08.04.2025

Geplante Windkraftanlage: Befristetes Mietverhältnis in der Schwebezeit?

Knüpfen die Parteien eines Mietvertrags den Beginn einer vereinbarten festen Vertragslaufzeit an den Eintritt eines bestimmten Ereignisses, hängt die Beurteilung, ob in der Schwebezeit ein befristetes Mietverhältnis vorliegt, maßgeblich davon ab, welche rechtliche Bedeutung nach den Vorstellungen der Vertragsparteien dieser Vertragsgestaltung zukommen soll. Ist aus der maßgeblichen Sicht der Vertragsparteien bei Vertragsschluss nicht nur ungewiss, wann das Ereignis eintreten wird, an das der Beginn der Laufzeitvereinbarung geknüpft ist, sondern auch, ob dieses Ereignis überhaupt jemals eintreten wird, liegt eine aufschiebende Bedingung iSv § 158 Abs. 1 BGB vor. Die Vertragsbindung besteht dann bereits ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die fest vereinbarte Mietzeit beginnt indes erst mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung gem. § 158 Abs. 1 BGB. In diesem Fall ist die Mietzeit bis zum Eintritt der Bedingung unbestimmt und der Mietvertrag kann grundsätzlich durch eine ordentliche Kündigung beendet werden.

BGH v. 12.3.2025 - XII ZR 76/24
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Eigentümer einer landwirtschaftlich genutzten Fläche in H. Seine Rechtsvorgängerin schloss am 23.5.2017 mit der Klägerin, die dort die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen beabsichtigte, einen Nutzungsvertrag über dieses Grundstück. In diesem Vertrag, der von der Klägerin für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert war, verpflichtete sich die Rechtsvorgängerin des Beklagten dazu, der Klägerin auf dem streitbefangenen Grundstück u.a. die Verlegung von Kabeln, das Anlegen von Zuwegungen und das Überstreifen von Rotoren von Windenergieanlagen auf anderen Grundstücken zu gestatten sowie Baulasten für auf Nachbargrundstücken positionierte Windenergieanlagen zu bewilligen. Zur Sicherung der Vertragsdurchführung sollte die Klägerin eine Dienstbarkeit erhalten. Für die Nutzung des Grundstücks war gem. § 2 Nr. 1 des Nutzungsvertrags eine Nutzungsentschädigung vorgesehen. Voraussetzung für die Zahlung sollte sein, dass die entsprechende Dienstbarkeit nebst Vormerkung in das Grundbuch eingetragen ist und mit dem Bau der Windenergieanlage begonnen wurde.

§ 3 Nr. 1 des Nutzungsvertrags enthält hinsichtlich der Vertragslaufzeit folgende Regelung:
"Der Vertrag beginnt mit der Unterzeichnung durch beide Vertragsparteien. Der in § 1 bezeichnete Grundbesitz wird mit Baubeginn zur Verfügung gestellt. Der Vertrag endet gerechnet ab dem 31.12. des Jahres, in dem die Inbetriebnahme der letzten geplanten WEA erfolgt ist, nach Ablauf von 20 Jahren."

§ 8 des Nutzungsvertrags lautet:
'"Kündigung
Das Recht zur fristlosen Kündigung dieses Vertrags aus wichtigem Grund (außerordentliche Kündigung im Falle der Verletzung vertraglicher Haupt- oder wesentlicher Nebenpflichten) bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Nutzer mit der Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen mehr als einen Monat in Verzug gerät."

In § 9 Nr. 1 des Nutzungsvertrags ist folgendes geregelt:
"Rücktritt
Beide Parteien können vom Nutzungsvertrag zurücktreten, wenn nicht in einem Zeitraum von 5 Jahren ab Unterzeichnung des Nutzungsvertrags die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der WEA erteilt wurde oder nicht nachgewiesen wird, dass die Genehmigung zeitnah bevorsteht. Der Rücktritt ist allerdings ausgeschlossen, soweit und solange der Nutzer mit Rechtsmitteln (Widerspruch, Klage) gegen die Versagung einer Genehmigung vorgeht. Der Grundstückseigentümer kann dann also zurücktreten, wenn die Ablehnung der Genehmigung rechtskräftig ist. Des Weiteren ist der Rücktritt ausgeschlossen, soweit und solange die Genehmigung von Dritten im Wege von Widerspruch und/oder Klage angegriffen wird bis ggf. eine rechtskräftige Aufhebung der Genehmigung vorliegt. Die vorbezifferte Bereitstellungsfrist kann durch den Nutzer bis zu einem Monat vor deren Ablauf durch die Zahlung eines Betrages in Höhe von EUR 500,00 einseitig und um ein weiteres Jahr verlängert werden. Der Rücktritt ist auch dann ausgeschlossen, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erst nach Ablauf von 5 Jahren erteilt wurde, dem Grundstückseigentümer aber vor Erklärung des Rücktritts die Genehmigung zur Kenntnis gelangt ist."

Mit Schreiben vom 10.2.2022 erklärte der Beklagte die Kündigung des Nutzungsvertrags nebst aller etwaig hierzu geschlossenen Nachträge mit Wirkung zum 30.5.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Erstinstanzlich beantragte die Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, bei einem Notar seiner Wahl zugunsten der Klägerin im Einzelnen aufgeführte Erklärungen zu einer Dienstbarkeitsbewilligung und einer entsprechenden Vormerkung abzugeben und den Notar mit der Eintragung im Grundbuch zu beauftragen. Zudem begehrte sie die Verurteilung des Beklagten dazu, gegenüber der zuständigen Behörde im Einzelnen aufgeführte Erklärungen zur Eintragung einer Baulast abzugeben.

LG und OLG gaben der Klage in vollem Umfang statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat den streitgegenständlichen Nutzungsvertrag vom 23.5.2017 zu Recht als Mietvertrag qualifiziert. Ebenfalls zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass die vom Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht bereits deshalb unwirksam ist, weil die Parteien in § 3 Satz 3 des Nutzungsvertrags eine feste Vertragslaufzeit von 20 Jahren vereinbart haben. Denn zum Zeitpunkt der Kündigung lag noch kein befristetes Mietverhältnis i.S.v. § 542 Abs. 2 BGB vor.

Nach dieser Vorschrift endet ein Mietverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen ist, mit dem Ablauf dieser Zeit, sofern es nicht in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt oder verlängert wird. Daraus folgt, dass ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Mietverhältnis nicht im Wege der ordentlichen Kündigung beendet werden kann. Ein Mietverhältnis ist auf bestimmte Zeit eingegangen, wenn es zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt enden soll, ohne dass es hierfür einer weiteren Erklärung einer der beiden Parteien bedarf. Dies ist dann der Fall, wenn im Mietvertrag eine bestimmte Laufzeit angegeben ist oder das Mietverhältnis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt laufen soll. Knüpfen die Vertragsparteien - wie hier - den Beginn einer vereinbarten festen Vertragslaufzeit an den Eintritt eines bestimmten Ereignisses, hängt die Beurteilung, ob in der Schwebezeit ein befristetes Mietverhältnis vorliegt, maßgeblich davon ab, welche rechtliche Bedeutung nach den Vorstellungen der Vertragsparteien dieser Vertragsgestaltung zukommen soll. Gehen die Vertragsparteien bei Vertragsschluss davon aus, dass das Ereignis eintreten wird und nur der Zeitpunkt, wann dies der Fall sein wird, ungewiss ist, liegt in der Regel eine Befristung i.S.v. § 163 BGB vor mit der Folge, dass die Mietzeit bestimmt ist und damit gem. § 542 Abs. 2 BGB die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung auch bis zum Beginn der vereinbarten Laufzeit ausgeschlossen ist.

Ist aus der maßgeblichen Sicht der Vertragsparteien bei Vertragsschluss hingegen nicht nur ungewiss, wann das Ereignis eintreten wird, an das der Beginn der Laufzeitvereinbarung geknüpft ist, sondern auch, ob dieses Ereignis überhaupt jemals eintreten wird, liegt eine aufschiebende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB vor. Die Vertragsbindung besteht dann bereits ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die fest vereinbarte Mietzeit beginnt indes erst mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung gem. § 158 Abs. 1 BGB. In diesem Fall ist die Mietzeit bis zum Eintritt der Bedingung unbestimmt und der Vertrag kann grundsätzlich durch eine ordentliche Kündigung beendet werden, während nach dem Bedingungseintritt die Vertragslaufzeit befristet ist und eine ordentliche Kündigung vor dem Laufzeitende gem. § 542 Abs. 2 BGB ausscheidet. Ob die Vertragsparteien die Wirkung der vereinbarten Vertragslaufzeit insgesamt hinausschieben wollten und damit das Ereignis, an das der Beginn der festen Vertragslaufzeit geknüpft ist, als eine aufschiebende Bedingung gem. § 158 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, ist durch Auslegung nach der Interessenlage zu entscheiden.

Danach lassen sich für die vom OLG vorgenommene Auslegung, dass die Vertragsparteien die in § 3 des Nutzungsvertrags vereinbarte Laufzeit von 20 Jahren an den Eintritt einer Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 1 BGB geknüpft haben und bis dahin ein unbefristetes Mietverhältnis vorliegt, gute Gründe anführen. Ob im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Vertragslaufzeit unbestimmt war und daher grundsätzlich die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung des Vertrags gem. § 542 Abs. 1 BGB bestand, bedarf jedoch vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn das OLG ist letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass das Recht zur ordentlichen Kündigung des Nutzungsvertrags für die Zeit bis zum Beginn der festen Vertragslaufzeit aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich kann in einem Miet- oder Pachtverhältnis das Recht zur ordentlichen Kündigung für einen bestimmten Zeitraum vertraglich ausgeschlossen werden. Dies gilt auch im Rahmen von Formularverträgen. Ein zeitlich befristeter Ausschluss des Kündigungsrechts kann sich in einem Miet- oder Pachtvertrag auch aufgrund einer konkludenten Vereinbarung ergeben. Hier haben die Vertragsparteien das Recht zur ordentlichen Kündigung bis zum Beginn der vereinbarten festen Vertragslaufzeit zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Ein solcher Kündigungsausschluss lässt sich auch nicht aus § 9 des Nutzungsvertrags entnehmen, der nur die Möglichkeit des Rücktritts von dem Vertrag regelt. Er ergibt sich jedoch aus einer interessengerechten Auslegung von § 8 des Nutzungsvertrags im Zusammenspiel mit § 9 des Nutzungsvertrags. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil der Beklagte dadurch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt würde.

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