Fortsetzung des Mietverhältnisses nach gescheiterter Eigenbedarfskündigung nur mit Mieterhöhung
LG Berlin v. 7.12.2023 - 67 S 20/23
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Mieter einer Zwei-Zimmer-Wohnung des Klägers. Dieser hatte den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt. Der Kläger gab an, er habe sich von der Mutter seines minderjährigen Sohnes getrennt und da er bislang selbst zur Miete wohne und zukünftig räumlich näher an der von seinem Sohn besuchten Kindertagesstätte leben wolle, plane er für sich einen Umzug in seine Zwei-Zimmer-Wohnung.
Der Beklagte widersprach der Eigenbedarfskündigung. Er gab an, an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer Agoraphobie mit Panikstörung sowie einer ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörung zu leiden. Infolgedessen würde ein Aus- bzw. Umzug für ihn eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers war in geringem Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung aus den §§ 546 Abs. 1, 985 BGB. Keine der Eigenbedarfskündigungen hat im Ergebnis zur Beendigung des zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehenden Mietverhältnisses geführt.
Zwar hatte die Berufung im Ausgangspunkt zu Recht gerügt, dass dem Kläger ein Kündigungsgrund zur Seite stand, da die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB vorlagen. Der Kläger hat im Rahmen seiner beantragten Parteieinvernahme, die wegen seiner nicht anders zu beseitigenden Beweisnot geboten war, glaubhaft bekundet, dass er die streitgegenständliche Wohnung beziehen möchte. Die gegenteilige Beweiswürdigung des AG brachte keine dem Beklagten günstigere Beurteilung, da die Kammer nicht an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung gebunden war.
Der Beklagte hat den Kündigungen allerdings gem. §§ 574 Abs. 1, 574a Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam widersprochen, da die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine unzumutbare Härte darstellen würde. Für die Annahme einer Härte ist es erforderlich, aber gleichzeitig auch ausreichend, dass sich die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Auszug verbunden wären, von den mit einem Wohnungsverlust typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben. Und dies war nach Aussage des Sachverständigen vorliegend der Fall.
Danach handelte es sich bei den Folgen des Wohnungsverlustes für den Beklagten nicht um eine bloße "Unannehmlichkeit". Die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation eines erkrankten Mieters im Fall des Wohnungsverlustes ging vielmehr über eine gewöhnliche Unannehmlichkeit weit hinaus und begründet deshalb auch nach der von der Kammer insoweit einschränkungslos geteilten BGH-Rechtsprechung eine Härte i.S.d. § 574 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.2022 - VIII ZR 96/22). Dabei ist es unerheblich, ob die Erkrankung des Mieters psychischer oder physischer Natur ist.
Infolgedessen ist das Mietverhältnis gem. §§ 574 Abs. 1, 574a Abs. 2 Satz 1und 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Der Beklagte kann jedoch nur verlangen, dass das Mietverhältnis unter einer angemessenen Änderung der Vertragsbedingungen fortgesetzt wird. Eine Fortsetzung zu den bisherigen Bedingungen ist dem Kläger nicht zuzumuten. Die bislang vom Beklagten entrichtete Miete liegt nämlich deutlich unter der üblichen Marktmiete. Eine vom Gericht angeordnete Vertragsfortsetzung auf unbestimmte Zeit nach § 574a Abs. 2 BGB, 308a Abs. 1 ZPO ist dem Vermieter grundsätzlich nur dann zumutbar, wenn die vom Mieter entrichtete Miete der marktüblichen Neuvermietungsmiete entspricht. Liegt die bisherige Vertragsmiete darunter und ist für den Mieter die Entrichtung einer marktüblichen Miete sozialverträglich, hat das Gericht neben der unbestimmten Fortsetzung des Mietverhältnisses eine entsprechende Erhöhung des Mietzinses anzuordnen.
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