23.08.2023

Gewerbemietvertrag: Bestimmung des Zeitmoments bei der Verwirkung

Die Jahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB bestimmt auch die Auslegung von Gewerbemietverträgen hinsichtlich einer Abrechnungspflicht des Vermieters. Der Zweck der Frist ist derselbe wie bei Wohnraummietverhältnissen. Auch wenn eine Fristversäumung bei Gewerbemietverträgen nicht als Ausschlussfrist sanktioniert ist, hat sie im vorliegenden Zusammenhang doch Bedeutung für die Bestimmung des Zeitmoments bei der Verwirkung.

LG Krefeld v. 4.5.2023 - 2 S 32/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Mieter der Beklagten. Nach Beendigung des Gewerberaummietverhältnisses hatte er die Rückzahlung seiner geleisteten Kaution begehrt. Dem kam die Beklagte nicht nach. Vielmehr hat sie mit Nachforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 aufgerechnet und diese im Wege der Widerklage geltend gemacht.

Das AG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Beklagte war im Berufungsverfahren der Ansicht, das AG habe die Betriebskostennachforderung für das Jahr 2016 zu Unrecht für verwirkt gehalten. Das Zeitmoment sei schon deshalb nicht verwirklicht, weil der Kläger die Abrechnung hätte verlangen können und dieser Anspruch noch nicht verjährt gewesen sei. Auch am Umstandsmoment fehle es. Es sei allenfalls dann verwirklicht, wenn eine Abrechnung zugestellt worden sei, dann aber jahrelang nicht geltend gemacht werde, oder aber dem Vertragspartner in irgendeiner Art und Weise zur Kenntnis gereicht werde, dass der Anspruch nicht verfolgt werde. Vorliegend sei hingegen nie über die ausstehende Abrechnung kommuniziert worden.

Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das AG hat sowohl die Umstände, wonach das Zeitmoment vorgelegen hatte, als auch die Umstände zur Begründung des Umstandsmoments zu Recht bejaht.

Ein Recht ist verwirkt, wenn es der Berechtigte über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre ("Zeitmoment"), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde ("Umstandsmoment"). Das AG hat für das Zeitmoment zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin erst zweieinhalb Jahre nach Eintritt der Fälligkeit des Abrechnungsanspruchs die Betriebskostenabrechnung des Jahres 2016 erhalten hatte. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für das Zeitmoment nicht auf die Verjährung des Abrechnungsanspruchs des Mieters abzustellen, sondern auf die Einjahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB, innerhalb derer der Vermieter abzurechnen hat. Nach Ablauf der Abrechnungsfrist verliert der Vermieter den Anspruch Nachzahlung von Betriebskosten gegen einen Wohnungsmieter; damit soll eine schnelle Abrechnung der Betriebskosten erreicht und ein Streit über viele Jahre zurückliegende Betriebskosten vermieden werden.

Um einen solchen Nachzahlungsanspruch ging es im vorliegenden Fall, nicht um einen Anspruch des Mieters auf Erstattung von Überzahlungen, der ggf. mit seinem Abrechnungsanspruch vorbereitet werden soll. Zwar handelte es sich vorliegend nicht um ein Wohnraummietverhältnis, die Jahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB bestimmt aber auch die Auslegung von Gewerbemietverträgen hinsichtlich einer Abrechnungspflicht des Vermieters und wurde vorliegend sogar ausdrücklich vereinbart. Der Zweck der Frist ist derselbe wie bei Wohnraummietverhältnissen. Auch wenn eine Fristversäumung bei Gewerbemietverträgen nicht als Ausschlussfrist sanktioniert ist, hat sie im vorliegenden Zusammenhang doch Bedeutung für die Bestimmung des Zeitmoments bei der Verwirkung.

Das Umstandsmoment ist zu bejahen, wenn die Gegenpartei tatsächlich darauf vertraut hat und bei verständiger Würdigung aller Umstände darauf vertrauen durfte, der Berechtigte wolle und werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Die verspätete Inanspruchnahme muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als eine mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Belastung erscheinen. Hier verfing der Einwand der Beklagten nicht, eine Kommunikation der Parteien über den streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum habe nicht stattgefunden, weshalb das Umstandsmoment nicht verwirklicht sein könne. Es ist vielmehr ein starkes Signal, wenn ein Gläubiger alle möglichen ihm zustehenden Forderungen thematisiert, nicht hingegen, wie vorliegend, eine bereits erstellte Betriebskostenabrechnung. Dies geschah bzw. unterblieb im Zusammenhang mit der Rückforderung der Kaution durch den Kläger, die regelmäßig Anlass für eine Bestandsaufnahme und Abrechnung aller einem Vermieter zustehenden Gegenforderungen ist.

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Keno Zimmer
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