GewSchG: Einstellen von Inhalten in Statusmeldung von WhatsApp-Profil stellt keine Kontaktaufnahme dar
OLG Hamburg v. 8.10.2024 - 12 WF 87/24
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin hatte die anwaltliche Vertretung der Ehefrau des Antragsgegners übernommen. Infolgedessen forderte die Antragstellerin für ihre Mandantin den Antragsgegner zur Erteilung einer Auskunft zur Bezifferung eines Trennungsunterhaltsanspruchs auf. Eine Auskunft erhielt sie nicht. Stattdessen beleidigte der Antragsgegner die Antragstellerin in äußerst obszöner Weise per E-Mail.
Daraufhin stellte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner beim Familiengericht einen Unterlassungsantrag, weil sie sich durch die E-Mail beleidigt und bedroht fühlte. Das AG erließ am 17.1.2024 eine Gewaltschutzanordnung gem. § 1 GewSchG, in der es dem Antragsgegner befristet bis zum 17.7.2024 u.a. untersagte in irgendeiner Form Kontakt zur Antragstellerin aufzunehmen, sie zu bedrohen, zu beleidigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln. Die einstweilige Anordnung wurde dem Antragsgegner am 19.1.2024 zugestellt.
Am 20.6.2024 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner schriftlich zur Zahlung einer vom AG festgesetzten Forderung auf. Noch am selben Abend stellte der Antragsgegner ein Bild dieses Schreibens öffentlich in seinen WhatsApp-Status mit folgendem Text ein "Wo nichts ist, kann man nichts holen, aber sowas weiß man als korrupte Anwältin nicht. Kannste von der fetten Schlampe holen, dem Grund und Auslöser für alles. Oder dem alten Krüppel, der hat ja genug, indem der alte Frauen abzockt".
Daraufhin beantragte die Antragstellerin gegen den Antragsgegner ein Ordnungsmittel festzusetzen. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Es liege kein Verstoß gegen die einstweilige Gewaltschutzanordnung vom 17.1.2024 vor. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss abgeändert und gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld i.H.v. 200 €, ersatzweise für je 50 € einen Tag Ersatzordnungshaft, festgesetzt.
Die Gründe:
Die formellen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung lagen vor. Der Antragsgegner hat insbesondere auch schuldhaft gegen den Titel verstoßen. Der Verstoß erfolgte innerhalb der Verbotsfrist des befristeten Unterlassungsgebotes, so dass dieser auch noch nach Fristende durch Verhängung eines Ordnungsmittels geahndet werden konnte.
Zwar stellte das Einstellen des Bildes des Schreibens verbunden mit dem Text keine Kontaktaufnahme gegenüber der Antragstellerin dar. Denn hierfür reicht es nicht aus, bestimmte Inhalte in das eigene Profil in den sozialen Medien einzustellen. Vielmehr ist eine aktive Kontaktaufnahme erforderlich, um den Tatbestand der Verbindungsaufnahme zu erfüllen (vgl. OLG Frankfurt, v. 17.12.2021 - 6 WF 147/21, FamRZ 2022, 958). Jedoch lag in der Äußerung "korrupte Anwältin" eine tatbestandliche Beleidigung.
Die Festsetzung des Ordnungsmittels war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Verpflichtung des Antragsgegners die Antragstellerin nicht zu beleidigen innerhalb des Gewaltschutzverfahrens rechtswidrig angeordnet worden war. Die Vollstreckung baut auf die Prüfung im Erkenntnisverfahren auf. Eine erneute Prüfung der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung findet grundsätzlich nicht statt. Es lag hier auch keine Ausnahmekonstellation vor, die - etwa aus Gründen des Ermessens - dazu Anlass gegeben hätte, von einer Festsetzung eines Ordnungsmittels abzusehen.
Die vom AG erlassene Gewaltschutzanordnung fußte jedoch nicht nur auf der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Vielmehr hatte in der E-Mail des Antragsgegners eine widerrechtliche Drohung mit einer Körperverletzung gem. § 1 Abs. 1, 2 GewSchG gesehen und auf dieser Grundlage die verfahrensrechtliche Schutzanordnung erlassen. Gem. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG hat das Gericht die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Insofern steht es im Ermessen des Gerichts, einzelne Maßnahmen anzuordnen oder mehrere, wobei keine Beschränkung auf die beantragten Maßnahmen besteht. Bei der Wahl der Maßnahmen sind die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und es ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Hinsichtlich der Zielrichtung des Gesetzes muss ein möglichst effektiver Opferschutz angestrebt werden. Wegen des mit einer Anordnung verbundenen Eingriffs in die Rechte des Antragsgegners mussten die Maßnahmen dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
Insoweit waren zwar Zweifel angebracht, ob das angeordnete Verbot einer Beleidigung mit Blick auf die von § 1 GewSchG geschützten Rechtsgüter des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung unter Berücksichtigung des angeordneten umfassenden Kontaktaufnahmeverbots geeignet war, den Erfolg herbeizuführen. Allerdings war vor dem Hintergrund eines umfassenden Opferschutzes auch zu bedenken, dass vom Antragsgegner gegenüber der Mandantin ausgesprochene Beleidigungen der Antragstellerin über das Mandatsverhältnis sehr wahrscheinlich auch ihren Weg zur Antragstellerin fanden. Mit Blick auf das vom Familiengericht ausgesprochene Beleidigungsverbot wäre es für die Antragstellerin schwierig gewesen, ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer (weiteren) deckungsgleichen einstweiligen Unterlassungsanordnung vor dem Zivilgericht darzulegen.
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Landesrecht Hamburg
Die Antragstellerin hatte die anwaltliche Vertretung der Ehefrau des Antragsgegners übernommen. Infolgedessen forderte die Antragstellerin für ihre Mandantin den Antragsgegner zur Erteilung einer Auskunft zur Bezifferung eines Trennungsunterhaltsanspruchs auf. Eine Auskunft erhielt sie nicht. Stattdessen beleidigte der Antragsgegner die Antragstellerin in äußerst obszöner Weise per E-Mail.
Daraufhin stellte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner beim Familiengericht einen Unterlassungsantrag, weil sie sich durch die E-Mail beleidigt und bedroht fühlte. Das AG erließ am 17.1.2024 eine Gewaltschutzanordnung gem. § 1 GewSchG, in der es dem Antragsgegner befristet bis zum 17.7.2024 u.a. untersagte in irgendeiner Form Kontakt zur Antragstellerin aufzunehmen, sie zu bedrohen, zu beleidigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln. Die einstweilige Anordnung wurde dem Antragsgegner am 19.1.2024 zugestellt.
Am 20.6.2024 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner schriftlich zur Zahlung einer vom AG festgesetzten Forderung auf. Noch am selben Abend stellte der Antragsgegner ein Bild dieses Schreibens öffentlich in seinen WhatsApp-Status mit folgendem Text ein "Wo nichts ist, kann man nichts holen, aber sowas weiß man als korrupte Anwältin nicht. Kannste von der fetten Schlampe holen, dem Grund und Auslöser für alles. Oder dem alten Krüppel, der hat ja genug, indem der alte Frauen abzockt".
Daraufhin beantragte die Antragstellerin gegen den Antragsgegner ein Ordnungsmittel festzusetzen. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Es liege kein Verstoß gegen die einstweilige Gewaltschutzanordnung vom 17.1.2024 vor. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss abgeändert und gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld i.H.v. 200 €, ersatzweise für je 50 € einen Tag Ersatzordnungshaft, festgesetzt.
Die Gründe:
Die formellen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung lagen vor. Der Antragsgegner hat insbesondere auch schuldhaft gegen den Titel verstoßen. Der Verstoß erfolgte innerhalb der Verbotsfrist des befristeten Unterlassungsgebotes, so dass dieser auch noch nach Fristende durch Verhängung eines Ordnungsmittels geahndet werden konnte.
Zwar stellte das Einstellen des Bildes des Schreibens verbunden mit dem Text keine Kontaktaufnahme gegenüber der Antragstellerin dar. Denn hierfür reicht es nicht aus, bestimmte Inhalte in das eigene Profil in den sozialen Medien einzustellen. Vielmehr ist eine aktive Kontaktaufnahme erforderlich, um den Tatbestand der Verbindungsaufnahme zu erfüllen (vgl. OLG Frankfurt, v. 17.12.2021 - 6 WF 147/21, FamRZ 2022, 958). Jedoch lag in der Äußerung "korrupte Anwältin" eine tatbestandliche Beleidigung.
Die Festsetzung des Ordnungsmittels war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Verpflichtung des Antragsgegners die Antragstellerin nicht zu beleidigen innerhalb des Gewaltschutzverfahrens rechtswidrig angeordnet worden war. Die Vollstreckung baut auf die Prüfung im Erkenntnisverfahren auf. Eine erneute Prüfung der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung findet grundsätzlich nicht statt. Es lag hier auch keine Ausnahmekonstellation vor, die - etwa aus Gründen des Ermessens - dazu Anlass gegeben hätte, von einer Festsetzung eines Ordnungsmittels abzusehen.
Die vom AG erlassene Gewaltschutzanordnung fußte jedoch nicht nur auf der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Vielmehr hatte in der E-Mail des Antragsgegners eine widerrechtliche Drohung mit einer Körperverletzung gem. § 1 Abs. 1, 2 GewSchG gesehen und auf dieser Grundlage die verfahrensrechtliche Schutzanordnung erlassen. Gem. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG hat das Gericht die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Insofern steht es im Ermessen des Gerichts, einzelne Maßnahmen anzuordnen oder mehrere, wobei keine Beschränkung auf die beantragten Maßnahmen besteht. Bei der Wahl der Maßnahmen sind die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und es ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Hinsichtlich der Zielrichtung des Gesetzes muss ein möglichst effektiver Opferschutz angestrebt werden. Wegen des mit einer Anordnung verbundenen Eingriffs in die Rechte des Antragsgegners mussten die Maßnahmen dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
Insoweit waren zwar Zweifel angebracht, ob das angeordnete Verbot einer Beleidigung mit Blick auf die von § 1 GewSchG geschützten Rechtsgüter des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung unter Berücksichtigung des angeordneten umfassenden Kontaktaufnahmeverbots geeignet war, den Erfolg herbeizuführen. Allerdings war vor dem Hintergrund eines umfassenden Opferschutzes auch zu bedenken, dass vom Antragsgegner gegenüber der Mandantin ausgesprochene Beleidigungen der Antragstellerin über das Mandatsverhältnis sehr wahrscheinlich auch ihren Weg zur Antragstellerin fanden. Mit Blick auf das vom Familiengericht ausgesprochene Beleidigungsverbot wäre es für die Antragstellerin schwierig gewesen, ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer (weiteren) deckungsgleichen einstweiligen Unterlassungsanordnung vor dem Zivilgericht darzulegen.
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