Fischertagsverein muss auch Frauen mitfischen lassen
LG Memmingen v. 28.7.2021, 13 S 1372/20
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der laut Satzung der Heimatpflege, Heimatkunde, Kultur und dem Umweltschutz dient. Der Zweck wird insbesondere verwirklicht durch die Durchführung und festliche Gestaltung des alljährlich stattfindenden Fischertages und der periodisch stattfindenden Festspiele, die Pflege des Stadtbaches und des heimischen Brauchtums sowie die Pflege von Begegnungen, insbesondere mit historischen Bezügen auf nationaler und internationaler Ebene.
Die Klägerin ist seit 1987 Mitglied beim Beklagten. Dieser hat rund 5.000 Mitglieder, darunter 1.500 Frauen. Innerhalb des Vereins existieren verschiedene Gruppierungen. Diese gliedern sich in die Gruppe der Stadtbachfischer, die Fischertagsgruppen und die Festspielgruppen. Die Satzungsregelung, die Frauen von der Teilnahme in der Untergruppe der Stadtbachfischer ausschließt, war nachträglich im Jahr 1931 eingeführt worden. Seither wurde die Satzung zwar mehrfach geändert, doch faktisch haben Frauen seit Gründung des Vereins im Jahr 1900 nie als Fischerinnen am Fischertag teilgenommen.
Bemühungen der Klägerin in den letzten Jahren, eine Satzungsänderung herbeizuführen scheiterten. Ihr Antrag, das Wort "männlich" in der Satzung zu streichen, scheiterte zweimal und ihr Antrag zur Teilnahme am sog. "Fischerkurs" wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass dies nur männlichen Mitgliedern erlaubt sei. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Nichtaufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sowie gegen § 18 AGG verstoße sowie nicht mit dem Vereinszweck und der beanspruchten Gemeinnützigkeit vereinbar sei. Der Beklagte war der Auffassung, dass wegen des Grundsatzes der Vereinsautonomie jeder Verein selbst entscheiden könne, welchen Personen er welche Rechte einräume. Es handle sich um einen Geselligkeitsverein, sodass keine Grundrechtsbindung existiere.
Das AG hat der Klage auf Aufnahme in die Gruppe der Stadtbachfischer stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb vor dem LG erfolglos.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des AG ergibt sich der Aufnahmeanspruch der bereits langjährig im Verein aufgenommenen Klägerin in die Untergruppe der Stadtbachfischer weder aus §§ 826 und 249 BGB, Art. 3 Abs. 2 GG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung noch aus § 18 Abs. 2 AGG wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich jedoch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen eines Verstoßes des Beklagten gegen das Recht der Vereinsmitglieder auf Gleichbehandlung.
Das allgemeinpolitische Ziel der Klägerin, Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern durchzusetzen, ist kein ausreichendes eigenes Interesse der Klägerin, bei dessen Verletzung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. Rechtsprechung zu §§ 826 und 249 BGB, Art. 3 Abs. 2 GG vorliegen würde. Die Rechtsprechung erkennt für die Bejahung eines Aufnahmeanspruchs nur sich konkret auswirkende Nachteile im Sinne eines individuellen Angewiesenseins aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen an.
Ein benachteiligtes Vereinsmitglied hat aber nach § 280 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch gegen den Verein. Dieser richtet sich nach dem Grundsatz der Naturalrestitution zunächst auf Beseitigung der Ungleichbehandlung. Auch innerhalb von Vereinen gilt unstreitig der Gleichbehandlungsgrundsatz als allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts und Ausfluss des Wesens der Korporation im Sinne des Willkürverbots. Eine unterschiedliche Behandlung erfordert zwar keinen wichtigen Grund. Für eine Ungleichbehandlung der Vereinsmitglieder muss allerdings, was auch der Beklagte nicht bestreitet, ein sachlicher Grund vorliegen.
Das AG hat zu Recht ausgeführt, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum eine Teilnahme von Frauen nicht auch bei der Untergruppe der Stadtbachfischer möglich sein sollte und warum die Erinnerung an die historische Tradition nicht auch durch Fischerinnen, gegebenenfalls auch in Männerkleidung, aufrechterhalten werden könnte. Ein sachlicher Grund, zwischen männlichen und weiblichen Vereinsmitgliedern zu differenzieren, liegt somit nicht vor.
Soweit Schwennicke in der Kommentierung bei Staudinger entgegen der h.M. den Gleichbehandlungsgrundsatz im Verein als dispositiv erachtet und die Schranke für die Verleihung von Sonderrechten nicht im Gleichbehandlungsgrundsatz sieht, sondern erst dann überschritten sieht, wenn der Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist, so ist dies nicht streitentscheidend. Denn abgesehen davon, dass die Kammer der h.M. folgt, würde auch die sog. Kernbereichslehre zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn auch danach wäre die Einräumung von Sonderrechten bei einem Eingriff in den geschützten Kernbereich der Mitgliedschaft nur wirksam, wenn auch die ausgegrenzte Gruppe zugestimmt hätte. Eine bloße satzungsändernde Mehrheit ohne Einschluss der benachteiligten Mitglieder würde nicht genügen.
Bayern.Recht
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der laut Satzung der Heimatpflege, Heimatkunde, Kultur und dem Umweltschutz dient. Der Zweck wird insbesondere verwirklicht durch die Durchführung und festliche Gestaltung des alljährlich stattfindenden Fischertages und der periodisch stattfindenden Festspiele, die Pflege des Stadtbaches und des heimischen Brauchtums sowie die Pflege von Begegnungen, insbesondere mit historischen Bezügen auf nationaler und internationaler Ebene.
Die Klägerin ist seit 1987 Mitglied beim Beklagten. Dieser hat rund 5.000 Mitglieder, darunter 1.500 Frauen. Innerhalb des Vereins existieren verschiedene Gruppierungen. Diese gliedern sich in die Gruppe der Stadtbachfischer, die Fischertagsgruppen und die Festspielgruppen. Die Satzungsregelung, die Frauen von der Teilnahme in der Untergruppe der Stadtbachfischer ausschließt, war nachträglich im Jahr 1931 eingeführt worden. Seither wurde die Satzung zwar mehrfach geändert, doch faktisch haben Frauen seit Gründung des Vereins im Jahr 1900 nie als Fischerinnen am Fischertag teilgenommen.
Bemühungen der Klägerin in den letzten Jahren, eine Satzungsänderung herbeizuführen scheiterten. Ihr Antrag, das Wort "männlich" in der Satzung zu streichen, scheiterte zweimal und ihr Antrag zur Teilnahme am sog. "Fischerkurs" wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass dies nur männlichen Mitgliedern erlaubt sei. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Nichtaufnahme in die Untergruppe der Stadtbachfischer gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sowie gegen § 18 AGG verstoße sowie nicht mit dem Vereinszweck und der beanspruchten Gemeinnützigkeit vereinbar sei. Der Beklagte war der Auffassung, dass wegen des Grundsatzes der Vereinsautonomie jeder Verein selbst entscheiden könne, welchen Personen er welche Rechte einräume. Es handle sich um einen Geselligkeitsverein, sodass keine Grundrechtsbindung existiere.
Das AG hat der Klage auf Aufnahme in die Gruppe der Stadtbachfischer stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb vor dem LG erfolglos.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des AG ergibt sich der Aufnahmeanspruch der bereits langjährig im Verein aufgenommenen Klägerin in die Untergruppe der Stadtbachfischer weder aus §§ 826 und 249 BGB, Art. 3 Abs. 2 GG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung noch aus § 18 Abs. 2 AGG wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich jedoch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen eines Verstoßes des Beklagten gegen das Recht der Vereinsmitglieder auf Gleichbehandlung.
Das allgemeinpolitische Ziel der Klägerin, Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern durchzusetzen, ist kein ausreichendes eigenes Interesse der Klägerin, bei dessen Verletzung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. Rechtsprechung zu §§ 826 und 249 BGB, Art. 3 Abs. 2 GG vorliegen würde. Die Rechtsprechung erkennt für die Bejahung eines Aufnahmeanspruchs nur sich konkret auswirkende Nachteile im Sinne eines individuellen Angewiesenseins aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen an.
Ein benachteiligtes Vereinsmitglied hat aber nach § 280 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch gegen den Verein. Dieser richtet sich nach dem Grundsatz der Naturalrestitution zunächst auf Beseitigung der Ungleichbehandlung. Auch innerhalb von Vereinen gilt unstreitig der Gleichbehandlungsgrundsatz als allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts und Ausfluss des Wesens der Korporation im Sinne des Willkürverbots. Eine unterschiedliche Behandlung erfordert zwar keinen wichtigen Grund. Für eine Ungleichbehandlung der Vereinsmitglieder muss allerdings, was auch der Beklagte nicht bestreitet, ein sachlicher Grund vorliegen.
Das AG hat zu Recht ausgeführt, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum eine Teilnahme von Frauen nicht auch bei der Untergruppe der Stadtbachfischer möglich sein sollte und warum die Erinnerung an die historische Tradition nicht auch durch Fischerinnen, gegebenenfalls auch in Männerkleidung, aufrechterhalten werden könnte. Ein sachlicher Grund, zwischen männlichen und weiblichen Vereinsmitgliedern zu differenzieren, liegt somit nicht vor.
Soweit Schwennicke in der Kommentierung bei Staudinger entgegen der h.M. den Gleichbehandlungsgrundsatz im Verein als dispositiv erachtet und die Schranke für die Verleihung von Sonderrechten nicht im Gleichbehandlungsgrundsatz sieht, sondern erst dann überschritten sieht, wenn der Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist, so ist dies nicht streitentscheidend. Denn abgesehen davon, dass die Kammer der h.M. folgt, würde auch die sog. Kernbereichslehre zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn auch danach wäre die Einräumung von Sonderrechten bei einem Eingriff in den geschützten Kernbereich der Mitgliedschaft nur wirksam, wenn auch die ausgegrenzte Gruppe zugestimmt hätte. Eine bloße satzungsändernde Mehrheit ohne Einschluss der benachteiligten Mitglieder würde nicht genügen.