Gerichtliche Entscheidungen während einer Aussetzung der Verhandlung nach § 149 ZPO
BGH v. 11.1.2023 - XII ZB 538/21
Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem er vom AG zur Zahlung von Trennungsunterhalt an die Antragstellerin verpflichtet worden ist.
Gegen den ihm am 14.7.2021 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluss legte der Antragsgegner durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten am 13.8.2021 Beschwerde ein. Die Frist zur Begründung der Beschwerde verlängerte das OLG antragsgemäß bis zum 12.10.2021. Auf Antrag des Antragsgegners, der Strafanzeige gegen die Antragstellerin wegen Prozessbetrugs erstattet hatte, setzte das OLG mit Beschluss vom 17.9.2021 "die Verhandlung (...) bis zur Erledigung des Ermittlungsverfahrens" der Staatsanwaltschaft aus. Mit Schriftsatz vom 11.10.2021 beantragte der Antragsgegner, die Frist zur Begründung der Beschwerde um weitere vier Wochen zu verlängern. Zugleich wiederholte er unter Hinweis auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 7.9.2021 und seine dagegen gerichtete Beschwerde vom 21.9.2021 den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Der Schriftsatz wurde der Antragstellerin zur Stellungnahme zum erneuten Fristverlängerungsantrag übersandt. Einer erneuten Fristverlängerung stimmte sie nicht zu.
Das OLG verwarf die Beschwerde mangels fristgerechter Begründung. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat die Beschwerde zu Unrecht verworfen, weil zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses das Verfahren noch ausgesetzt und die Frist zur Begründung der Beschwerde noch nicht abgelaufen war.
Gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 149 ZPO kann das Gericht, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. Die Aussetzung endet - vorbehaltlich einer vorherigen gerichtlichen Aufhebung nach § 150 Satz 1 ZPO - grundsätzlich mit Erledigung durch rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, ohne dass es einer Aufnahmeerklärung nach § 250 ZPO oder eines Aufhebungsbeschlusses bedarf. Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 249 Abs. 1 ZPO hat die Aussetzung die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt. Fällt, wie hier, die Aussetzung in den Lauf einer Frist zur Begründung eines Rechtsmittels, beginnt mit dem Ende der Aussetzung die volle gesetzliche Frist zur Begründung von neuem zu laufen, ohne dass die vor Beginn der Aussetzung verstrichene Zeit angerechnet wird oder es einer Fristsetzung bedarf.
Während der Unterbrechung oder Aussetzung sind nach § 249 Abs. 2 ZPO die von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Entsprechendes gilt für gerichtliche Handlungen. Denn der Regelung des § 249 ZPO ist zu entnehmen, dass auch Handlungen des Gerichts, die nach außen vorgenommen werden, grundsätzlich unwirksam sind. Gerichtliche Entscheidungen, die trotz Unterbrechung oder Aussetzung ergehen, sind jedoch nicht nichtig, sondern können mit den gegebenen Rechtsmitteln angefochten werden. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwerfungsbeschlusses das Verfahren noch ausgesetzt war und dieser daher zu Unrecht ergangen ist.
Vorliegend fand das Ermittlungsverfahren nicht bereits mit der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft vom 7.9.2021 oder deren Bekanntgabe seine Erledigung. Denn der Antragsgegner hatte hiergegen was dem OLG bekannt war Beschwerde eingelegt, worauf das Verfahren fortgesetzt worden ist. Auf die Frage, ob die Beschwerde gem. § 172 Abs. 2 StPO auch gegen die Einstellung (oder Nichtaufnahme) der Ermittlungen nach § 152 Abs. 2 StPO zulässig ist, kommt es hier nicht an. Denn die Staatsanwaltschaft hat auf die Beschwerde des Antragsgegners die Ermittlungen aufgenommen, was auch der dem Antragsgegner mit der Einstellungsverfügung vom 7.9.2021 erteilten Rechtsbehelfsbelehrung entsprach. Das Ermittlungsverfahren und damit die Aussetzung der Verhandlung endeten demzufolge erst aufgrund der weiteren Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO vom 9.12.2021. Entsprechend begann die volle zweimonatige Frist zur Begründung der Beschwerde nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG ab diesem Zeitpunkt von neuem zu laufen. Infolgedessen durfte das OLG die Beschwerde am 27.10.2021 nicht mangels Beschwerdebegründung verwerfen.
Die Entscheidung des OLG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Insbesondere ist sie nicht deshalb im Ergebnis zutreffend, weil der Antragsgegner seine Beschwerde nicht fristgerecht begründet hat. Allerdings war der Antragsgegner nicht deshalb von der fristgerechten Begründung seiner Beschwerde befreit, weil das OLG bereits am 27.10.2021 und damit vor Ablauf der Begründungsfrist seine Beschwerde verworfen hatte. Denn diesen Beschluss konnte der Antragsgegner wie geschehen mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde bekämpfen und damit den Bestand der verwerfenden Entscheidung in Frage stellen. Ist aber der Rechtsweg gegen die verwerfende Entscheidung noch nicht erschöpft, ist dem Beteiligten zuzumuten, sich so zu verhalten, als habe die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfungsentscheidung Erfolg. Deswegen hat er fristgerecht eine Beschwerdebegründung einzureichen. Rechtsbeschwerderechtlich ist vorliegend jedoch davon auszugehen, dass der Antragsgegner seine Beschwerde fristgemäß begründet hat.
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Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem er vom AG zur Zahlung von Trennungsunterhalt an die Antragstellerin verpflichtet worden ist.
Gegen den ihm am 14.7.2021 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluss legte der Antragsgegner durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten am 13.8.2021 Beschwerde ein. Die Frist zur Begründung der Beschwerde verlängerte das OLG antragsgemäß bis zum 12.10.2021. Auf Antrag des Antragsgegners, der Strafanzeige gegen die Antragstellerin wegen Prozessbetrugs erstattet hatte, setzte das OLG mit Beschluss vom 17.9.2021 "die Verhandlung (...) bis zur Erledigung des Ermittlungsverfahrens" der Staatsanwaltschaft aus. Mit Schriftsatz vom 11.10.2021 beantragte der Antragsgegner, die Frist zur Begründung der Beschwerde um weitere vier Wochen zu verlängern. Zugleich wiederholte er unter Hinweis auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 7.9.2021 und seine dagegen gerichtete Beschwerde vom 21.9.2021 den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Der Schriftsatz wurde der Antragstellerin zur Stellungnahme zum erneuten Fristverlängerungsantrag übersandt. Einer erneuten Fristverlängerung stimmte sie nicht zu.
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Die Gründe:
Das OLG hat die Beschwerde zu Unrecht verworfen, weil zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses das Verfahren noch ausgesetzt und die Frist zur Begründung der Beschwerde noch nicht abgelaufen war.
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Die Entscheidung des OLG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Insbesondere ist sie nicht deshalb im Ergebnis zutreffend, weil der Antragsgegner seine Beschwerde nicht fristgerecht begründet hat. Allerdings war der Antragsgegner nicht deshalb von der fristgerechten Begründung seiner Beschwerde befreit, weil das OLG bereits am 27.10.2021 und damit vor Ablauf der Begründungsfrist seine Beschwerde verworfen hatte. Denn diesen Beschluss konnte der Antragsgegner wie geschehen mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde bekämpfen und damit den Bestand der verwerfenden Entscheidung in Frage stellen. Ist aber der Rechtsweg gegen die verwerfende Entscheidung noch nicht erschöpft, ist dem Beteiligten zuzumuten, sich so zu verhalten, als habe die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfungsentscheidung Erfolg. Deswegen hat er fristgerecht eine Beschwerdebegründung einzureichen. Rechtsbeschwerderechtlich ist vorliegend jedoch davon auszugehen, dass der Antragsgegner seine Beschwerde fristgemäß begründet hat.
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