06.03.2020

Grundstückskaufvertrag: Beschränkung der Möglichkeit zur Nutzung des Grundstücks nach erklärter Auflassung

Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines Grundstückskaufvertrags die Möglichkeit zur Nutzung des Grundstücks beschränken (hier: Verbot der Milchverarbeitung), führt nicht zu einer Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten und ist daher nach bindend erklärter Auflassung formlos möglich.

BGH v. 11.10.2019 - V ZR 7/19
Der Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag vom 7.3.2013 kaufte die Klägerin von der Beklagten zwei Grundstücke, auf denen diese ein Werk zur Produktion von Milchpulver unterhielt, zu einem Preis von 100.000 €. In der notariellen Urkunde erklärten die Parteien zugleich die Auflassung. Nach Abschluss des Kaufvertrags wünschte die Beklagte, dass die Klägerin sich verpflichtet, auf den gekauften Grundstücken keine Milch zu verarbeiten. Sie übersandte der Klägerin am 16.4.2013 eine E-Mail mit folgendem Formulierungsvorschlag für eine Vereinbarung: "Der Käufer verpflichtet sich, auf dem Kaufgrundstück zeitlich unbeschränkt keine Verarbeitung von Milch vorzunehmen. Dieses Verbot gilt für die Milch von Kühen, Schafen und Ziegen. Das Verbot trifft den Käufer als Eigentümer dieses Grundstücks und das Verbot gilt insbesondere auch für etwaige Mieter oder Pächter des Grundstückes sowie für jeden Rechtsnachfolger des Käufers."

Die Klägerin bestätigte die Vereinbarung mit Schreiben vom 26.4.2013. Im August 2014 verkaufte sie das eine Grundstück an den Drittwiderbeklagten zu 2) und das andere Grundstück an die Drittwiderbeklagte zu 3), bewilligte die Eintragung entsprechender Auflassungsvormerkungen und trat den Käufern ihre Ansprüche gegen die Beklagte auf Verschaffung des Eigentums ab. Ein Milchverarbeitungsverbot vereinbarte sie jeweils nicht. Im November 2014 erklärte die Beklagte deshalb den Rücktritt von dem Kaufvertrag vom 7.3.2013. Mit der Klage verlangt die Klägerin die Übergabe der Grundstücke. Die Beklagte erstrebt mit der Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Bewilligung der Löschung der zu deren zugunsten eingetragenen Auflassungsvormerkungen und zur Beibringung von Löschungsbewilligungen hinsichtlich der zugunsten der Drittwiderbeklagten zu 2) und 3) eingetragenen Vormerkungen Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises. Im Wege der Drittwiderklage verlangt die Beklagte von den Drittwiderbeklagten die Löschung der zu deren Gunsten eingetragenen Vormerkungen.

Das LG wies die Klage ab und gab der Widerklage sowie der Drittwiderklage statt. Dagegen legten die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 3) Berufung ein. Das OLG gab der Klage statt und wies die Widerklage sowie die gegen die  Drittwiderbeklagte zu 3) gerichtete Drittwiderklage ab. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Mit dem Milchverarbeitungsverbot von April 2013 wurde eine Nutzungsbeschränkung vereinbart. Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines Grundstückskaufvertrags die Möglichkeit zur Nutzung des Grundstücks beschränken, führt nicht zu einer Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten und ist daher nach bindend erklärter Auflassung formlos möglich.

Selbst wenn bei einem Verstoß gegen das Verbot, das Grundstück in einer bestimmten Weise nicht zu nutzen, nicht nur Schadensersatzpflichten des Käufers begründet werden, sondern ein Recht des Verkäufers zum Rücktritt von dem Kaufvertrag nach § 323 Abs. 1 BGB gegeben sein könnte, bleibt die Verpflichtung zur dinglichen Rechtsänderung aus dem Kaufvertrag unberührt. Es tritt auch keine neue (Rück-)Übertragungsverpflichtung hinzu. Zwar haben bei der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts die Parteien die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§§ 346 ff. BGB). Dabei handelt es sich jedoch um eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge; eine solche stellt keine Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten dar. An der Formfreiheit ändert es auch nichts, wenn die Nutzungsbeschränkung mit einer Minderung des Grundstückswerts einhergeht. Denn auch eine nach der Auflassung getroffene Vereinbarung, durch die der Kaufpreis erhöht oder ermäßigt, also ebenfalls das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verändert wird, ist nach bindend erklärter Auflassung formfrei möglich.

Der Rechtsfehler hat sich aber nicht ausgewirkt. Das OLG verneint rechtsfehlerfrei eine Berechtigung der Beklagten zum Rücktritt von dem Kaufvertrag (§ 323 Abs. 1 BGB) aufgrund einer Auslegung der Vereinbarung von April 2013. Die Auslegung des OLG, wonach der Klägerin nicht der Weiterverkauf des Grundstücks ohne Weitergabe des Milchverarbeitungsverbots untersagt worden ist, sondern eine Milchverarbeitung durch den Mieter, Pächter oder Käufer der Klägerin zugerechnet werden soll, verletzt insbesondere nicht den Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung. In der Vereinbarung von April 2013 hat sich die Klägerin verpflichtet, selbst keine Milch auf den Grundstücken zu verarbeiten. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung, wonach das Verbot auch für etwaige Mieter oder Pächter des Grundstücks sowie für jeden Rechtsnachfolger gilt, ergibt sich, dass die Klägerin zudem die Nebenpflicht übernommen hat, dafür Sorge zu tragen, dass das Milchverarbeitungsverbot bei Vermietung, Verpachtung und bei einem Weiterverkauf eingehalten wird. Die Vereinbarung enthält aber keine ausdrückliche Regelung dazu, auf welche Weise die Klägerin dies sicherzustellen hat.

Es versteht sich auch nicht von selbst, dass sie verpflichtet sein sollte, die Nutzungsbeschränkung an den Käufer der Grundstücke weiterzugeben. In diesem Fall hätte sie das Milchverarbeitungsverbot gegenüber den Käufern zwar effektiv durchsetzen können. Den gleichen Erfolg könnte sie aber etwa durch den Verkauf an ein in einer anderen Branche tätiges Unternehmen oder an ein solches, auf dessen Tätigkeit sie Einfluss nehmen kann, erreichen. Damit ist es der Klägerin überlassen, auf welche Weise sie die Einhaltung des Verbots bei einem Weiterverkauf durchsetzt und die ihr obliegende Nebenpflicht erfüllt. Folglich liegt keine Pflichtverletzung vor; denn tatsächlich findet nach Feststellungen des OLG auf den Grundstücken keine Milchverarbeitung durch die Drittwiderbeklagten statt.
BGH online
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