19.06.2018

Gericht muss mit seiner Entscheidung nicht bis zur Zustellung der Streitverkündungsschrift warten

Die Aussetzung eines Rechtsstreits bis zur Zustellung einer in diesem Rechtsstreit eingereichten Streitverkündungsschrift kommt weder in direkter noch in analoger Anwendung von § 148 ZPO in Betracht. Trifft das Gericht eine Entscheidung, bevor eine in dem Rechtsstreit eingereichte Streitverkündungsschrift zugestellt worden ist, wird dadurch weder das Recht, der streitverkündenden Partei auf ein faires Verfahren und auf wirkungsvollen Rechtsschutz noch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

BGH 22.3.2018, I ZR 76/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin stellt Zubehör für elektronische Geräte her und vertreibt dieses in Europa. Sie ist Inhaberin der im Januar 2011 angemeldeten und am 12.4.2011 veröffentlichten Klagemuster. Bei dem nach den Klagemustern gefertigten Produkt der Klägerin handelt es sich um eine Schutzhülle mit integrierter Tastatur für den Tablet-Computer iPad des Herstellers Apple. Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bietet ebenfalls Zubehör für elektronische Geräte an. Sie vertrieb seit Mitte Mai 2011 ebenfalls Schutzhüllen mit integrierter Tastatur für den Tablet-Computer iPad. Im Juni 2011 mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1 daher erfolglos ab.

Die Beklagten machten geltend, die Beklagte zu 1 sei Inhaberin sämtlicher Entwerferrechte an dem angegriffenen Produkt. Hierzu trugen sie vor, die Klägerin habe zur Umsetzung der Idee Skizzen an ein in Taiwan und an ein in China ansässiges Unternehmen überreicht. Die Unternehmen hätten ihre Rechte an dem Design mit Vertrag vom Juli 2011 an die Beklagte zu 1 weiter übertragen.

Die Klägerin beantragte u.a. die Beklagten wegen Verletzung der Klagemuster zur Unterlassung und zur Rechnungslegung zu verurteilen, ihre Schadensersatzpflicht festzustellen und sie zum Rückruf der streitgegenständlichen Produkte und zu deren Vernichtung sowie zur Erstattung der Abmahnkosten zu verurteilen.

Die Beklagten verkündeten mit Schriftsätzen vom 5.5.2014 dem in Taiwan ansässigem Unternehmen den Streit mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit beizutreten. Der Versuch, die Streitverkündungsschrift in Taiwan zuzustellen, scheiterte. Ein Nachweis, dass dem Unternehmen in China die Streitverkündungsschrift zugestellt wurde, existierte nicht.

Das LG gab der Klage statt. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Die mit der Revision beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zur Zustellung der Streitverkündungen hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Eine Aussetzung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht. Nach § 148 ZPO kann das Gericht zwar grundsätzlich auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreit bildet, die Aussetzung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits anordnen. Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens liegt, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, im Ermessen des Gerichts.

Der Umstand, dass es bislang nicht gelungen ist, den Streitverkündeten die Streitverkündungsschrift zuzustellen, rechtfertigt die Aussetzung des Verfahrens gem. § 148 ZPO nicht. Der Wortlaut des § 148 ZPO lässt keine Möglichkeit zu, den Rechtsstreit bis zur Zustellung auszusetzen, denn bei der Zustellung der Streitverkündungsschrift handelt es sich nicht um ein vorausgesetztes anderes gerichtliches, behördliches Verfahren, sondern um einen innerprozessualen Vorgang im Ausgangsverfahren. Auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Zustellung der Streitverkündungsschrift nicht erfasst, da die Vorschrift dem Zweck dient, divergierende Entscheidungen in verschiedenen Verfahren zu vermeiden. Eine analoge Anwendung des § 148 ZPO kommt für den Streitfall nicht in Betracht, da es bereits an einem anderweitigen Verfahren fehlt.

Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil die Tatsacheninstanzen erfolglos versucht haben, den die Streitverkündungsschriften zuzustellen. Dadurch werden das Recht der Beklagten auf ein faires Verfahren und auf wirkungsvollen Rechtsschutz sowie rechtliches Gehör nicht verletzt. Zweck der Streitverkündung ist es nicht, der streitverkündenden Partei, die im Prozess auf die Darlegung von Umständen aus der Sphäre des Streitverkündungsempfängers angewiesen ist, die Möglichkeit zu eröffnen, sich auf das Vorbringen des Streithelfers berufen zu können. Der Streithelfer ist nicht verpflichtet, sich im Ausgangsrechtsstreit zu erklären. Deshalb hat das Gericht in einem Verfahren, in dem eine Streitverkündung erfolgt, nicht mit einer Entscheidung zu warten, bis eine Zustellung gelingt.

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