17.03.2025

Grundstückskauf: Störung der Geschäftsgrundlage weder durch Corona-Pandemie noch Ukraine-Krieg

Kann sich ein Grundstückskäufer gegen die Ausübung eines im Kaufvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrechts wehren, indem er nachträgliche Vertragsanpassung wegen der Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs verlangt? Das Rücktrittsrecht war ausgeübt worden, weil der Käufer nicht wie vereinbart innerhalb der Frist ein Gebäude zur gewerblichen Nutzung errichtet hatte. Das LG Koblenz hielt den Rücktritt für wirksam, da eine Störung der Geschäftsgrundlage weder durch die Corona-Pandemie noch den Ukraine-Krieg anzunehmen sei.

LG Koblenz v. 11.12.2024 - 14 O 278/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines von der Klägerin erklärten Rücktritts von einem Grundstückskaufvertrag. Mit notariellem Vertrag vom 30.4.2020 kaufte der Beklagte von der Klägerin das streitgegenständliche Grundstück zum Preis von ca. 226.000 €. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte, binnen drei Jahren ab Fälligkeit der Kaufpreiszahlung auf dem Grundstück ein Gebäude zur gewerblichen Nutzung bezugsfertig zu errichten. Der Klägerin wurde ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt, dass der Beklagte seine Bauverpflichtung "nicht, nicht fristgerecht oder nur unvollständig erfüllt" hat.

Am 15.9.2020 zahlte der Beklagte an die Klägerin den vereinbarten Kaufpreis. Am 22.10.2020 wurde das Grundstück auf den Beklagten umgeschrieben. In den Folgejahren verhandelte der Beklagte mit verschiedenen Mietinteressenten für eine von ihm auf dem Grundstück geplante Halle. Mietverträge kamen indes nicht zustande. Das streitgegenständliche Grundstück ist bislang unbebaut. Am 19.2.2024 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Beklagte verweigerte die Rückgabe des Grundstücks.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, er könne eine Anpassung des Vertrages nach § 313 Abs. 1 BGB in Form der Verlängerung der Bebauungsfrist verlangen. Die grundlegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Vertrags hätten sich geändert durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, deren massive Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses völlig unklar gewesen seien, und durch den Ukraine-Krieg, der die wirtschaftlich angespannte Lage ab Februar 2022 noch verschärft habe. Bei Kenntnis der Reichweite der Pandemiefolgen hätten die Parteien in dem Vertrag eine längere Bebauungsfrist vorgesehen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen des vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts liegen vor, denn der Beklagte hat im vereinbarten Dreijahreszeitraum kein Gebäude zur gewerblichen Nutzung auf dem Grundstück errichtet. Der Beklagte kann auch keine Verlängerung der Bebauungsfrist verlangen im Wege der Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg.

Die durch die Corona-Pandemie verschlechterte wirtschaftliche Lage ist kein Risiko, das sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Ungeregelte, aber prinzipiell voraussehbare Zufallsschäden muss jede Vertragspartei grundsätzlich selbst tragen, wenn sie im Vertrag keine andere Regelung getroffen hat.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur für sog. "Gemeingefahren", die dann von den Parteien gemeinschaftlich zu tragen wären, wenn nicht eine von ihnen das entsprechende Risiko ausdrücklich oder gemäß dem besonderen Sinn und Zweck des Vertrags übernommen hat. Zu solchen Gemeingefahren werden grundlegende Änderungen der wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Verhältnisse sowie sonstige (Natur-)Katastrophen gezählt, die alle Bürger gleichermaßen betreffen. 

Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags am 30.4.2020 hat sich Deutschland aber bereits seit fast zwei Monaten in der Corona-Pandemie befunden und beiden Parteien ist der Ernst der Lage bekannt gewesen. Die Pandemie ist von der WHO bereits als solche qualifiziert worden. Die Nachrichten und Medien sind seinerzeit von einer intensiven Berichterstattung über das Coronavirus und dessen Folgen dominiert gewesen. Die Landesregierung hatte am 30.4.2020 bereits die 5. Corona-Bekämpfungsverordnung erlassen. Diskussionen über die wirtschaftlichen Folgen der Krise waren allgegenwärtig. In dieser Situation war es auch für die Vertragsparteien offenkundig, dass ein kurzfristiges Ende der einschränkenden Maßnahmen nicht zu erwarten war und dass diese zu einschneidenden und nachhaltigen wirtschaftlichen Folgen führen würden. Dennoch haben die Parteien ohne Berücksichtigung etwaiger wirtschaftlicher Unsicherheiten die Rücktrittsbedingungen, insbesondere die starre Dreijahresfrist vereinbart. Der Beklagte ist mit dem Abschluss des Vertrages folglich bewusst und in Kenntnis der coronabedingten Unsicherheiten ein unternehmerisches Risiko eingegangen.

Auch die Folgen des Ukraine-Krieges in Deutschland vermitteln dem Beklagten keinen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB. Die ökonomischen Folgen des Ukraine-Krieges haben zwar die bereits angespannte wirtschaftliche Lage verschärft. Trotz erhöhter Inflation und angespannter Lage hinsichtlich der Energieversorgung ist aber eine Stabilisierung der Volkswirtschaft in Deutschland gelungen. Etwaige Nachfrageeinbußen wegen erhöhter Zinsen und zurückhaltenden Verhaltensweisen möglicher Interessenten stellen keine schwerwiegende Veränderung von Umständen dar, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, denn der allgemeine Verlauf der Wirtschaft und schwankende Zinsen gehören zum allgemeinen unternehmerischen Risiko.

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