Formelle Ordnungsmäßigkeit eines Mieterhöhungsverlangens unter Bezugnahme auf einen "veralteten" Mietenspiegel
AG Hamburg v. 29.4.2022 - 48 C 251/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Vermieterin des Beklagten. Die in normaler Lage belegene Wohnung des Beklagten ist 80,84 m² groß und mit Bad und Sammelheizung ausgestattet. Die Nettokaltmiete betrug zuletzt und seit drei Jahren unverändert 516,55 €. Mit unter Bezugnahme auf den Hamburger Mietenspiegel 2019 begründetem Schreiben vom 23.4.2021 hatte die Klägerin vom Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete um 77,48 € pro Monat auf € 594,03 mit Wirkung ab dem 1.7.2021 verlangt.
Der Beklagte verweigerte seine Zustimmung. Die Klägerin behauptete, die Wohnung sei in die Baualtersklasse 1960 einzuordnen. Der Beklagte trug vor, die Wohnung sei erst 1961 bezugsfertig gewesen, weshalb das Rasterfeld "I3" des Hamburger Mietenspiegels anzuwenden sei. Mieterhöhungsverlangen der Vergangenheit seien ebenfalls von diesem einschlägigen Rasterfeld ausgegangen. Auch der Energieausweis für das Gebäude weise als Baujahr 1961 aus.
Das AG hat der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung zur ortsüblichen Vergleichsmiete stattgegeben.
Die Gründe:
Das Mieterhöhungsverlangen begegnet keinen formellen Bedenken. Die Vorschriften zur Form und Begründung eines Erhöhungsverlangens gem. § 558a BGB sind eingehalten.
Die Bezugnahme auf die Spannenwerte des Hamburger Mietenspiegels 2019 genügt den formellen Anforderungen nach § 558a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB auch dann, wenn sich die materielle Berechtigung des Erhöhungsverlangens zum Zeitpunkt des Zugangs des Erhöhungsverlangens nach dem am 13.12.2021 erschienenen Hamburger Mietenspiegel 2021 richtet, dessen für seine Anwendbarkeit maßgeblicher Erhebungsstichtag (1.4.2021) noch vor dem Zugang des Erhöhungsverlangens liegt. Denn ein Erhöhungsverlangen kann formell ordnungsgemäß durch Bezugnahme auf einen "veralteten" (qualifizierten) Mietenspiegel begründet werden, wenn der zeitlich nachfolgende neue (qualifizierte) Mietenspiegel zum Zeitpunkt des Zugangs des Erhöhungsverlangens noch nicht allgemein verfügbar ist und der "veraltete" Mietenspiegel aufgrund seines fortwirkenden Informationsgehalts noch dem Zweck des formellen Begründungserfordernisses gem. § 558a Abs. 1 BGB genügt.
Im Fall eines neu erstellten qualifizierten Mietenspiegels (hier: Hamburger Mietenspiegel 2021) kommt es für das Eingreifen der Vermutungswirkung nach § 558d Abs. 3 BGB in zeitlicher Hinsicht auf den Erhebungsstichtag, nicht erst den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Mietenspiegels, an. Die Bezugsfertigkeit einer baulich abgeschlossenen Einheit als Wohnung ist gegeben, sobald alle Gewerke fertiggestellt sind, die zu einer Wohnnutzung notwendig sind und ein sicherer Zutritt zu den Räumen möglich ist. Der Bezugsfertigkeit steht nicht entgegen, dass noch die Fertigstellung der Außen- oder Nebenanlagen oder kleinere, unwesentliche Arbeiten ausstehen. Auf den Zeitpunkt der Bauabnahme oder des Erstbezugs kommt es nicht an.
Ein Gebrauchsschein ist eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 418 Abs. 1 ZPO, die geeignet ist, Beweis der darin bezeugten Bezugsfertigkeit zum Zwecke der Einordnung einer Wohnung in eine Baualtersklasse des Mietenspiegels (hier: Hamburger Mietenspiegel 2021) zu begründen. Eine rechnerische Angleichung der Spannenwerte von Rasterfeldern, die in Bezug auf die Baualtersklasse benachbart sind (hier: Rasterfelder "H3" und "I3" des Hamburger Mietenspiegels 2021), ist regelmäßig auch dann nicht angezeigt, wenn das Datum der Bezugsfertigkeit der Wohnung (sehr) nah am zeitlichen Übergang zwischen zwei Baualtersklassen liegt.
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