Geschuldeter Schallschutz bei der Installation einer Lüftungsanlage in einem Einfamilienhaus
OLG Schleswig-Holstein v. 25.8.2023 - 1 U 85/21
Der Sachverhalt:
Die Kläger ließen im Jahr 2012 ein Einfamilienhaus errichten. Mit den Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsarbeiten hatten sie die Beklagte beauftragt. Die Schlussrechnung der Beklagten glichen die Kläger bis auf einen Restbetrag von 4.962,10 € aus. Alsbald nach Inbetriebnahme der Lüftungsanlage rügten die Kläger, sie sei zu laut und leiteten beim LG ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die anzuwendenden Schallschutzwerte würden nicht eingehalten. Die Beklagte führte 2015 die in vorgeschlagenen Arbeiten zur Mangelbeseitigung aus. Der von den Klägern beauftragte Privatgutachter befand diese Maßnahmen für unzureichend und schlug weitere Arbeiten vor. Zu einer Einigung zwischen den Parteien kam es hierüber nicht mehr.
Die Kläger behaupteten, sie hätten von Beginn an die zu hohe Geräuschentwicklung gerügt. Sie waren der Ansicht, dass erkennbar sei, dass das Gebäude gehobenen Ansprüchen genügen solle. Daher habe die Beklagte zu einer Anlage beraten müssen, die eine geringere Schallentwicklung aufweise. Sie seien davon ausgegangen, die Anlage sei praktisch nicht hörbar.
Die Kläger verlangten Zahlung von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden. Die Beklagte beantragte widerklagend die Zahlung von 4.962,10 €. Sie war der Auffassung, lediglich den Einbau der beauftragten Lüftungsanlage und keine Berücksichtigung eines erhöhten Schallschutzes geschuldet zu haben. Hierüber sei weder eine Vereinbarung erfolgt, noch sei ein solcher Wunsch der Kläger erkennbar gewesen. Die Anlage halte die für einen durchschnittlichen Schallschutz erforderlichen Werte ein.
Das LG hat die Klage nach Einholung zweier Sachverständigengutachten abgewiesen und die Kläger auf die Widerklage zur Zahlung des restlichen Werklohnes verurteilt. Auf die Berufung der Kläger hat das OLG das Urteil abgeändert, der Klage überwiegend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Die Gründe:
Die von der Beklagten im Gebäude der Kläger eingebaute kontrollierte Lüftungsanlage ist mangelhaft i.S.v. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB, weil sie die nach dem Vertrag vorauszusetzenden Werte für Schallemissionen nicht einhält.
Die Parteien hatten zwar ausdrücklich keine Beschaffenheit hinsichtlich des einzuhaltenden Schallschutzwertes vereinbart. Dennoch ergab die Auslegung des Vertrages zwischen den Parteien, dass ein einzuhaltender Schallschutz vereinbart worden war. Denn der Unternehmer verspricht dem Bauherrn stillschweigend mindestens, dass das zu erstellende Werk die Regeln der Technik einhält (BGH, Urt. v. 7.3.2013, VII ZR 134/12). Die Auslegung der Vereinbarungen zwischen den Parteien ergab, dass ein gehobener Schallschutz von 30 dB(A) nach Tabelle 4 der VDI 4100 geschuldet war.
Für die Frage, welcher Schallschutz bei der Errichtung einer Wohnung geschuldet ist, kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild der Parteien vom Bauwerk an. Es sind nicht in jedem Fall die Mindestanforderungen an den Schallschutz nach DIN 4109 entscheidend, die im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Bauordnungsrechts zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben zu berücksichtigen sind. Besondere Qualitätsanforderungen können sich nicht nur aus dem Vertragstext, sondern auch aus erläuternden und präzisierenden Erklärungen der Vertragsparteien, sonstigen vertragsbegleitenden Umständen, den konkreten Verhältnissen des Bauwerks und seines Umfeldes, dem qualitativen Zuschnitt, dem architektonischen Anspruch und der Zweckbestimmung des Gebäudes ergeben.
In aller Regel wird ein Bauherr eine Ausführung erwarten, die einem üblichen Qualitäts- und Komfortstandard entspricht. Haben die Parteien einen üblichen Qualitäts- und Komfortstandard vereinbart, so muss sich das einzuhaltende Schalldämm-Maß an dieser Vereinbarung orientieren. Insoweit können aus den Regelwerken die Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie 4100 oder das Beiblatt 2 zur DIN 4109 Anhaltspunkte liefern. Nach §§ 133, 157 BGB bedarf die Vereinbarung eines erhöhten Schallschutzes keiner "ausdrücklichen" Vereinbarung, sondern kann sich aus den Umständen ergeben (BGH, Urt. v. 14.6.2007, VII ZR 45/06). Infolgedessen musste die Beklagte eine Anlage anbieten, die gehobenen Anforderungen an den Schallschutz gerecht wurde. Sie konnte nämlich erkennen, dass es sich bei dem geplanten Haus um ein solches in gehobener Bauweise handelte. Das ergab sich alleine schon aus dem Grundriss des Gebäudes.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | BGB
§ 125 Nichtigkeit wegen Formmangels
Arnold in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | BGB
§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Böttcher in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Nachzulesen in unserem umfassenden Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. 6 Module vereint mit führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Neu: Online-Unterhaltsrechner. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesregierung Schleswig-Holstein
Die Kläger ließen im Jahr 2012 ein Einfamilienhaus errichten. Mit den Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsarbeiten hatten sie die Beklagte beauftragt. Die Schlussrechnung der Beklagten glichen die Kläger bis auf einen Restbetrag von 4.962,10 € aus. Alsbald nach Inbetriebnahme der Lüftungsanlage rügten die Kläger, sie sei zu laut und leiteten beim LG ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die anzuwendenden Schallschutzwerte würden nicht eingehalten. Die Beklagte führte 2015 die in vorgeschlagenen Arbeiten zur Mangelbeseitigung aus. Der von den Klägern beauftragte Privatgutachter befand diese Maßnahmen für unzureichend und schlug weitere Arbeiten vor. Zu einer Einigung zwischen den Parteien kam es hierüber nicht mehr.
Die Kläger behaupteten, sie hätten von Beginn an die zu hohe Geräuschentwicklung gerügt. Sie waren der Ansicht, dass erkennbar sei, dass das Gebäude gehobenen Ansprüchen genügen solle. Daher habe die Beklagte zu einer Anlage beraten müssen, die eine geringere Schallentwicklung aufweise. Sie seien davon ausgegangen, die Anlage sei praktisch nicht hörbar.
Die Kläger verlangten Zahlung von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden. Die Beklagte beantragte widerklagend die Zahlung von 4.962,10 €. Sie war der Auffassung, lediglich den Einbau der beauftragten Lüftungsanlage und keine Berücksichtigung eines erhöhten Schallschutzes geschuldet zu haben. Hierüber sei weder eine Vereinbarung erfolgt, noch sei ein solcher Wunsch der Kläger erkennbar gewesen. Die Anlage halte die für einen durchschnittlichen Schallschutz erforderlichen Werte ein.
Das LG hat die Klage nach Einholung zweier Sachverständigengutachten abgewiesen und die Kläger auf die Widerklage zur Zahlung des restlichen Werklohnes verurteilt. Auf die Berufung der Kläger hat das OLG das Urteil abgeändert, der Klage überwiegend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Die Gründe:
Die von der Beklagten im Gebäude der Kläger eingebaute kontrollierte Lüftungsanlage ist mangelhaft i.S.v. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB, weil sie die nach dem Vertrag vorauszusetzenden Werte für Schallemissionen nicht einhält.
Die Parteien hatten zwar ausdrücklich keine Beschaffenheit hinsichtlich des einzuhaltenden Schallschutzwertes vereinbart. Dennoch ergab die Auslegung des Vertrages zwischen den Parteien, dass ein einzuhaltender Schallschutz vereinbart worden war. Denn der Unternehmer verspricht dem Bauherrn stillschweigend mindestens, dass das zu erstellende Werk die Regeln der Technik einhält (BGH, Urt. v. 7.3.2013, VII ZR 134/12). Die Auslegung der Vereinbarungen zwischen den Parteien ergab, dass ein gehobener Schallschutz von 30 dB(A) nach Tabelle 4 der VDI 4100 geschuldet war.
Für die Frage, welcher Schallschutz bei der Errichtung einer Wohnung geschuldet ist, kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild der Parteien vom Bauwerk an. Es sind nicht in jedem Fall die Mindestanforderungen an den Schallschutz nach DIN 4109 entscheidend, die im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Bauordnungsrechts zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben zu berücksichtigen sind. Besondere Qualitätsanforderungen können sich nicht nur aus dem Vertragstext, sondern auch aus erläuternden und präzisierenden Erklärungen der Vertragsparteien, sonstigen vertragsbegleitenden Umständen, den konkreten Verhältnissen des Bauwerks und seines Umfeldes, dem qualitativen Zuschnitt, dem architektonischen Anspruch und der Zweckbestimmung des Gebäudes ergeben.
In aller Regel wird ein Bauherr eine Ausführung erwarten, die einem üblichen Qualitäts- und Komfortstandard entspricht. Haben die Parteien einen üblichen Qualitäts- und Komfortstandard vereinbart, so muss sich das einzuhaltende Schalldämm-Maß an dieser Vereinbarung orientieren. Insoweit können aus den Regelwerken die Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie 4100 oder das Beiblatt 2 zur DIN 4109 Anhaltspunkte liefern. Nach §§ 133, 157 BGB bedarf die Vereinbarung eines erhöhten Schallschutzes keiner "ausdrücklichen" Vereinbarung, sondern kann sich aus den Umständen ergeben (BGH, Urt. v. 14.6.2007, VII ZR 45/06). Infolgedessen musste die Beklagte eine Anlage anbieten, die gehobenen Anforderungen an den Schallschutz gerecht wurde. Sie konnte nämlich erkennen, dass es sich bei dem geplanten Haus um ein solches in gehobener Bauweise handelte. Das ergab sich alleine schon aus dem Grundriss des Gebäudes.
Kommentierung | BGB
§ 125 Nichtigkeit wegen Formmangels
Arnold in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Kommentierung | BGB
§ 242 Leistung nach Treu und Glauben
Böttcher in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023
Nachzulesen in unserem umfassenden Aktionsmodul Zivilrecht:
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. 6 Module vereint mit führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Neu: Online-Unterhaltsrechner. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!