11.03.2025

Haftet der Inhaber für die unbefugte Nutzung seines E-Mail-Kontos durch den Ehepartner?

Werden dem Ehemann Zugangsdaten für den eigenen E-Mail-Account zugänglich gemacht und wird dieser Zugang von ihm über längere Zeit hinweg und in Kenntnis seiner Ehefrau unter deren Namen rechtsgeschäftlich genutzt, kann eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht anzunehmen sein, demnach der Ehefrau das Handeln ihres Ehemannes zuzurechnen ist.

OLG Zweibrücken v. 15.1.2025 - 1 U 20/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um eine Einstandspflicht der Beklagten aus einer Wohngebäudeversicherung für 2020 zutage getretene Folgeschäden aus einem Leitungswasserschaden aus dem Jahr 2011. Die Versicherung wendet ein, dass die Klägerin aufgrund eines 2014 geschlossenen Abfindungsvergleichs an der Geltendmachung des Folgeschadens gehindert ist.

Die Klägerin hält den Abfindungsvergleich jedoch für unwirksam, da nicht sie selbst, sondern ihr Ehemann ohne ihr Wissen und ohne entsprechende Absprache mit ihr die Mail eigenmächtig verfasst habe, in der er ein entsprechendes Vertragsangebot abgegeben habe, das die Versicherung dann annahm. Sie sei alleinige Eigentümerin des betroffenen Grundstücks und ihr Ehemann nicht von ihr bevollmächtigt gewesen.

Die Klägerin beantragte, festzustellen, dass die Beklagte ihr sämtliche Folgeschäden aus dem Wasserschaden zu ersetzen hat. Das LG wies die Klage ab. Auch die Berufung vor dem OLG blieb ohne Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin ist aufgrund des 2014 geschlossenen Abfindungsvergleichs an der Geltendmachung dieses Folgeschadens gehindert. Die unter dem Namen der Klägerin von deren passwortgeschütztem E-Mail-Account abgeschickte E-Mail vom 13.6.2014 beinhaltet ein Angebot auf Abschluss eines solchen Abfindungsvergleichs mit einer Regulierungsvereinbarung zur Zahlung weiterer 10.000 € unter Abgeltung eventuell noch auftretender Folgeschäden. Die Beklagte nahm das Vergleichsangebot durch Überweisung des Abfindungsbetrages an die Klägerin am 4.7.2014 konkludent an.

Dieses Angebot stammte von der Klägerin. Deren Einwand, nicht sie selbst, sondern ihr Ehemann habe ohne ihr Wissen und ohne entsprechende Absprache mit ihr die Mail eigenmächtig verfasst, ist unbehelflich.

Wird - wie in Streitfall - bei der Abgabe einer Willenserklärung durch die Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, der angebotene Vertrag solle mit dem Namensträger zustande kommen (E-Mail Account der Klägerin, Unterschrift der Versicherungsnehmerin ... ...) und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, so finden die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechend Anwendung.

Dies gilt auch für Geschäfte, die über das Internet abgewickelt werden. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB analog), vom Namensträger nachträglich genehmigt worden ist (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder wenn die Grundsätze über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht eingreifen. Hieran gemessen ist der Klägerin das Angebot vom 13.6.2014 zuzurechnen.

Zwar hat die Klägerin ihren Ehemann weder im Vorfeld zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung bevollmächtigt noch dessen Verhalten nachträglich genehmigt. Allerdings steht nach der ergänzenden Anhörung der Klägerin fest, dass diese nach Rechtsscheingrundsätzen - dies in Form einer Anscheinsvollmacht - für das unter Verwendung ihres passwortgeschützten E-Mail Accounts am 13.6.2014 abgegebene Angebot ihres Ehemanns auf Abschluss eines Abfindungsvergleichs einzustehen hat.

Aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers lag ein Angebot der Klägerin als der materiell Berechtigten vor, welches die Beklagte angenommen hatte. Das Angebot kam vom E-Mail-Account der Klägerin und war mit Ihrem Namen unterzeichnet. Die Beklagte wurde dabei über die Identität des Handelnden getäuscht. Aus ihrer Sicht wollte sie den angebotenen Abfindungsvergleich ausschließlich mit der Klägerin als ihrer Versicherungsnehmerin schließen. Den falschen Anschein hatte die Klägerin gesetzt; dies in Form der Aushändigung von Legitimationsmerkmalen durch Preisgabe ihres Passworts für die Nutzerkennung. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer ergänzenden Befragung ausdrücklich eingeräumt, dass sie ihrem Ehemann die Zugangsdaten ihres passwortgeschützten E-Mail-Kontos willentlich offengelegt und dieser in der Vergangenheit häufig im Privat- wie Geschäftsverkehr ihr E-Mail-Konto genutzt hatte, um in ihrem Namen rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. Umgekehrt habe auch sie die passwortgeschützten Zugangsdaten für das E-Mail-Konto ihres Mannes gekannt und dieses in gleicher Weise genutzt. Man habe da nicht unterschieden, wer welches E-Mail-Konto nutze. Die Klägerin hätte indes unschwer erkennen können, in welcher Weise ihr Ehemann ihren E-Mail-Account nutzte und welche Mails er unter ihrem Namen an wen verschickte.

Soweit die Klägerin angegeben hat, das Haus gehöre ihr und sie habe sich selbst um die Schadensmeldung und -bearbeitung gekümmert, steht auch fest, dass ihr Ehemann als Akteur in gewisser Weise eingebunden war. Namentlich hatte er mit ihrem Wissen an Ortsterminen teilgenommen, Gespräche und Telefonate mit einbezogenen Unternehmen und dem Gutachter der Versicherung geführt und ersichtlich auch verhandelt. Ob hieraus auch eine Repräsentantenhaftung der Klägerin resultiert, kann in Ansehung der vorliegenden Anscheinsvollmacht zulasten der Klägerin indes offen bleiben.

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