07.02.2022

Gerichtliche Zuständigkeit für Klage auf Entschädigung wegen Flugverspätung

Der EuGH hat sich vorliegend mit der Frage befasst, ob im Fall eines einheitlich gebuchten mehrteiligen Fluges die Gerichte am Ort der Zwischenlandung für eine Klage auf Verspätungsentschädigung zuständig sind.

EuGH v. 3.2.2022 - C-20/21
Der Sachverhalt:
Die Kläger, drei Fluggäste, buchten bei Lufthansa einen Flug von Warschau über Frankfurt a.M. nach Male (Malediven). Der erste Teilflug, von Warschau nach Frankfurt, wurde von der beklagten LOT Polish Airlines durchgeführt. Weil der Abflug sich verzögerte, landeten die Fluggäste in Frankfurt mit Verspätung und verpassten ihren von Lufthansa durchgeführten Anschlussflug nach Male, das sie deswegen mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden erreichten. Mit ihrer Klage begehren die Kläger Zahlung einer Verspätungsentschädigung i.H.v. je 600 € (berechnet für die Entfernung Warschau-Male).

Das AG wies die Klage als unzulässig ab, da es sich nicht für zuständig hielt. Das von den Klägern angerufene LG setzte das Verfahren aus und ersuchte den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung der sog. Brüssel-I-a-Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit, derzufolge eine Person, die ihren Wohnsitz bzw. Sitz in einem Mitgliedstaat hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden kann, an dem die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen.

Die Gründe:
Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass bei einem Flug, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehr Teilflüge unterteilt ist, auf denen die Beförderung von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, der Ankunftsort des ersten Teilflugs nicht als "Erfüllungsort" im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn eine auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) erhobene Klage auf Ausgleichszahlung allein durch eine wegen verzögerten Abflugs eingetretene Verspätung dieses Teilflugs veranlasst wurde und sich gegen das mit dessen Durchführung beauftragte Luftfahrtunternehmen richtet.

Es ist zwar nicht von vornherein auszuschließen, dass aufgrund der spezifischen Klauseln eines Luftbeförderungsvertrags andere Leistungen als die am ersten Abflugort und am Endziel eines mehrteiligen Fluges erbrachten für eine Klage auf Ausgleichszahlung ggf. die Zuständigkeit anderer Gerichte als derjenigen, in deren Bezirken diese Orte liegen, begründen können, und zwar der Gerichte am Ort der Zwischenlandung. Vorliegend führt das LG jedoch nicht an, welche Elemente des Vertrags im Hinblick auf eine sachgerechte Gestaltung des Verfahrens eine hinreichend enge Verbindung zwischen dem Sachverhalt und seiner Zuständigkeit begründen könnten. Ohne solche Angaben kann "Erfüllungsort" daher der Abflugort des ersten Teilflugs sein, da dieser einer der Orte ist, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Luftbeförderungsvertrags sind, hauptsächlich erbracht werden.

Mehr zum Thema:
  • Rechtsprechung: BGH vom 31.8.2021, X ZR 25/20 - Keine Anrechnung einer Ausgleichszahlung nach FluggastrechteVO auf vorgerichtliche Anwaltskosten (MDR 2021, 1381)
  • Aufsatz: Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahre 2020 (Führich, MDR 2021, 909)
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