12.07.2021

Flug annulliert: Entschädigung des Reiseveranstalters ist anrechenbar auf die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gegen die Fluggesellschaft

Eine Entschädigungsleistung, die ein Fluggast nach Stornierung eines zu einer Pauschalreise gehörenden Flugs vom Reiseveranstalter für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit erhalten hat, stellt eine Schadensersatzleistung dar, die gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO nach Maßgabe der Grundsätze über die Vorteilsausgleichung anrechenbar ist.

BGH v. 1.6.2021 - X ZR 8/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin buchte bei einer Reiseveranstalterin für die Zeit vom 5.-12.10.2016 eine Urlaubsreise, die von der Beklagten durchzuführende Flüge von Frankfurt a.M. auf die Kapverden und zurück umfasste. Der Hinflug wurde annulliert. Die Reiseveranstalterin kündigte die Reise. Die Klägerin nahm sie erfolgreich auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit i.H.v. 750,- € in Anspruch.

Von der Beklagten verlangte die Klägerin eine Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FluggastrechteVO für den annullierten Hinflug und den nicht angetretenen Rückflug i.H.v. insgesamt 1.200,- € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Das AG wies die Klage ab; das LG gab ihr statt und verurteilte die Beklagte wegen des Hinflugs zur Zahlung von 600,- € nebst anteiligen Anwaltskosten. Aur die Berufung der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteil des AG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellt die Entschädigungsleistung, die die Klägerin von der Reiseveranstalterin für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit erhalten hat, eine Schadensersatzleistung dar, die gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO anrechenbar ist.

Leistungen, die der Fluggast als Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit erhalten hat, sind auch auf der Grundlage des bis 30.6.2018 geltenden Rechts gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 FluggastrechteVO auf einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO nach Maßgabe der Grundsätze über die Vorteilsausgleichung anzurechnen. Dies entspricht der Rechtsfolge, die nach neuem Recht in Erwägungsgrund 36 und Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2015/2302 (Pauschalreise-Richtlinie) sowie § 651p Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB ausdrücklich vorgesehen ist.

Die Entschädigungsleistung nach § 651f Abs. 2 BGB in der bis zum 30.6.2018 geltenden Fassung dient dem Ausgleich eines immateriellen Schadens, der auch von dem Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO abgedeckt ist. Nach den im deutschen Recht maßgeblichen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Nach diesen Grundsätzen ist die von einer Reiseveranstalterin geleistete Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit auf Ansprüche auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung anzurechnen.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung fehlt es an einer Identität der Schäden nicht deshalb, weil die Entschädigung nach § 651f Abs. 2 BGB aF auch und in erster Linie Unannehmlichkeiten abdeckt, die im Zeitraum nach dem geplanten Flug entstanden sind.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung führt der Zweck der Reise nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Ausgleichsleistung nach Art. 7 FluggastrechteVO entschädigt die Fluggäste dafür, dass sie über ihre Zeit nicht wie geplant verfügen konnten. Die Situation eines Pauschalreisenden unterscheidet sich insoweit nicht grundlegend von der Situation anderer Fluggäste. Pauschalreisende haben lediglich den Vorteil, dass sie eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit auch vom Reiseveranstalter verlangen können.

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Anrechnung danach vor: Die Zahlung der Reiseveranstalterin diente der Abgeltung der gegen sie geltend gemachten Klageansprüche. Geltend gemacht waren Ansprüche auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach § 651f Abs. 2 BGB aF - nicht hingegen Ansprüche auf Ersatz eines darüber hinausgehenden individuellen Schadens.
BGH online
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