Flug verpasst: Entschädigung wegen überlanger Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle
OLG Frankfurt a.M. v. 27.1.2022 - 1 U 220/20
Der Sachverhalt:
Die Kläger nehmen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz wegen eines verpassten Flugs in Anspruch. Die Beklagte organisiert die Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen. Die Kläger wollten von dort in die Dominikanische Republik fliegen. Die Abflugzeit war 11.50 Uhr, das Boarding begann 10.50 Uhr; das Gate schloss um 11.30 Uhr. Die Kläger passierten die Sicherheitskontrolle zu spät; das Boarding war bereits abgeschlossen, als sie den Flugsteig erreichten. Sie verlangen nun Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets sowie der zusätzlichen Übernachtung und behaupten, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen sei. Es sei zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen.
Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Die Beklagte hat zwar bei der Organisation der Sicherheitskontrolle keine Amtspflichten verletzt, insbesondere nicht zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt. Den Klägern steht aber ein Schadensersatzanspruch über die Grundsätze der Aufopferung bzw. wegen enteignenden Eingriffs zu.
Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsposition des Eigentümers einwirkt und zu einem Sonderopfer führt, dass die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreitet, kann ein solcher Anspruch entstehen. Hier hat die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Kläger ihren Flug verpasst haben. Die Kläger müssen sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die auch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann, von vornherein einstellen. Ein Fluggast muss sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern darf sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten.
Im Streitfall sind die Kläger rechtzeitig am Flughafen erschienen. Gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge sollten sie sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-In einfinden. Die Kläger haben unstreitig den Check-In bereits um 9 Uhr absolviert. Von dort haben sie sich nach Bekanntgabe des Gates zur Sicherheitskontrolle begeben und in die dortige Warteschlange spätestens um 10 Uhr eingereiht. Auch dies war rechtzeitig. Bis zum Ende der Boardingzeit verblieben um 10 Uhr noch 90 Minuten. Es existieren keine dem Senat bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht genügt.
Den Klägern kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nach dem Check-In zulange verweilt hätten. Der Fußweg war in rd. 15 Minuten zu bewältigen. Der Flugsteig war auf den Bordkarten nicht aufgedruckt und um 9 Uhr noch nicht auf den Anzeigetafeln bekannt gegeben worden. Ein erhebliches "Vertrödeln" der verbliebenen Zeit nach dem Check-In ist nicht feststellbar. Zwar hätten die Kläger noch in einem Bistro Café und Gebäck erworben und danach die Toilette aufgesucht. Es ist aber nicht festzustellen, dass dies besonders viel Zeit in Anspruch genommen hat; jedenfalls kann der Zeitraum, soweit er für die Erledigung menschlicher Bedürfnisse benötigt wurde, nicht als vorwerfbare Verzögerung beurteilt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist festzustellen, dass die Kläger sich spätestens um 10 Uhr in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle angestellt haben und damit 90 Minuten vor dem Abflug.
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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 12 vom 3.2.2022
Die Kläger nehmen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz wegen eines verpassten Flugs in Anspruch. Die Beklagte organisiert die Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen. Die Kläger wollten von dort in die Dominikanische Republik fliegen. Die Abflugzeit war 11.50 Uhr, das Boarding begann 10.50 Uhr; das Gate schloss um 11.30 Uhr. Die Kläger passierten die Sicherheitskontrolle zu spät; das Boarding war bereits abgeschlossen, als sie den Flugsteig erreichten. Sie verlangen nun Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets sowie der zusätzlichen Übernachtung und behaupten, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen sei. Es sei zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen.
Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Die Beklagte hat zwar bei der Organisation der Sicherheitskontrolle keine Amtspflichten verletzt, insbesondere nicht zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt. Den Klägern steht aber ein Schadensersatzanspruch über die Grundsätze der Aufopferung bzw. wegen enteignenden Eingriffs zu.
Wenn eine eigentlich rechtmäßige Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsposition des Eigentümers einwirkt und zu einem Sonderopfer führt, dass die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreitet, kann ein solcher Anspruch entstehen. Hier hat die Wartezeit zur Gepäck- und Personenkontrolle dazu geführt, dass die Kläger ihren Flug verpasst haben. Die Kläger müssen sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die auch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann, von vornherein einstellen. Ein Fluggast muss sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern darf sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten.
Im Streitfall sind die Kläger rechtzeitig am Flughafen erschienen. Gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge sollten sie sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-In einfinden. Die Kläger haben unstreitig den Check-In bereits um 9 Uhr absolviert. Von dort haben sie sich nach Bekanntgabe des Gates zur Sicherheitskontrolle begeben und in die dortige Warteschlange spätestens um 10 Uhr eingereiht. Auch dies war rechtzeitig. Bis zum Ende der Boardingzeit verblieben um 10 Uhr noch 90 Minuten. Es existieren keine dem Senat bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht genügt.
Den Klägern kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nach dem Check-In zulange verweilt hätten. Der Fußweg war in rd. 15 Minuten zu bewältigen. Der Flugsteig war auf den Bordkarten nicht aufgedruckt und um 9 Uhr noch nicht auf den Anzeigetafeln bekannt gegeben worden. Ein erhebliches "Vertrödeln" der verbliebenen Zeit nach dem Check-In ist nicht feststellbar. Zwar hätten die Kläger noch in einem Bistro Café und Gebäck erworben und danach die Toilette aufgesucht. Es ist aber nicht festzustellen, dass dies besonders viel Zeit in Anspruch genommen hat; jedenfalls kann der Zeitraum, soweit er für die Erledigung menschlicher Bedürfnisse benötigt wurde, nicht als vorwerfbare Verzögerung beurteilt werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist festzustellen, dass die Kläger sich spätestens um 10 Uhr in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle angestellt haben und damit 90 Minuten vor dem Abflug.
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