04.05.2023

Geringfügiges Verschulden tritt hinter den Rotlichtverstoß des Unfallgegners zurück

Der Verkehrsregelung durch eine Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung oder Einmündung kommt eine so erhebliche Bedeutung zu, dass die Betriebsgefahr sowie im Einzelfall auch ein geringfügiges Verschulden des bei Grünlicht in den geschützten Kreuzungs-/Einmündungsbereich Einfahrenden hinter den Rotlichtverstoß des Unfallgegners zurücktritt.

OLG Saarbrücken v. 21.4.2023, 3 U 11/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger war am Unfalltag mit seinem Pkw Mercedes-Benz auf einer in seine Richtung zweispurigen Straße unterwegs. Baustellenbedingt war die rechte der beiden Fahrspuren gesperrt und eine Behelfsampel eingerichtet, die der Kläger bei Rotlicht überfuhr. In der Folge kam es zur Kollision mit dem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Pkw Mazda, als die Erstbeklagte bei für sie angezeigtem Grünlicht aus der Ausfahrt des eines Parkhauses einfuhr.

Der Kläger war der Ansicht, sein Rotlichtverstoß habe sich nicht unfallkausal ausgewirkt und die Kollision habe sich allein deshalb ereignet, weil die Erstbeklagte ihr Fahrzeug ohne Beachtung des neben ihr befindlichen Klägerfahrzeugs in die Straße eingefahren sei. Er verlangte von den Beklagten im Hinblick auf eine Alleinhaftung rund 6.223 €.

Das LG hat die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1.555 € verurteilt. Es war der Ansicht, die Erstbeklagte habe gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, da sie in die Straße eingefahren sei, ohne sich nach rechts bezüglich herannahender Fahrzeuge zu vergewissern. Das Gericht hielt eine Mithaftung von 25% für angemessen. Auf die Erstberufung der Beklagten hat das OLG das Urteil des LG abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Zweitberufung des Klägers hat es zurückgewiesen.

Die Gründe:
Ohne Erfolg hat sich die Zweitberufung dagegen gewandt, dass das LG auf Klägerseite einen Verstoß gegen § 8 Abs.2 StVO i.V.m. 37 Abs. 1 StVO berücksichtigt hatte. Die Parkhausausfahrt war durch das Rotlicht geschützt. Die Behelfsampel ersetzte während der Bauarbeiten die ansonsten an der Unfallstelle vorhandene Lichtzeichenanlage und erfüllte deren Funktionen. Die Erstbeklagte brauchte bei für sie angezeigtem Grünlicht grundsätzlich nicht damit rechnen, dass Querverkehr unter Missachtung des für ihn geltenden Rotlichts von der Seite her in den Einmündungs-/Kreuzungsbereich einfährt. Da auch sonst keine Umstände ersichtlich waren, die aus Sicht der Erstbeklagten Vorsicht geboten hätten, sprach manches dafür, dass die Erstbeklagte - anders als dies das LG angenommen hatte - trotz der baustellenbedingten Verlagerung der Lichtzeichenanlage nicht gehalten war, sich gleichwohl nach von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern zu vergewissern.

Letztlich konnte dies auch dahinstehen, denn ein etwaiges Mitverschulden der Erstbeklagten wöge gering und träte vollständig hinter das vergleichsweise schwere Verschulden des Klägers zurück. Bereits das Nichtbeachten des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage ist wegen der damit verbundenen erheblichen Gefahren in aller Regel als objektiv grob fahrlässig anzusehen. Außerdem hatte der Kläger im weiteren Verlauf auf das einfahrende Beklagtenfahrzeug nicht reagiert, obschon sich der Einfahrvorgang der Erstbeklagten in seinem frontalen Gesichtsfeld abspielte, und er in das seitlich vor ihm befindliche Fahrzeug hineinfuhr. Vor diesem Hintergrund erschien eine Alleinhaftung des Klägers angemessen.

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