seien an der Putzoberfläche bereits Salzausblühungen erkennbar gewesen. Bei den ermittelten Werten handele es sich nach den Darstellungen des Sachverständigen aber um bauzeit- und bauarttypische Werte, die nicht verwunderten, da die Bodenplatten aus dieser Zeit häufig aus Ziegel oder Magerbeton erstellt worden und daher nicht wasserdicht seien. 1926 hätten auch keine verbindlichen Abdichtungsvorschriften vorgelegen. Da insofern bis in die 1960er Jahre keine hochwertigen und dauerhaften Abdichtungssysteme zur Verfügung gestanden hätten, würden die Außenwände dieser Altbaukeller sehr häufig hohe Feuchtewerte aufweisen.
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Ulf P. Börstinghaus, MietRB 2022, 319
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