04.04.2025

Genehmigung von Modernisierungen in Milieuschutzgebieten: Was ist noch zeitgemäßer Ausstattungszustand?

Wandhängende WCs und Handtuchheizkörper in Standardausführung sowie Balkone in der Größe von 4qm sind in Milieuschutzgebieten genehmigungsfähig, weil sie der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen.

VG Berlin v. 2.4.2025 - VG 19 K 17/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind jeweils Eigentümerinnen von Wohngebäuden in Milieuschutzgebieten in Berlin-Mitte. Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen soziale Erhaltungsverordnungen (umgangssprachlich Milieuschutzverordnungen) gelten. Sie sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im jeweiligen Gebiet schützen. Bauliche Änderungen bedürfen in Milieuschutzgebieten grundsätzlich einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Den Erlass von Milieuschutzverordnungen erlaubt das BauGB. In Berlin sind dafür die Bezirke zuständig. Aktuell gelten in Berlin über 40 Milieuschutzverordnungen.

Eine Klägerin möchte im Badezimmer einer Wohnung ein Stand-WC durch ein wandhängendes WC ersetzen sowie einen Handtuchheizkörper einbauen. Eine weitere Klägerin begehrt den Anbau von dreizehn Balkonen in der Größe von jeweils 4qm an die Wohnungen ihres Mehrfamilienhauses. Die Maßnahmen stellen nach Ansicht der Klägerinnen einen zeitgemäßen Ausstattungszustand ihrer Wohnungen dar. Das Bezirksamt versagte den Klägerinnen die erhaltungsrechtlichen Genehmigungen. Die Vorhaben gingen über einen zeitgemäßen Ausstattungszustand hinaus und seien als wohnwerterhöhende bauliche Änderungen im Milieuschutzgebiet nicht zulässig.

Das VG gab den hiergegen gerichteten Klagen statt und verpflichtete das Bezirksamt, die Genehmigungen zu erteilen. Gegen die Urteile kann jeweils Berufung beim OVG eingelegt werden.

Die Gründe:
Der Gesetzgeber hat im BauGB geregelt, dass eine erhaltungsrechtliche Genehmigung zu erteilen ist, wenn die bauliche Maßnahme der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Dabei hat der Gesetzgeber den Genehmigungsanspruch nicht auf bauliche Maßnahmen beschränkt, die der Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienen. Vielmehr hat er zugelassen, dass darüber hinaus auch in Milieuschutzgebieten eine behutsame Anhebung des Ausstattungszustands auf den Standard mittlerer Wohnverhältnisse erfolgen kann.

Hieran ist ein bundeseinheitlicher Maßstab anzulegen. Bei wandhängenden WCs und Handtuchheizkörpern in einer Standardausführung sowie bei 4qm großen Balkonen wird dieser Standard nicht überschritten. Dafür sprechen u.a. die Verbreitung dieser Ausstattungsmerkmale bundesweit sowie der Umstand, dass die Mietspiegel der größeren deutschen Städte sie überwiegend nicht als wohnwerterhöhend einstufen.

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VG Berlin PM Nr. 24 vom 4.4.2025