16.05.2024

Fluggastrechte: Personalmangel als außergewöhnlicher Umstand für Flugverspätung

Bei einem Mangel an Flughafenpersonal für die Gepäckverladung, der zu einer großen Verspätung des Fluges geführt hat, kann es sich um einen "außergewöhnlichen Umstand" handeln. Ein "außergewöhnlicher Umstand" liegt vor, wenn das Vorkommnis erstens weder seiner Natur noch seiner Ursache nach Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und zweitens von ihr nicht tatsächlich beherrschbar ist.

EuGH v. 16.5.2024 - C-405/23
Der Sachverhalt:
Im Jahr 2021 kam es bei einem von der beklagten Gesellschaft TAS Ltd ausgeführten Flug von Köln-Bonn zur griechischen Insel Kos zu einer Verspätung von annähernd vier Stunden. Diese Verspätung war auf mehrere Gründe zurückzuführen, hauptsächlich aber auf einen Mangel an Personal des Flughafens Köln-Bonn für die Gepäckverladung in das Flugzeug.

Eine Reihe von Fluggästen, die von dieser Verspätung betroffen waren, traten ihre etwaigen Ausgleichsansprüche an die Klägerin (Flightright GmbH) ab. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass die Verspätung der Beklagten zurechenbar sei und nicht durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt werden könne.

Nach dem Unionsrecht ist eine Fluggesellschaft nicht verpflichtet, für eine große Verspätung, d.h. eine Verspätung von mehr als drei Stunden, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn sie nachweisen kann, dass die Verspätung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Das AG gab der Klage statt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das LG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor. Es möchte insbesondere wissen, ob es sich bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber um einen "außergewöhnlichen Umstand" handeln kann.

Die Gründe:
Bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber kann es sich um einen "außergewöhnlichen Umstand" handeln.

Ein "außergewöhnlicher Umstand" liegt vor, wenn das Vorkommnis erstens weder seiner Natur noch seiner Ursache nach Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist und zweitens von ihr nicht tatsächlich beherrschbar ist. Es ist Sache des LG, zu beurteilen, ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind. Demzufolge wird es erstens zu beurteilen haben, ob im vorliegenden Fall die bei der Gepäckverladung festgestellten Mängel als allgemeine Mängel anzusehen sind. Wäre dies der Fall, könnten die Mängel kein Vorkommnis darstellen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft ist. Zweitens wird es zu beurteilen haben, ob die Mängel von der Beklagten nicht beherrschbar waren. Dies wäre insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Beklagte befugt wäre, eine tatsächliche Kontrolle über den Flughafenbetreiber auszuüben.

Selbst wenn das LG feststellen sollte, dass es sich bei dem fraglichen Personalmangel um einen "außergewöhnlichen Umstand" handelt, wird die Beklagte ferner zur Befreiung von ihrer Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste zum einen nachweisen müssen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären und zum anderen, dass sie gegen dessen Folgen alle der Situation angemessenen Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hat.

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Aufsatz
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahr 2022
Charlotte Achilles-Pujol, MDR 2023, 1023

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