Flug nach Australien wegen Reduzierung der Kapazitäten storniert
LG Frankfurt a.M. v. 20.1.2022 - 2-24 O 137/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger und zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten haben, hatten bei der Beklagten Flüge von Frankfurt nach Doha und von dort nach Perth und weiter nach Cairns gebucht. Die drei Personen beabsichtigten, in Australien zu bleiben. Am 12.6.2021 stornierte die Beklagte die Buchung der Flüge und bot Ersatzflüge für September 2021 an. Der Kläger buchte hingegen für den 23.6.2021 Ersatzflüge bei einer anderen Fluggesellschaft. Um nach Australien fliegen zu dürfen, mussten sich der Kläger und die Zedenten sich am 21.6.2021 in ein Hotel in Frankfurt in Quarantäne begeben. Für die Ersatzflüge zahlten sie insgesamt 4.085 €. Für einen weiteren Flug innerhalb von Australien, um an den geplanten Zielort zu gelangen, zahlten sie 701 €.
Der Kläger behauptete, er habe mit den bei der Beklagten gebuchten Flügen Deutschland verlassen wollen. Deshalb habe er seine Wohnung in Berlin gekündigt. Um die Zeit bis zum Abflug des Ersatzfluges zu überbrücken, habe er bei Verwandten in Mönchengladbach gewohnt, wofür keine Kosten angefallen seien. Um nach Mönchengladbach zu gelangen, habe der Kläger ein Fahrzeug angemietet.
Der Kläger behauptete außerdem, eine Einreisebeschränkung nach Australien habe es für ihn und die Zedenten nicht gegeben. Sie hätten eine Einreisegenehmigung gehabt. Er verwies insoweit auf ein Schreiben der australischen Regierung. Sie hätten lediglich einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegen müssen und hätten sich nach ihrer Ankunft in Quarantäne begeben müssen, wozu sie bereit gewesen wären. Insgesamt forderten sie von der Beklagten 7.164 € nebst 790 € außergerichtliche Honorarkosten für den Rechtsanwalt.
Die Beklagte behauptete, wegen der geringen Beförderungskapazitäten hätte sie den Kläger und die Zedenten erst im September 2021 befördern können. Eine frühere Beförderung sei der Beklagten unmöglich gewesen. Das LG gab der Klage i.H.v. 1.800 € plus 280 € für vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger kann von der Beklagten für sich und die mitreisenden Personen eine Ausgleichsleistung von 600 € pro Person, mithin insgesamt 1.800 € verlangen. Der Anspruch beruht auf Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. c VO (EG) 261/2004 (im Folgenden VO genannt).
Die geplanten Flüge fanden statt. Allerdings teilte die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen am 12.6.2021 mit, dass sie auf diesen Flügen nicht befördert würden. Es handelt sich dabei um eine vorweggenommene Beförderungsverweigerung i.S.d. BGH-Rechtsprechung (Urteil v. 17.3.2015 - X ZR 34/14), weshalb der Kläger und die mitreisenden Personen nicht verpflichtet waren, am Abflugtag zur Flugabfertigung zu erscheinen. Die Beklagte hatte durch ihre Mitteilung vom 12.6.2021 unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kläger und die mitreisenden Personen nicht befördern werde. Ein Fall der Annullierung i.S.d. Art. 5 VO liegt hingegen nicht vor.
Ein Angebot der Beklagten, dass der Kläger und die mitreisenden Personen angesichts der Beschränkung der Beförderungszahl freiwillig auf ihre Buchung verzichten würden, hatte es nicht gegeben. Da die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen durch ihre Stornierungsmitteilung mithin die Beförderung i.S.d. Art. 4 Abs. 3 VO die Beförderung verweigert hat, schuldet sie die Ausgleichszahlung gem. Art. 7 Abs. 1 lit. c VO. Dass die Reduzierung der Kapazität der zu befördernden Personen auf einer Anordnung der australischen Behörden beruhte, hindert die Ausgleichsleistung nicht. Art. 4 Abs. 3 VO benennt insofern keinen Grund für die Beförderungsverweigerung.
Da die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen eine anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat, schuldet die Beklagte nicht die Kosten einer Ersatzbeförderung, wenn die Fluggäste nicht bis zu diesem Zeitpunkt warten wollen. Die Beklagte schuldet auf der Grundlage des Art. 8 VO auch keine Beförderung mit einem anderen Luftfahrtunternehmen. Das Gleiche gilt für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Ersatzfluges auf vertraglicher Grundlage. Selbst wenn auf das Beförderungsverhältnis gem. Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO deutsches Recht anzuwenden wäre, würde einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB fehlendes Verschulden entgegenstehen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Dem Kläger steht ebenso kein Anspruch auf Erstattung der Hotelkosten in Frankfurt zu. Diese Kosten beruhen nicht auf der Beförderungsverweigerung der Beklagten. Sie dienten auch nicht als Ersatz einer Betreuungsleistung i.S.d. Art. 8 oder 9 VO. Die Beklagte schuldet auch nicht die Kosten, die der Kläger für eine Fahrt von Berlin nach Mönchengladbach aufgewendet hat. Denn Fahrtkosten unterfallen nicht den von der Beklagten geschuldeten Betreuungsleistungen gem. Art. 8 oder 9 VO. Dem Kläger steht auch kein Recht zu, ggf. geschuldete Maßnahmen zur Unterstützung oder Betreuung durch andere Aufwendungen zu ersetzen, die die Beklagte nicht geschuldet hätte. Es besteht auch kein Ersatzanspruch auf vertraglicher Grundlage, da die Beklagte den Grund, warum der Kläger von Berlin nach Mönchengladbach gefahren ist, nicht verschuldet hat.
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Der Kläger und zwei weitere Personen, die ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten haben, hatten bei der Beklagten Flüge von Frankfurt nach Doha und von dort nach Perth und weiter nach Cairns gebucht. Die drei Personen beabsichtigten, in Australien zu bleiben. Am 12.6.2021 stornierte die Beklagte die Buchung der Flüge und bot Ersatzflüge für September 2021 an. Der Kläger buchte hingegen für den 23.6.2021 Ersatzflüge bei einer anderen Fluggesellschaft. Um nach Australien fliegen zu dürfen, mussten sich der Kläger und die Zedenten sich am 21.6.2021 in ein Hotel in Frankfurt in Quarantäne begeben. Für die Ersatzflüge zahlten sie insgesamt 4.085 €. Für einen weiteren Flug innerhalb von Australien, um an den geplanten Zielort zu gelangen, zahlten sie 701 €.
Der Kläger behauptete, er habe mit den bei der Beklagten gebuchten Flügen Deutschland verlassen wollen. Deshalb habe er seine Wohnung in Berlin gekündigt. Um die Zeit bis zum Abflug des Ersatzfluges zu überbrücken, habe er bei Verwandten in Mönchengladbach gewohnt, wofür keine Kosten angefallen seien. Um nach Mönchengladbach zu gelangen, habe der Kläger ein Fahrzeug angemietet.
Der Kläger behauptete außerdem, eine Einreisebeschränkung nach Australien habe es für ihn und die Zedenten nicht gegeben. Sie hätten eine Einreisegenehmigung gehabt. Er verwies insoweit auf ein Schreiben der australischen Regierung. Sie hätten lediglich einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegen müssen und hätten sich nach ihrer Ankunft in Quarantäne begeben müssen, wozu sie bereit gewesen wären. Insgesamt forderten sie von der Beklagten 7.164 € nebst 790 € außergerichtliche Honorarkosten für den Rechtsanwalt.
Die Beklagte behauptete, wegen der geringen Beförderungskapazitäten hätte sie den Kläger und die Zedenten erst im September 2021 befördern können. Eine frühere Beförderung sei der Beklagten unmöglich gewesen. Das LG gab der Klage i.H.v. 1.800 € plus 280 € für vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
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Die geplanten Flüge fanden statt. Allerdings teilte die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen am 12.6.2021 mit, dass sie auf diesen Flügen nicht befördert würden. Es handelt sich dabei um eine vorweggenommene Beförderungsverweigerung i.S.d. BGH-Rechtsprechung (Urteil v. 17.3.2015 - X ZR 34/14), weshalb der Kläger und die mitreisenden Personen nicht verpflichtet waren, am Abflugtag zur Flugabfertigung zu erscheinen. Die Beklagte hatte durch ihre Mitteilung vom 12.6.2021 unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kläger und die mitreisenden Personen nicht befördern werde. Ein Fall der Annullierung i.S.d. Art. 5 VO liegt hingegen nicht vor.
Ein Angebot der Beklagten, dass der Kläger und die mitreisenden Personen angesichts der Beschränkung der Beförderungszahl freiwillig auf ihre Buchung verzichten würden, hatte es nicht gegeben. Da die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen durch ihre Stornierungsmitteilung mithin die Beförderung i.S.d. Art. 4 Abs. 3 VO die Beförderung verweigert hat, schuldet sie die Ausgleichszahlung gem. Art. 7 Abs. 1 lit. c VO. Dass die Reduzierung der Kapazität der zu befördernden Personen auf einer Anordnung der australischen Behörden beruhte, hindert die Ausgleichsleistung nicht. Art. 4 Abs. 3 VO benennt insofern keinen Grund für die Beförderungsverweigerung.
Da die Beklagte dem Kläger und den mitreisenden Personen eine anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat, schuldet die Beklagte nicht die Kosten einer Ersatzbeförderung, wenn die Fluggäste nicht bis zu diesem Zeitpunkt warten wollen. Die Beklagte schuldet auf der Grundlage des Art. 8 VO auch keine Beförderung mit einem anderen Luftfahrtunternehmen. Das Gleiche gilt für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Ersatzfluges auf vertraglicher Grundlage. Selbst wenn auf das Beförderungsverhältnis gem. Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO deutsches Recht anzuwenden wäre, würde einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB fehlendes Verschulden entgegenstehen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Dem Kläger steht ebenso kein Anspruch auf Erstattung der Hotelkosten in Frankfurt zu. Diese Kosten beruhen nicht auf der Beförderungsverweigerung der Beklagten. Sie dienten auch nicht als Ersatz einer Betreuungsleistung i.S.d. Art. 8 oder 9 VO. Die Beklagte schuldet auch nicht die Kosten, die der Kläger für eine Fahrt von Berlin nach Mönchengladbach aufgewendet hat. Denn Fahrtkosten unterfallen nicht den von der Beklagten geschuldeten Betreuungsleistungen gem. Art. 8 oder 9 VO. Dem Kläger steht auch kein Recht zu, ggf. geschuldete Maßnahmen zur Unterstützung oder Betreuung durch andere Aufwendungen zu ersetzen, die die Beklagte nicht geschuldet hätte. Es besteht auch kein Ersatzanspruch auf vertraglicher Grundlage, da die Beklagte den Grund, warum der Kläger von Berlin nach Mönchengladbach gefahren ist, nicht verschuldet hat.
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